Hamburg. Igor Deines verfolgte mit zwei anderen Männern einen Räuber, der eine 80-Jährige überfallen hatte. Nun wurde der 27-Jährige geehrt.

Er ist kein Polterer, manchmal sogar ein leiser Mensch. So wie am Dienstag im Wirtschaftsgebäude der Bereitschaftspolizei. Dort bekam Igor Deines den Ian-Karan-Preis 2022 verliehen. Dessen Stifter Ian Karan ist ein erfolg­reicher Unternehmer und war bis 2011 Hamburger Wirtschaftssenator. Der Preis wird einmal im Jahr vom Polizeiverein an Menschen verliehen, die in Hamburg besondere Zivilcourage bewiesen haben. Dem 27 Jahre alten Mechatroniker ist es zu verdanken, dass eine alte Dame ihr geraubtes Geld zurückerhielt – und der skrupellose Täter gefasst werden konnte.

Während der Preisverleihung sagt Igor Deines mit Blick auf sein Eingreifen Anfang März in Wandsbek: „Ich war es nicht allein. Schade, dass nur ich hier bin.“ Nicht nur er, auch zwei andere Männer hatten damals einen 25-Jährigen verfolgt, der eine 80-Jährige beraubt hatte, um einen größeren, vierstelligen Geldbetrag zu erbeuten. Bei der Verfolgung riss der 27-Jährige den Räuber zu Boden und hielt ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest.

Polizei Hamburg: 27-Jähriger kann Räuber überwältigen

„Igor wollte mich abholen“, sagt seine Freundin Regina Stempel (29), die an der Universität Hamburg Musikwissenschaft studiert, über den Tag im März. Auf dem Weg zu ihr machte der 27-Jährige noch eine Pause am Wandsbeker Markt, bestellte sich dort einen Kaffee. Dann wurde er auf die 80-Jährige aufmerksam, die zunächst um Hilfe rief. „Sie war an der Kreuzung und weinte. Die Frau tat mir leid“, sagt Deines. „Ich bin zu ihr gelaufen, um zu sehen, was los ist. Erst dann habe ich den Täter weglaufen sehen“, sagt der 27-Jährige.

Er lief hinterher, holte den Mann ein. „Ich habe ihn gepackt“, sagt Deines. Beide Männer stürzten. Der 27-Jährige erlitt an den Händen blutige Schürfwunden. Dann versuchte der Räuber sich loszureißen, um doch noch zu entkommen. Doch gegen den gut eineinhalb Köpfe größeren Mechatroniker hatte er keine Chance. Schließlich gab der Täter auf und blieb bis zum Eintreffen der Peterwagen ruhig.

„Igor ist ein Mensch, der gern hilft“

Nachdem der Räuber in Handschellen abgeführt worden war, meldete sich Deines bei seiner Freundin. „Er rief mich an und sagte, dass er ein paar Stunden später komme. Er konnte auch nicht genau erklären, was passiert war, weil er selbst aufgeregt war“, sagt die 29-Jährige. „Ich fragte nur, was hast du angestellt?“ Denn Igor Deines hatte sie nicht nur angerufen, sondern auch Fotos von den Verletzungen an seinen Händen geschickt.

Der kurze Ärger ist längst verflogen. „Ich bin stolz auf ihn“, sagt seine Freundin. Nicht nur wegen des beherzten Eingreifens. „Igor ist ein Mensch, der gern hilft und sich dafür auch die Zeit nimmt“, sagt sie über ihn.

Der Täter wartete anscheinend gezielt auf ein wehrloses Opfer

Die Polizei rekonstruierte den Überfall. Täter Kasim M. hatte offenbar den Geldautomaten beobachtet und auf ein geeignetes Opfer gelauert. Auf jemanden, der möglichst wenig Gegenwehr leisten kann. Dann tauchte die 80 Jahre alte Dame auf. Nachdem sie das Geld aus dem Auto­maten abgehoben hatte, wurde sie von dem 25-Jährigen angegangen. Zuerst konnte sich die alte Dame erfolgreich wehren. Sie glaubte offenbar schon sicher zu sein, packte das Geld in eine Tasche, die sie auf den Gepäckträger ihres Fahr­rades schnallte. Als sie an einer roten Ampel stehen bleiben musste, sah der Räuber seine zweite Chance gekommen. Der Mann lief erneut zu der Frau und riss die Tasche samt Geld vom Gepäckträger, um dann mit der Beute zu flüchten.

Später stellte sich heraus, dass Kasim M. ein „Profi“ ist. Der Mann, der bereits wegen mehrerer Eigentumsdelikte im Gefängnis saß, hatte blitzschnell das Geld aus der geraubten Geldbörse genommen und die Scheine in seine Unterhose gestopft. So entledigen sich Täter von Beweisstücken, die eine einwandfreie Tatzuordnung zulassen. Das leere Portemonnaie wurde auf seinem Fluchtweg gefunden. Mittlerweile ist Kasim M. erneut zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

Polizei Hamburg: Ex-Polizeipräsident lobt "beherztes Eingreifen"

„Wir verleihen den Preis zum zehnten Mal“, sagt Ex-Polizeipräsident und amtierender Vorsitzender des Polizeivereins, Werner Jantosch. „Igor Deines hat hingeschaut, und er hat gehandelt.“ Dabei muss es nicht immer das beherzte und mutige Eingreifen sein, wie es der 27-Jährige zeigte. „Das Handeln kann ganz unterschiedlich sein“, sagt Werner Jantosch. „Es kommt auf den Einzelnen an. Man muss sehen, was geht und was nicht, was man sich zutraut und was nicht. Igor Deines hat sich entschlossen zuzugreifen und dafür­ gesorgt, dass ein Rechtsbrecher von der Polizei festgenommen werden konnte.“

Im Nachhinein ist dem 27-Jährigen sein Handeln auch nicht mehr ganz geheuer. „Später habe ich schon gedacht, dass es hätte richtig gefährlich werden können“, sagt der 27-Jährige. „Aber in dem Moment, in dem es passierte, habe ich nicht darüber nachgedacht. Ich wollte der Frau helfen.“