Hamburg. Hamburger Start-up Foondiert stellt Nahrungsergänzungsmittel her. Für wen sind solche Supplements überhaupt sinnvoll?

Ihre Hände sind fein, die Nägel unlackiert, Haare und Mantel trägt sie offen, darunter Jeans und einen schlichten hellblauen Pullover. Natalie Vladi verzichtet auf zu viele Accessoires, lässt lieber ihrem Start-up den Vortritt. Glänzt mit Fachwissen und verströmt mit den Verweisen auf Referenzmengen, Studienlagen und wissenschaftlichen Vereinigungen den Spirit einer Medizinerin, die überzeugt von ihrer Lieblingsoperationsmethode berichtet.

Und Vladi hat sich wahrlich kein einfaches Feld für die Gründung ihres Unternehmens Foondiert ausgesucht: eine Hamburger Firma, die Nahrungsergänzungsmittel herstellt. Auch Supplements genannt, heutzutage sprichwörtlich in aller Munde. Ob als Lutschtabletten, Gummibären oder Dragees, Pulver oder Sprays, der Markt ist voll von Versprechen für dichteres Haar, bessere Haut, tieferen Schlaf oder im Gegenzug weniger Müdigkeit. Jedoch, es sei einfach ihr Traum, sagt Vladi, schon vor zehn Jahren hätte sie gründen wollen.

Nahrungsergänzungsmittel: Wann Vitaminpillen sinnvoll sind

Doch dann kam der „Doctor of Pharmacy“ – Vladi ist Pharmazeutin und führt die Erweiterung des traditionellen Pharmaziestudiums um den Doktorgrad mit – die Karriere in leitenden Positionen bei zwei großen Pharmakonzernen dazwischen. Davor arbeitete sie viele Jahre lang nach ihrem Studium in Kanada und Deutschland in unter anderem Krankenhaus-Apotheken.

Doch braucht es wirklich noch weitere Kapseln und Pastillen, abgestimmt auf die Bedürfnisse von Kindern, Veganern, Schwangeren oder Alternden? Zieht die Art unserer Ernährung wahrlich so viele Nährstoff-Mängel, die ausgeglichen werden sollten, um Schlimmeres zu vermeiden, mit sich?

Vladi erklärt dazu deutlich: „Wenn man von Mangel spricht, dann verlassen wir den Bereich der Nahrungsergänzungsmittel. Das ist ein Thema, das unter ärztliche Aufsicht gehört, da dieser die Funktionalität und auch die Leistungsfähigkeit einschränkt.“ Auch, wenn es einfach wahrnehmbare Symptome gebe: depressive Verstimmungen bei Vitamin D-Mangel, Reizbarkeit oder Konzentrationsschwäche bei fehlendem B9, Kopfschmerz ausgelöst durch Eisenmangel.

Bei ihren Foondiert-Kapseln und Sprays gehe es darum, „Lücken“ zu schließen, wie Vladi betont. Nährstofflücken, keine Mangelerscheinungen, das ist ihr wichtig zu betonen. Ein gutes Beispiel dafür seien Kinder, deren Ernährung oftmals mangelhaft sei.

Für wen sind Ergänzungsmittel überhaupt sinnvoll?

Vladi zitiert die EsKiMo-Studie des Robert-Koch-Instituts, eine deutschlandweite repräsentativen Studie zur Ernährung von Kindern und Jugendlichen. „Dafür wurden das Essverhalten und die konsumierten Lebensmittel angeschaut, also von Brot bis zu Fisch und Fleisch und Milchprodukten. Aber dann auch der Verzehr von Obst und Gemüse. Bei der Auswertung der Nährstoffversorgung, also welche Vitamine und Mineralstoffe nehme ich auf, da muss ich wirklich sagen, sind die Ergebnisse überraschend schockierend“, sagt Vladi. Warum?

„Also die Empfehlung, das ist die optimierte Mischkost, wird von einer deutlichen Mehrheit der Kinder nicht erreicht: Über 60 Prozent der Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren verzehren weniger als die Hälfte der empfohlenen Menge an Obst. Bei Gemüse ist es noch schlimmer, lediglich ein Prozent der Mädchen und zwei Prozent der Jungs im Alter von sechs bis elf erreichen die Empfehlung für Gemüse.“

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Deshalb plädiert sie auch als Mutter zweier kleiner Jungen dafür, den Kindern die Nährstoffe nicht nur durch Ernährung, sondern auch durch Nahrungsergänzungsmittel zukommen zu lassen. „Auch ich schaffe es nicht perfekt, und ich bin wirklich bedacht, was die Ernährung betrifft. Es gibt Wochen, da denke ich, ich bin Mutter des Jahres, ich habe es echt geknackt und Obst und Gemüse und Abwechslung, alles rein und alles drin. Und dann gibt es halt auch diese Zeiten, wo Nudeln, Laugenstangen und Kartoffeln vielleicht ein bisschen zu viel waren.“

Sollten Kinder Nahrungsergänzungsmittel nehmen?

Dennoch, ist Dr. Charlotte Schulz, niedergelassene Kinderärztin und Pressesprecherin des Landesverbandes des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte e. V. der Meinung, dass im Regelfall die reine Ernährung ausreiche. „Fast jedes Kind isst, unserer Erfahrung nach, irgendein Obst und irgendein Gemüse und auch Vollkornprodukte, sodass das eigentlich ausreichend ist. Ganz selten gibt es Kinder, die sich wirklich extrem ernähren und beispielsweise ausschließlich Nudeln, Toast und Schokolade essen. Dann kann man schon versuchen, die wichtigsten Vitaminkomplexe und Spurenelemente als Nahrungsergänzungsmittel zu geben. Aber das ist die absolute Ausnahme.“

Wirkliche Mängel gebe es sehr selten, „ernährungsbedingt kommt am häufigsten ein Eisenmangel vor, bei vegan ernährten Kindern und Jugendlichen ein Vitamin B12-Mangel und bei Jugendlichen, die wenig Lichtexposition haben, ein Vitamin D-Mangel.“ Erst dann und in Rücksprache mit dem Arzt rate sie zu Unterstützung.

Wer schließlich zu Vladis Produkten greift, dem verspricht die Gründerin persönlich höchste Qualität, die auf ihrem Fachwissen basiert. „Die Inhaltsstoffe kommen ausschließlich in ihrer bioverfügbaren Form zum Einsatz, es ist eine standardisierte Mengenangabe gewährleistet, ohne Gentechnik und in Norddeutschland in pharmazeutischer Qualität hergestellt, so erklärt es Vladi. Steht dafür mit ihrem Namen ein – was nicht nötig und auch meist nicht praktiziert wird.

Die Pillen sind offiziell Nahrung, keineswegs Medizin

Was schlicht den wenigsten bekannt sein dürfte, ist, dass Nahrungsergänzungsmittel in Deutschland nicht als Medizinprodukte, sondern als Lebensmittel klassifiziert werden und somit jeder ein solches Produkt auf den Markt, ins Netz bringen kann. Ein Problem?

„Ich möchte nicht irgendjemanden unterstellen, dass die Herstellung eines vielleicht suboptimal formulierten Nahrungsergänzungsmittels mit irgendwelchen bösen Absichten geschehen ist. Aber es ist schon die Frage, ob die Person, die diese Nahrungsergänzungsmittel formuliert auch das Wissen und das Know-how hat“, gibt Vladi zu bedenken.

„Schauen Sie bei einem beliebigen Supplement einmal online ins Impressum. Da stehen ja die Namen, die verantwortlich sind für die Firma, und machen Sie dann kleine Internetrecherche: Da sehen Sie, okay, parallel werden da LED-Glühbirnen und Batterien verkauft.“