Hamburg. Gemeinsam mit dem BDA vergeben die Leser des Hamburger Abendblatts den Publikumspreis. Das Bewerberfeld ist bunt gemischt.
Was haben die Elbphilharmonie, der Carlsen Verlag in Altona oder die Waterworlds in Falkenstein gemeinsam? Sie alle wurden von den Leserinnen und Lesern des Hamburger Abendblatts zu den Bauten des Jahres gekürt. Der BDA Hamburg Architektur Preis zeichnet alle zwei Jahre besondere Häuser aus, die jüngst in der Stadt entstanden sind. Bereits seit 1996 werden Gebäude aus dem Raum Hamburg ausgezeichnet, „die im Sinne der Hebung der Qualität des Planens und Bauens in Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Umwelt vorbildlich sind“. Damit gelingt es der Auszeichnung, vorbildliche Neubauten in den Blickpunkt zu rücken.
Seit Jahren wird zudem der Publikums-Architekturpreis vergeben, den die Leser küren. Dafür hat eine hochkarätige Jury des BDA eine Vorauswahl aus den Einreichungen getroffen. Bis zum 3. Oktober können Sie auf Abendblatt.de abstimmen. Die Preisverleihung wird im November stattfinden.
Vor zwei Jahren gewann die Bürowelt des Carlsen-Verlags, die in einem historischen Industriegebäude in Altona entstanden ist. Das Architekturbüro de Winder Architekten und Stern Architekten hatten die alten Hallen sensibel für die neue Arbeitsumgebung umgestaltet. Rund ein Viertel der Stimmen entfiel auf diesen Umbau.
BDA Hamburg Architektur Preis: Bewerberfeld ist auch 2024 bunt gemischt
Im Jahr 2020 gewann die denkmalgerechte Sanierung und Umnutzung der ehemaligen Pumpstation des Wasserwerks am Falkensteiner Ufer zu Eigentumswohnungen mit großem Abstand den ersten Preis. Mehr als ein Drittel der Stimmen entfiel auf die Waterworks Falkenstein des Architekturbüro Biwermau. Noch größer war der Abstand beim Publikumspreis 2018 – er ging mit großem Vorsprung an die Basler Architekten Herzog & de Meuron für die Elbphilharmonie.
Im laufenden Jahr ist das Bewerberfeld wieder bunt gemischt – vom Zweifamilienhaus bis zum Großbüro, vom Umbau der Alsterschwimmhalle bis zum Nachbarschaftszentrum. Entscheiden Sie, wer den Publikumspreis 2024 verdient hat.
1. Neubau Bahnhofsmission Hauptbahnhof
Die Bahnhofsmission ist vom Hauptbahnhof in ein eigenes Gebäude gezogen: Auf 400 Quadratmetern Fläche findet sich ein großer Empfangstresen, ein Aufenthalts- und Veranstaltungsraum, ein Raum der Stille, Verwaltungs- und Betreuungsräume, Lager und ein deutschlandweit einmaliges Hygienezentrum. Eine 40 Meter lange Glasfassade macht das Gebäude transparent, trotzdem sind die Mitarbeiter von Blicken geschützt.
Vielleicht ist es das erste Mal überhaupt, dass eine Bahnhofsmission derart sichtbar in einer Stadt auftritt. In der Jurybegründung heißt es: „Die mühsam erwirkte, neue Bahnhofsmission auf dem Bahnhofsvorplatz überzeugt durch ihr auffälliges Erscheinungsbild im öffentlichen Raum. Carsten Roth wollte mit seinem Entwurf soziale Not sichtbar machen und notwendiges, soziales Engagement ins Bewusstsein rufen.“
2. Grundschule Am Baakenhafen
Die neue Grundschule Am Baakenhafen bildet den Mittelpunkt des Quartiers und öffnet sich mit einer Gewerbefläche zum Lola-Rogge-Platz hin. Der Zugang zur Schule erfolgt geschützt über den Pausenhof entlang des Petersenkai, an dem auch Aula und Mensa liegen. Das ungewöhnliche Konzept einer vertikalen Schule ist den beengten Grundstücksverhältnissen geschuldet. Das Gebäude ist auf Materialbeständigkeit, lange Lebensdauer und maximale Flexibilität ausgerichtet.
Die Jury lobt: „LRO gelang ein geschickt organisiertes, vertikales Volumen, das kompakt und funktional, differenziert der Umgebung angepasst und für Nah- und Fernwirkung konzipiert ist. Das Erdgeschoss ist mit dem Quartier durch eine Gewerbeeinheit verwoben; hier die Sporthalle separat zu erschließen und eventuell den Schulgarten mit der öffentlichen Freifläche zusammenschließen zu können: Das ist weitsichtig geplant.“
3. Neubau Timber-Office
Der Neubau des Timber-Office widmet sich der Herausforderung des „neuen Arbeitens“ und des „neuen Bauens“. In der bunten Umgebung Ottensens fügt er sich ortstypisch ein. Während der Baukörper an der Daimlerstraße die Straßenflucht schließt, staffelt er sich nach Westen zum Denkmal des Gastwerk-Hotels spielerisch ab. Die technische Ausstattung erfüllt die Anforderungen moderner Arbeitswelten und folgt einem Low-Tech-Prinzip mit natürlicher Belüftung und wiederverwendbarer Installationen.
„Das Bürogebäude stellt sich souverän in die Traditionslinie des Hamburger Kontorhauses und interpretiert sie erfrischend neu“, lobt die Jury. „Das Ensemble aus sechsgeschossigem Blockrand und dreigeschossiger Hofbebauung vermittelt zwischen den Dimensionen des heterogenen Quartiers und steht nobel zurückhaltend in der Stadt.“ Das Projekt besteche mit präzise geplanter, sensibel und vernünftig konzipierter Architektur.
4. Sanierung Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Das denkmalgeschützte Gebäude, von 1911 bis 1914 von Fritz Schumacher errichtet, ist Teil des Campus Berliner Tor. Seit 2015 ist DFZ mit den Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten des fünfgeschossigen Bestandsgebäudes betraut. Zu den Maßnahmen gehören die ganzheitliche Sanierung, zahlreiche Rückbaumaßnahmen mit brandschutzgerechtem Wiederaufbau sowie die Möblierung öffentlicher Bereiche.
„Wenn Architekten sich auf eine denkmalgeschützte, zudem teils zerstörte und wiederaufgebaute Architektur einlassen, die Überraschungen aller Art bereithält, zeugt das von vernünftiger, wohlwollender Wertschätzung des Bestands“, schreibt die Jury. Genau diese Aufgabe mit Sachkenntnis, Lernbereitschaft und Geduld anzunehmen, riskierten DFZ Architekten – mit vielfältigen Belohnungen. Jetzt stehe der erneuerte Schumacher-Bau wieder makellos im städtischen Raum.
5. Gemeinschaftshaus Grasbrookpark
Das Gemeinschaftshaus Grasbrookpark ist Teil der öffentlichen Infrastruktur der HafenCity Hamburg. Es bietet einen flexibel nutzbaren Mehrzweckraum, einen Kiosk und öffentlichen Toiletten und soll ein Begegnungsort für das Quartier werden. Als eigenständiges architektonisches Wesen hebt sich das kompakte Gebäude klar von seinen großmaßstäblichen Nachbarn ab.
„Von zartfühlender Einfügung in die Umgebung kann hier nicht die Rede sein“, schreibt die Jury. „Das quietschgelbe Gebäude will kein übliches ‚Haus‘ sein, sondern auffallen, was der gemeinschaftsorientierten Nutzung sehr angemessen ist.“ Von jeder Seite aus biete sich ein einprägsames Bild, zugleich zeige der Grundriss gut durchdachte, sinnfällige Organisation und Funktionalität.
6. Geschäftshaus am Lohsepark
Am Lohsepark bildet der L-förmige Baukörper eine Einheit mit dem angrenzenden Klinkerensemble des Prototypmuseums. Der Baukörper ist in zwei Teile gegliedert und staffelt sich zu den Nachbarn hin ab, um dem städtebaulichen Maßstab gerecht zu werden. Die Eingangsbereiche werden durch Einschnitte markiert. Tradition und Handwerk trifft Moderne – die räumliche Klinkerverbauung bewirkt, dass die Fassade durch das Schattenspiel je nach Tageszeit und Wetterbedingungen unterschiedlich erscheint und lebendig wirkt.
„Kenntnisreich, gestalterisch anspruchsvoll und umsichtig“ haben die Architekten Wandel Lorch Götze Wach die Klinkerfassade des Hauses konzipiert und materialgerecht realisiert, schreibt die Jury. Die Anordnung und Gestaltung der Ziegel – grün, rot, violett, glasiert, matt und mehr – sei überaus geschickt und stadträumlich wirksam.
7. Sanierung und Umbau Alsterschwimmhalle
Die Schwimmoper gilt als einer der größten Schalenbauten Europas - ein Wahrzeichen der Nachkriegsmoderne. Die Alsterschwimmhalle haben Horst Niessen, Rolf Störmer, Walter Neuhäusser und Jörg Schlaich einst entworfen. Nun haben Gerkan, Marg und Partner das Gebäude umfassend saniert. Die bisherige Wasserfläche wurde um rund ein Viertel vergrößert, gut die Hälfte der gesamten Innenfläche wurde neu gebaut.
„Es ist gmp Architekten hoch anzurechnen, dass sie die Sanierung des denkmalgeschützten, beliebten Bades nun auch zusammen mit Schlaich Bergermann und Partner durchgeführt haben“, schreibt die Jury. „Mit sorgfältiger Analyse der zwei Paraboloidschalen und mit innenräumlich klug durchdachten Änderungen der Tribünen und Sprungtürme sowie geschickt integrierten funktionalen Erweiterungen ist es gelungen, das Bad gegenwärtigen Ansprüchen anzupassen und seine faszinierende räumliche Wirkung zu inszenieren.“
8. „Roots“ – das höchste Holzhochhaus Deutschlands
Der 65 Meter hohe Hybridbau der Garbe GmbH ist ein Pionierprojekt. Alle tragenden Bauteile der Wohngeschosse wurden in Holzbauweise errichtet, lediglich der Sockelbau sowie die drei Erschließungskerne sind aus Stahlbeton. Im Vergleich zur Errichtung in konventioneller Bauweise spart „Roots“ 31 Prozent CO₂. Eine zweite Fassade aus Glas gewährleistet den UV- und Feuchteschutz. Verschiebbare Glaselemente schützen die umlaufenden Loggien vor Wind und Wetter.
„Bauen mit Holz zeichnet sich dadurch aus, dass der Baustoff nachwächst und sich in CO2-Bilanzen positiv niederschlägt“, lobt die Jury. Bauherrn, die sich auf Experimente einlassen, müsse man suchen. „Es beeindrucken Courage, Konsequenz und Professionalität, beispielsweise in der Vorfertigung, mit der das anspruchsvolle Wohnprojekt realisiert worden ist.“
9. Wohnen im Grünen am Saseler Weg
In Volksdorf steht dieses Wohnensemble mit verschiedenen Gebäudetypologien: Das Mehrfamilienhaus verfügt über jeweils zwölf öffentlich geförderte und frei finanzierte Wohnungen. Sie variieren in ihrer Größe und sind für Alleinerziehende wie größere Familien geeignet. Über der Kita befinden sich neun rollstuhlgerechte Wohnungen sowie Räume für eine Wohngemeinschaft mit demenzkranken Menschen. Im Süden schließen 13 Reihenhäuser das Ensemble ab.
„Das Wohnprojekt, in dem vom Kita-Kind bis zum betagten Best Ager, von Gutverdienenden bis zu weniger Wohlhabenden alle ein gutes Zuhause finden können, weicht angenehm vom Üblichen ab“, lobt die Jury. Obwohl am Ortsrand sei das kleine Quartier erstaunlich dicht bebaut. „So unspektakulär die Bauten beieinanderstehen, so überraschend nobel sind sie detailliert und mit sehr großen Fenstern auf Offenheit ausgelegt.“
10. Ipanema – Wohnen und Arbeiten in der City Nord
Werner Hebebrands Konzept von Solitären im Grünen führt das Ipanema weiter. Inspiriert durch die modernen Freiräume des Brasilianers Roberto Burle Marx, haben die Architekten einen geschwungener Bau entwickelt, der eine halböffentliche Erschließungs- und Freizeitebene umfließt. Die denkmalgeschützten Fußgängerbrücken binden das neue Quartier gekonnt in die City-Nord ein. Realisiert wurden 523 Wohnungen, davon 157 öffentlich gefördert, sowie Gewerbe und Kita.
„Mut zum großen Solitär!“, lobt die Jury. „Als prämiertes Wettbewerbsprojekt überzeugt die Baukörperfigur in der City Nord, in der Wohn- und Arbeitssolitäre bereits ikonisch historisiert sind. Stadträumlich erzeugen der Büroturm und die zwei Wohnschlangen teils anspruchsvoll gestaltete, großzügige Freiflächen – mit dem Vorteil, dass beim Blick aus den Fenstern Distanz zum Gegenüber gewahrt bleibt.“
11. Zweifamilienhaus Babendiekstraße
In einer Nachverdichtung wurde dieses Zweifamilienhaus behutsam in den Bestand integriert. Der Neubau bildet ein Quadrat, bei dem eine Ecke abgeschnitten wurde, um einem Baum Platz zu geben. Im Gegensatz zum offenen Grundriss im Erdgeschoss sind die oberen Geschosse in verschieden große Zimmer gegliedert. Eine vertikale Holzverkleidung erzeugt ein besonderes Licht- und Schattenspiel auf der Fassade, das nach Sonnenstand die Farben verändert.
„Das Wohnhaus für zwei Familien ist im äußeren Erscheinungsbild wie eine Art Gartenhaus getarnt. Mit bemerkenswerter Konsequenz im Grundriss ist es mit einer durchlaufenden, geschickt geknickten Diagonale geteilt; innenräumlich wurde aus dieser Not eine Tugend“, lobt die Jury. „Einnehmend aus architekturkritischer Sicht sind summa summarum die ganzheitlich dem Ort angemessene Konzeption, Materialwahl und Ausführung.“