Hamburg. Jeder Dritte leidet im Laufe seines Lebens mindestens einmal unter Schwindel. Die Ursachen können vielfältig sein. Wann wird es chronisch?

Der Boden schwankt, es fühlt sich an, als drehe man sich auf einem sehr schnellen Karussell. Mindestens ein Drittel aller Menschen, so Studien, erleben mindestens einmal in ihrem Leben das Gefühl von Schwindel. „Es handelt sich dabei um ein Symptom, also um das Anzeichen einer Erkrankung, nicht etwa um eine Diagnose“, sagt Dr. Matthias Müller, Oberarzt für Neurologie an der Asklepios Klinik Nord-Heidberg. „Es sind ganz unterschiedliche Krankheitsbilder, die dazu führen, das Patienten fühlen, was wir als Schwindel bezeichnen.“

Oft liege die Ursache im Innenohr, wo das Gleichgewichtsorgan sitzt. „Es meldet uns, in welche Richtung wir uns bewegen oder wie wir uns drehen“, sagt der Neurologe. „Stimmt da etwas nicht mehr, erlebt der Betroffene das als Schwindel.“ Dieser gehe nicht selten dann auch mit Übelkeit, Erbrechen oder Kopfschmerz einher. Grundsätzlich sei die Frage nach Begleiterscheinungen wichtig, weil sie bei der Ursachenforschung helfe.

„Auch neurologische Erkrankungen können Schwindel auslösen. Da treten dann zusätzlich häufig Störungen der Feinmotorik auf und der Patient kann plötzlich nicht mehr richtig sehen“, so der Spezialist. Man unterscheide zwischen einem „Dauerschwindel“, der die Betroffenen tatsächlich täglich begleite, und immer wieder plötzlich auftretenden Schwindelattacken. Dauere das Schwindelgefühl länger als drei Monate an, spreche man von einem chronischen Verlauf.

Hält das Schwindelgefühl länger als drei Monate an, gilt es als chronisch

Patienten mit chronischem Schwindel können in Hamburg unter anderem in einer speziellen Tagesklinik in Nord-Heidberg behandelt werden. Zehn Plätze gibt es dort, die Patienten bleiben in der Regel eine Woche dort in Therapie, ehe sie nach Hause entlassen werden. Der Behandlungsbedarf sei noch deutlich höher, sagt der Oberarzt. „Schwindel ist eben doch ein sehr verbreitetes Phänomen.“

„Neben uns Ärzten sind auch Physiotherapeuten und Psychotherapeuten in die Therapie eingebunden.“ Binnen einer Woche bekämen die Patienten ein „Rüstzeug“, um den Alltag anschließend wieder allein bewältigen zu können. „Klar, man kann bei jedem Symptom immer Dr. Google fragen, aber man findet da nicht immer die richtigen Antworten. Insbesondere auch bei physiotherapeutischen Übungen kann man sehr viel falsch machen. Da ist es besser, man hat die Übungen einmal unter Anleitung erlernt“, sagt der Arzt, der aus einer Medizinier-Dynastie stammt, beide Elternteile und die Großväter waren Ärzte.

Erst vor Kurzem habe er mit seinem Team eine Dame behandelt, die zwölf Jahre lang unter Schwindel litt, von Arzt zu Arzt rannte, aber nie eine Diagnose erhielt. „Wir haben die Dame therapiert und am Ende der Woche sagte die Patientin, dass sie erstmals seit langer Zeit das Gefühl habe, halbwegs sicher in den Supermarkt gehen zu können – also ohne die Angst, dass der Schwindel kommt und man machtlos ist.“ Das sei eine jener „Erfolgsgeschichten“, die das Team jeden Tag aufs Neue motiviere. „Und es zeigt: Es gibt Hilfe und man muss den Schwindel nicht aushalten.“