Hamburg. Nach 40 Jahren wird die Druckerei in Ahrensburg geschlossen. Wir haben den „Probedruck“ in der neuen Druckerei in Braunschweig begleitet.
Der 1. August 2024 wird ein besonderer Tag in der Geschichte des Hamburger Abendblatts: Nach fast 76 Jahren verabschiedet sich das Hamburger Abendblatt vom sogenannten Nordischen Zeitungsformat und wechselt auf das etwas kleinere, in Deutschland am weitesten verbreitete sogenannte Rheinische Format. Und: Nach 40 Jahren nächtlicher Zeitungsproduktion in der Offsetdruckerei von Axel Springer in Ahrensburg wechselt das Hamburger Abendblatt in das Druckzentrum der Funke Mediengruppe in Braunschweig.
Warum? Die Axel Springer SE schließt ihre Zeitungsdruckerei in Ahrensburg am 31. Juli 2024.
Danke, liebe Drucker in Ahrensburg!
40 Jahre lang wurde das Hamburger Abendblatt in der Offsetdruckerei von Axel Springer in Ahrensburg gedruckt. Nun heißt es Abschied nehmen. Axel Springer schließt die Druckerei und das Hamburger Abendblatt wird künftig in Braunschweig hergestellt.
Aber das Hamburger Abendblatt möchte auch Danke sagen: Danke, liebe Ahrensburger – für mehr als 12.000 Nächte, in denen ihr unser aller Hamburger Abendblatt „auf die Rampe“ gebracht habt.
Danke, für die Geduld (wenn wir mal ein paar Minuten später fertig wurden). Danke für manchen kurzen Anruf – und Hinweise auf manchen Fehler, oder auch manchmal Seltsames. Danke, fürs all das Mitdenken, für das Mitleiden – all die gemeinsame Leidenschaft für Hamburg und das Abendblatt.
Euer Abendblatt-Team
Ein Druckereiwechsel, wie ihn das Hamburger Abendblatt jetzt erlebt, ist ein riesiges Projekt. Über Monate wurden alle Änderungen in der Redaktion, der Logistik, der Vermarktung, der IT und natürlich in der Druckerei vorbereitet. Am Ende aller Vorbereitungen wurde eine „Nullnummer“ des Hamburger Abendblattes in der neuen Braunschweiger Druckerei produziert und alle Abläufe bis hin zur Zustellung durchgeprobt.
Die Zeitungsdruckerei in Braunschweig ist eine der größten und modernsten in Deutschland
So können wir unseren Leserinnen und Lesern schon heute einen Eindruck davon vermitteln, wie und wo ihr Hamburger Abendblatt künftig entsteht. Das Druckzentrum Braunschweig, direkt an der Autobahn 2 gelegen, wurde im März 2013 eröffnet und ist heute eine der größten und modernsten Zeitungsdruckereien in Deutschland. Jede Nacht werden hier bereits die „Braunschweiger Zeitung“, „Wolfsburger Nachrichten“, „Salzgitter Zeitung“, „Wolfenbütteler Zeitung“, „Peiner Nachrichten“, „Gifhorner Rundschau“, Harz Kurier“, „Thüringer Allgemeine“, „Thüringische Landeszeitung“ sowie die ebenfalls in Hamburg erscheinende „Bergedorfer Zeitung“ gedruckt.
Herzstück der Druckerei sind die beiden Manroland-Druckmaschinen vom Typ Colorman XXL: Rasend schnell rauschen die Papierbahnen durch die beiden drei Stockwerke hohen Drucktürme. Beeindruckende zwölf Meter Papier können sie bedrucken – in nur einer Sekunde. In einer Stunde schaffen es die zwei Linien, bis zu 90.000 Zeitungen zu produzieren.
Pro Nacht entstehen in der Braunschweiger Druckerei bis zu 900.000 Quadratmeter Zeitung
Das Druckzentrum Braunschweig wurde im März 2013 eröffnet. 31 Millionen Euro wurden von der Funke Mediengruppe in den Bau der modernen Offset-Druckerei investiert. Offset bedeutet aus dem Englischen übersetzt so viel wie „absetzen“: In diesem Verfahren zu drucken heißt, indirekt zu drucken. Die Druckplatten übertragen die Farbe auf ein Gummituch, das wiederum die Farbe auf das Papier bringt. „Daher ist die Schrift auf den Druckplatten seitenrichtig zu lesen, auf dem Gummituch spiegelverkehrt und am Ende auf dem Zeitungspapier wieder seitenrichtig“, erklärt Adrian Soballa. Der Druckereileiter kennt die Herstellungsabläufe in dem 7550 Quadratmeter großen Gebäude aus dem Effeff.
Neben den Tageszeitungen produzieren die 80 Mitarbeiter in der Tagesschicht auch zahlreiche Anzeigenblätter, wie auch die Hamburger Wochenblätter. Wie in Windeseile pro Nacht mehr als 900.000 Quadratmeter Zeitung entstehen, erklärt Soballa bei der „Generalprobe“ für den Abendblatt-Druck während eines Rundgangs durch die Druckerei.
Eine Papierrolle für den Zeitungsdruck ist bis zu zwei Tonnen schwer
Augenblicke nachdem die Redaktion in Hamburg eine Seite für den Druck freigegeben hat, laufen die Daten im Rechner des schallisolierten Druckereileitstandes auf. Hier wird geplant, in welchem Druckturm gedruckt und welche Papiersorte für welche Zeitung eingesetzt wird. Auch die einzelnen Zeitfenster für den Druck jeder Ausgabe werden hier akribisch geplant. Computerprogramme rastern hier alle Bilder in Schwarz, Cyan, Magenta und Gelb auf – die vier Grundfarben des Zeitungsdrucks. Per Laser werden die Informationen für den Druck auf eine beschichtete Aluminiumplatte belichtet. Dabei sind für jede vierfarbige Seite vier Druckplatten nötig: jeweils für die Farben Schwarz, Cyan, Magenta und Gelb. Die „Plattenbelichter muss man sich wie einen Laserdrucker zu Hause vorstellen“, sagt Druckereileiter Adrian Soballa. Nur, dass im Plattenbelichter statt Papier beschichtete Aluminiumplatten liegen…
Der Druckereichef ist stolz auf die moderne Technik in der Druckerei: Die Papierrollen, die schon einmal zwei Tonnen pro Stück wiegen, werden von Robotern computergesteuert aus dem Lager direkt an die Drucktürme gefahren. Der Rollenwechsel erfolgt ohne menschliches Eingreifen. Jede Rolle ist mit einem Barcode versehen – und hat ihren vordefinierten Platz in der Zeitungsproduktion. Auch in Sachen Umweltschutz ist die Braunschweiger Druckerei weit vorn: „In einem der beiden Drucktürme testen wir seit einigen Wochen Druckfarben ohne Mineralölzusatz. Wenn alles gut läuft, werden wir bald auch den zweiten Druckturm umrüsten“, sagt Adrian Soballa, der sich übrigens bestens im hohen Norden auskennt. Denn Adrian Soballa hat, bevor er nach Braunschweig wechselte, viele Jahre in der Zeitschriftendruckerei von Bertelsmann in Itzehoe gearbeitet.
Maximal 40.000 Zeitungsexemplare kann ein Druckturm pro Stunde produzieren
600 Platten können pro Stunde belichtet werden. In einer Nacht werden 1500 bis 2000 Platten erstellt. Die fertigen Platten werden über ein Fließband direkt in die Rotation transportiert, also in den Bereich des Druckzentrums, in dem tatsächlich gedruckt wird. Dort werden sie automatisch in Fächer eingeordnet, damit Seiten, die zusammengehören, auch zusammen gedruckt werden. Ein Roboter legt die Platten dann in die Druckmaschine ein. Bis vor einigen Jahren mussten die Drucker das noch per Hand machen. In der Rotation herrscht mittlerweile rege Betriebsamkeit. Ein lauter Warnton kündigt den Andruck an. Die Druckmaschine setzt sich dröhnend in Gang. Schnell kommen die Druckzylinder auf Touren. Kurz darauf schnappen sich die Drucker schon die ersten fertigen Zeitungsexemplare. Schnell überfliegen sie die Seiten. Stimmen die Farben? Ist der Druck passgenau? Noch kann nachgebessert werden. Mit den Tasten auf ihren Arbeitsflächen geben die Drucker Befehle an die Maschine weiter. Es muss schnell gehen. Zeitungsdruck bedeutet immer auch Zeitdruck.
Nach etwa 400 Exemplaren – dem sogenannten Andruck – können sich die Drucker ein wenig entspannen. Nun kommen die ersten – zumindest theoretisch – verkaufsfähigen Abendblätter aus der Druckmaschine. Aber an diesem Juni-Vormittag ist der Abendblatt-Druck ja erst einmal eine Generalprobe für alle Abläufe. Die Druckmaschine wird schneller und schneller – auch lauter. Jetzt werden 29.000 Exemplare in der Stunde produziert. Maximal schafft die Maschine mehr als 40.000. Mit bloßem Auge ist bei solchen Geschwindigkeiten nicht mehr zu erkennen, was auf die Papierbahnen gedruckt wird.
Die frisch gedruckten Abendblätter schweben an der Decke durch die Halle – und trocknen
Jede gedruckte Zeitung wird, sobald sie aus der Maschine kommt, über ein Kettensystem an der Decke in die Weiterverarbeitungshalle transportiert. Die Zeitungen werden dabei einzeln von Klammern gehalten. Hintergrund: So kann die Farbe auf dem Weg ein wenig trocknen. In der Weiterverarbeitungshalle werden die Zeitungen auf riesige, sogenannte Multidisk-Wickel aufgewickelt. Warum werden sie nicht gleich weiterverarbeitet? „So entkoppeln wir Druck und Weiterverarbeitung voneinander. Kommt es beispielsweise im Druckturm zu einer Störung, etwa einem Papierreißer, kann die Weiterverarbeitung dennoch weitermachen“, erklärt Adrian Soballa. In langen Reihen stehen in der Halle die Mitarbeiterinnen an den Maschinen und befüllen sie mit Prospektstapeln, die dann automatisch in die Zeitungen gesteckt werden. Danach werden die Zeitungen passend zu den Touren der jeweiligen Zusteller zu Paketen verpackt und auf die Ladestraße befördert, wo die Transporter auch an diesem Testtag mit laufenden Motoren warten.
Auf der Rampe werden die Paletten noch einmal kontrolliert: Sind die richtigen Pakete auf der Palette? Haben die Pakete die richtige Menge an Zeitungen? Sind die richtigen Prospekte für diese Tour in der Zeitung? All das muss stimmen, wenn nach dem Test mit der Nullnummer am Abend des 31. Juli 2024 das erste richtige Hamburger Abendblatt in Braunschweig die Druckerei in Richtung Hamburg verlässt.
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