Lübeck (dpa/lno). Erstmals erwähnt ist der Lübecker Kreuzweg bereits im 15. Jahrhundert. An Aktualität hat er dennoch nicht verloren. Diesmal stand der russische Angriffskrieg in der Ukraine im Zentrum.

Hunderte Gläubige haben am Karfreitag beim ältesten deutschen Kreuzweg in Lübeck an das Leiden und Sterben von Jesus Christus erinnert. Unter dem Motto „Bedrohung. Mut. Friede“ zogen nach Angaben des Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeindeverbands Innenstadt Lübeck rund 700 Frauen und Männer mit einem Holzkreuz durch die Altstadt, wo sie an fünf Stationen jeweils eine neue Rednerin oder ein neuer Redner erwartete, unter anderem die ukrainische Generalkonsulin in Hamburg, Iryna Tybinka, und die Enkelin des Lübecker Märtyrers Karl Friedrich Stellbrink, Anke Laumayer. Im Zentrum des Kreuzwegs stand der russische Angriffskrieg in der Ukraine.

„Seit 408 Tagen ertragen wir das Kreuz des russischen Angriffskrieges“, sagte Tybinka. Jeden Tag gebe es Verlust, Zerstörung und Tod. Kinder verlören ihre Eltern. „Dieser Krieg ist eine Bedrohung für die ganze Welt.“ Schon einen Tag zu überleben bedeute eine übermenschliche Anstrengung. „Und doch werden wir jeden neuen Tag zählen und für jeden neuen Tag, den wir erleben, danken. Denn das, was uns Kraft gibt, sind: Liebe, Glaube und Hoffnung.“

„Vor 80 Jahren wurden die Lübecker Märtyrer hingerichtet“, sagte Erzbischof Stefan Heße laut Mitteilung. Ihr mutiger Einsatz für Würde und Gerechtigkeit habe sie das Leben gekostet. „Diesen Mut unter Einsatz ihrer Existenz, bringen auch in diesem Augenblick viele Menschen auf der ganzen Welt auf.“ Als Lübecker Märtyrer werden die katholischen Priester Johannes Prassek, Eduard Müller und Hermann Lange sowie der evangelische Pastor Karl Friedrich Stellbrink genannt. Sie wurden am 10. November 1943 in Hamburg hingerichtet, weil sie als Geistliche öffentlich die Nationalsozialisten kritisiert hatten. Die katholischen Geistlichen wurden am 2011 seliggesprochen.

Für Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck der Nordkirche, antwortet der Kreuzweg auf das unermessliche Leid, welches durch Kriege weltweit verursacht werde, mit der Botschaft des Zusammenhalts: „Wir senden das Zeichen, dass Tod und Gewalt nicht das letzte Wort haben.“ Wegschauen sei der falsche Weg. „Auch wenn wir keine Antwort auf die Gewalt haben, so können wir doch beten und Hilfe leisten.“ Gott wolle keine Toten und Verletzten. „Gott will Frieden.“

Der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Björn Engholm, der nach Angaben des Erzbistums nach 20 Jahren den Kreuzweg zum letzten Mal mitmachte, betonte: „Wir gehen den Weg an diesem Karfreitag im Bewusstsein, dass ein ganzes Volk in Europa täglich mit Gewalt, Leid und Tod bedroht wird.“ Dieses Leid dürfe nicht akzeptiert werden. „Krieg ist nicht die ultima ratio, sondern die ultima irratio.“

Der Lübecker Kreuzweg gilt als der älteste in Deutschland. Er ist mit 1650 Metern exakt so lang wie die „Via dolorosa“ in Jerusalem, auf der Jesus nach seiner Verurteilung bis zum Ort der Kreuzigung gegangen sein soll. Seinen Ursprung hat der Kreuzweg Historikern zufolge im 15. Jahrhundert. Der Kaufmann und Lübecker Ratsherr Hinrich Konstin habe in seinem Testament verfügt, dass mit seinem Vermögen nach seinem Tod 1482 ein Kreuzweg gebaut werden solle. Nach der Reformation sei der Lübecker Kreuzweg in Vergessenheit geraten. Erst seit 1994 werde er wieder jährlich gegangen, seit 2002 in ökumenischer Gemeinsamkeit.