Hamburg. Corona-Pandemie führte zu einem starken Anstieg. An den Staatsstreich-Plänen waren die Hamburger Reichsbürger wohl nicht beteiligt.
Knapp 350 Hamburger werden aktuell vom Verfassungsschutz der Reichsbürgerszene zugerechnet, von denen etwa zehn Prozent gleichzeitig in der rechtsextremen Szene zu verorten sind. Weitere zehn Prozent haben, wie der Verfassungsschutz in seinem Bericht schreibt, „einen erkennbaren Migrationshintergrund“. Insgesamt verzeichnet der Verfassungsschutz einen jahrelangen stetigen Anstieg. 2016 waren es 90 Personen, die in Hamburg dieser Szene zugerechnet wurden.
An den Staatsstreichplänen, die am Mittwoch bekannt geworden waren und zu Dutzenden Verhaftungen bundesweit geführt hatten, waren Hamburger Reichsbürger aber offenbar nicht beteiligt. Gleichwohl ist die Szene alles andere als harmlos.
Verfassungsschutz Hamburg: Pandemie führte zu Anstieg der Zahlen
Der Grund für den signifikanten Anstieg der Zahlen ist die Corona-Pandemie, die viele Personen, vor allem Impfgegner, in die Szene abdriften ließ. Ohnehin hatte das Thema die Szene beflügelt und wildeste Verschwörungstheorien keimen lassen. So wurde unter anderem behauptet, dass mit der Impfung ein Mikrochip in den Köper eingepflanzt werde. Auch die intensivere Befassung des Verfassungsschutzes mit der Szene hat dazu geführt, dass ihr nunmehr 350 Hamburger zugerechnet werden – das sogenannte Dunkelfeld wurde aufgehellt.
Den typischen Reichsbürger gibt es nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes nicht. Es ist eine Gemengelage aus heterogenen Ansichten. So sind es in Hamburg vor allem Einzelpersonen und weniger organisierte Gruppierungen, die bislang aufgefallen sind.
Einige wünschen sich das Deutsche Reich zurück
Die einen wünschen sich das Deutsche Reich zurück. Andere nehmen ein selbst definiertes vermeintliches "Naturrecht" in Anspruch. Einigkeit besteht aber darin, dass sie die Bundesrepublik Deutschland und damit auch das Rechtssystem und die gewählten Repräsentanten nicht anerkennen und in vielen Fälle auch beseitigen wollen.
Mal ist es auch Zufall, dass Reichsbürger als solche identifiziert werden. So wie vergangenes Jahr bei einem Notfalleinsatz in der Wohnung eines 65 Jahre alten Hamburgers, bei dem neben Waffen auch ein „Personalausweis des Reichsamtes des Inneren“ entdeckt wurde. Der Waffenfund gilt als typisch, da gerade Angehörige der Reichsbürgerszene dafür eine hohe Affinität hätten.
Verfassungsschutz Hamburg: Viele Reichsbürger agieren offen
Gern kommen auch Hinweise vom Finanzamt, wenn sich ein Steuerpflichtiger mit dem Hinweis, dass die Bundesrepublik nicht legitimiert sei, um Zahlungen drücken möchte. Aber auch aus Meldeämtern, so heißt es, kämen immer wieder Tipps, wenn es Anzeichen für einen Reichsbürger gibt. Andere der Reichsbürgerszene zugerechnete Personen agieren offen. So trafen sich am Bismarck-Denkmal Ende Oktober 2021 Mitglieder des „IX. Armeekorps Bezirks Altona“ von „Bismarcks Erben“, um dem „Vater“ der für sie „gültigen Verfassung“ zu huldigen.
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Vergangenes Jahr mussten sich Schulleiter mit Briefen rumschlagen, in denen Reichsbürger die Gesetze zur Eindämmung der Corona-Pandemie als illegal bezeichneten. Nicht alle Aktionen der Szene greifen. Der Versuch einer Gruppe, einen selbst organisierten Unterricht anhand von Schulbüchern aus dem Kaiserreich zu etablieren, scheiterte kläglich.