Hamburg. Polizei findet Geld, Glücksspielautomaten und Waffen. Arrestbeschlüsse über fünf Millionen Euro. Täter sind weiter auf der Flucht.
Als Polizisten Ende Januar am frühen Morgen mehrere Wohnungen, zwei Werkstätten und eine Shisha-Bar von mutmaßlichen Hehlern stürmten, gegen die im Zusammenhang mit einem Diebstahl von Uhren im Wert von mehreren Millionen Euro ermittelt wurde, war es es wieder ein Millionen-Coup. Diesmal nur andersrum. Nach Informationen des Abendblattes vollstreckten die Beamten im Rahmen der Aktion sogenannte Arrestbeschlüsse in Höhe von mehr als fünf Millionen Euro.
Bedröppelt dreinblickend, in Handschellen auf einem Hocker sitzend: So wurde einer der Tatverdächtigen am Morgen des 31. Januar abgelichtet. Zuvor hatten Beamte der Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit (BFE) sein Haus gestürmt und dabei Rolläden aufgeflext und Scheiben zerschlagen, um schnell eindringen zu können.
Nach Millionencoup in Europa Passage: LKA beschlagnahmt Luxus-Uhren
Der Mann scheint geahnt zu haben: Die Party ist erstmal vorbei. Denn bei dem lange von der Staatsanwaltschaft und dem LKA vorbereiteten Schlag wurden mehr als 20.000 Euro Bargeld und ein Dutzend Luxus-Uhren unter anderem der Marken Rolex und Bulgari (allerdings nicht die gestohlenen) und andere Wertgegenstände beschlagnahmt. Die Konten der Beschuldigten bei mehreren Banken ließ die Staatsanwaltschaft zu Sicherung des darauf befindlichen Geldes „einfrieren“. Gleiches gilt für sieben Immobilien.
Mittlerweile geht es nicht nur um Hehlerei. Man hatte bei den Durchsuchungen in in den Stadtteilen Bergedorf, Billstedt, Hamm, Horn, Jenfeld, Lohbrügge, Rahlstedt, St. Georg und Tonndorf sowie in Norderstedt und Reinbek offenbar in ein „Wespennest“ gestochen.
Im Zuge der Durchsuchungen wurden scharfe Schusswaffen, Munition, aber auch Geldspielautomaten entdeckt und sichergestellt, die vermutlich für illegales Glücksspiel verwendet wurden. Die Kripo leitete gegen einige der gegen sechs Tatverdächtigen, einen Deutschen, einen Deutsch-Russen, zwei Deutsch-Iraner und zwei Deutsch-Afghanen im Alter von 27 bis 41 Jahre, weitere Ermittlungsverfahren ein. Alles sind, mangels Haftgründen, weiter auf freiem Fuß.
Polizei Hamburg leitet weitere Ermittlungsverfahren ein
Arrestbeschlüsse nach der Strafprozessordnung, wie bei der Aktion angewandt, sind zu einem Arbeitsfeld von Spezialisten bei der Staatsanwaltschaft und im LKA geworden. Bei den Arrestbeschlüssen geht es darum, Gewinne aus Straftaten abzuschöpfen. Das gilt als besonders nachhaltig. „So etwas tut den Tätern immer besonders weh“, so ein Beamter. „Oft ist es für sie schlimmer als eine drohende Haftstrafe.“ Es gibt kaum noch Strafverfahren, bei denen Beute gemacht wurde, bei denen dieses Mittel nicht zu Einsatz kommt.
Beantragt wird der Arrestbeschluss von der Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht. Dort wird der Beschluss von einem Richter angeordnet. In Einzelfällen, bei „Gefahr im Verzug“, kann auch die Staatsanwaltschaft Geld und Werte beschlagnahmen. Zwar ist eine Beschwerde gegen einen Arrestbeschluss möglich. Die kann aber nach hinten losgehen. Schließt sich die nächste Instanz dem Beschluss an, belastet das den Betroffenen zusätzlich. Dazu droht bei Wertgegenständen die „Notveräußerung“.
Beschlagnahmte Sachen können verkauft werden, wenn ein hoher Wertverlust droht, oder der Aufwand für die Instandhaltung zu hoch ist. Pech für den Betroffenen: Ihm steht, sollte der Arrest aufgehoben werden, nur das Geld zu, das bei einer Verwertung, meist durch eine Versteigerung, erzielt wurde. Auch im Fall einer drohenden „Notveräußerung“ kann der Betroffene dagegen bei Gericht eine Beschwerde einlegen.
Täter brachen in Lagerraum in Europa Passage ein
Das Geld, das aus solchen Arrestbeschlüssen generiert wird, fließt nicht automatisch in die Staatskasse. Es werden auch Opfer entschädigt. In dem Fall der Hehlerbande wäre das der Uhrenhersteller Audemars Piguet oder deren Versicherung.
Das Schweizer Unternehmen hatte vergangenen Herbst am Neuen Wall einen Pop-Up-Store gegründet, in dem die Luxus-Uhren verkauft wurden. Die Kundschaft war ausgesucht. Man kam nur mit Einladung in das Geschäft. Gelagert wurden Uhren für den Shop in der fußläufig gelegenen Europapassage. Dort hatte das Unternehmen einen Lagerraum angemietet.
Die Ermittler des LKA 19, hervorgegangen aus der Soko „Castle“, die die professionelle Einbruchskriminalität bekämpft, gehen davon aus, dass die Täter, die im Oktober vergangenen Jahres in den Lagerraum einbrachen, Insiderwissen hatten. Zu gezielt war die Tat gewesen.
Die Millionen-Diebe sind weiterhin auf der Flucht
Die Diebe erbeuteten damals mehr als 60 Uhren im Wert von rund 2,5 Millionen Euro, die bis heute verschwunden sind. Unbekannt sind bis heute auch die Täter, die den Coup im Oktober durchführten. Es wird weiter nach Hinweisen gesucht, die die Polizei auf die Spur der eigentlichen Täter bringt. Dabei könnten die Ermittlungen gegen die sechs mutmaßlichen Hehler die Beamten vom LKA 19 deutlich voranbringen.
Bekannt wurde bislang auch nicht, ob ein Überfall, der sich kurz vor dem Millionendiebstahl ereignete, im Zusammenhang mit dem Millionen-Coup steht. Einen Tag vor dem Einbruch in das Lager in der Europa Passage hatte es in der Straße Graskeller einen Überfall gegeben. Opfer war ein Kunde (34), der in dem Pop-Up-Store rund zwei Stunden vor der Tat eine der teueren Uhren erworben hatte. Zwei Männer hatten ihn überfallen und trotz Gegenwehr die Uhr erbeutet.