Hamburg. Kapitän Michael Giss, Kommandeur des Landeskommandos Hamburg, ist seit rund 100 Tagen im Amt. Ein Porträt.
Weitläufig erstreckt sich das Gelände von der Osdorfer Landstraße nach Süden. Wer vorne an der Reichspräsident-Ebert-Kaserne vorbeikommt, kann die ungeheure Ausdehnung kaum ermessen. Ein paar Fahrminuten entfernt vom Haupteingang residiert der Kommandeur des Landeskommandos. Aktuell ist es Kapitän zur See Michael Giss, der das Amt seit rund 100 Tagen innehat.
Im Amtsdeutsch ist ein Landeskommando „die zentrale Kommandobehörde der territorialen Wehrorganisation der Bundeswehr in jedem Bundesland“. Umgangssprachlich könnte man es auch als Mädchen für alles bezeichnen, was mit den jeweiligen Bundeswehreinheiten vor Ort zu tun hat.
Hier laufen alle Fäden zusammen
Im Landeskommando laufen alle Fäden zusammen, viele werden hier auch erst mal entwirrt. Anfragen müssen abgearbeitet, Zuständigkeiten geklärt, Lösungen gefunden werden. Der 54-jährige Giss ist damit faktisch einer der wichtigsten Funktionsträger im hiesigen Bundeswehrbetrieb, und was den direkten Kontakt mit den administrativen Bereichen der Stadt betrifft, sogar der wichtigste.
Bei einem Kaffee in seinem erwartungsgemäß sehr ordentlichen Arbeitszimmer erläutert Giss seine Aufgaben und Vorstellungen. Er ist ein nüchtern-freundlicher Typ, jemand, der gut zuhört und sein Gegenüber nicht mit forschen Antworten abspeist. Er spricht langsam und eher leise als laut, wirkt entschlossen, aber auch nachdenklich. Die Zeiten von Kommissköpfen, das machen Gespräche mit Soldaten wie Giss deutlich, sind lange vorbei.
„Alles hat Stil in Hamburg“
Geboren wurde Giss in Freiburg. Seine Bilderbuchkarriere führte ihn von der „Gorch Fock“ bis nach Paris und Brüssel. Er kommandierte die Fregatte „Emden“, war in Wilhelmshaven, Berlin und Bonn im Einsatz. Nun also Hamburg, für das er schon als Jugendlicher eine starke Affinität hatte. Die Aufnahme in der Stadt sei „unisono klasse“ gewesen, berichtet der Kommandeur. Er sei überall auf großes Interesse und hohe Sachkenntnis gestoßen. „Diese Mischung aus Weltläufigkeit und Zurückhaltung gefällt mir außerordentlich“, schwärmt der Vater von drei Kindern, von denen ein Sohn noch zu Hause in Sülldorf wohnt. „Alles hat Stil, nichts wirkt aufgesetzt. Ich finde Hamburg ,cool‘ im besten Sinne des Wortes.“
Die Bedeutung des Landeskommandos ist nicht zu unterschätzen – deutlich mehr Hamburger sollten sich dessen bewusst sein. Es ist erster Ansprechpartner für Bürgerschaft und Senat, wenn es um mögliche Unterstützung im Rahmen von Amts- und Katastrophenhilfe geht. Das war schon bei der Sturmflut 1962 für alle sichtbar und hat sich seitdem nicht geändert. Flüchtlingshilfe, G-20-Gipfel, OSZE-Konferenz – immer bestand der Draht zwischen Landesregierung und Landekommando. Weitere wichtige Aufgaben sind die umfassende Betreuung einlaufender Marineschiffe aus dem In- Und Ausland und die Mitgestaltung des Hafengeburtstags. Auch die Bundeswehrfachschule Hamburg ist dem Landeskommando unterstellt – mit 500 Schülern die größte ihrer Art in ganz Deutschland.
Leidenschaftlicher Fan alter Motorräder
Giss, verheiratet mit einer Juristin, trägt damit Verantwortung für ein breit aufgestelltes System. Aus- und Weiterbildung, der laufende Betrieb und – nicht zu unterschätzen – das ständige Repräsentieren gehören dazu. Stichwort Sport. Die Bundeswehr gehört zu den größten Förderern des Hochleistungssports in ganz Deutschland. Die Sportfördergruppe Hamburg, eine von bundesweit 15 ihrer Art, ist beim Landeskommando angedockt.
Die hiesige Sportfördergruppe besteht aus 90 Sportsoldaten, die unter anderem Beachvolleyball, Hockey, Rudern und Wasserball abdecken. Dass Sportler wie die Beachvolleyballerin Kira Walkenhorst und der Ruderer Torben Johannesen aus dieser Sportfördergruppe stammen, ist in der Öffentlichkeit längst nicht allen bekannt. Er selbst ist übrigens leidenschaftlicher Fan alter Motorräder, von denen zwei im Einsatz sind. Die Helme liegen neben seinem Besuchersofa auf dem Boden. Auch rudern will er jetzt mehr, schließlich biete Hamburg dafür die optimalen Voraussetzungen – wenn auch nicht gerade auf der nahe gelegenen Elbe.
Landeskommando stärker in Stadt verankern
Kommandeur Michael Giss ist, alles in allem, insgesamt für so viele Menschen zuständig wie ein mittelständischer Unternehmer, und mit dem gesellschaftspolitischen Getriebe ist er so eng verzahnt wie ein Politfunktionär (der er aber nicht ist und auch nicht sein möchte). Trotzdem ist nicht vielen Hamburgern sein Name bekannt, und auf der Straße erkennen würden ihn wohl auch nur die wenigsten. Aber Giss geht es nicht um Prominenz, sondern um die Sache.
Das Wichtigste sei, dass die städtischen Stellen die vielfältige Kompetenzen des Landeskommandos so gut wie möglich nutzen könnten. Er will seine Dienststelle noch stärker im öffentlichen Bewusstsein verankern, noch stärker zum „Player“ machen, wie er sagt.
Giss geht davon aus, drei bis vier Jahre auf dem Posten zu bleiben, den er allerdings nicht als Endstation sieht. Das ist auch ziemlich ausgeschlossen – nicht nur wegen seines relativ niedrigen Lebensalters. Vielmehr empfehlen sich Männer mit seinen Fähigkeiten und Qualifikationen quasi automatisch auch für andere Posten. Doch zunächst ist der Kapitän, Segler und Ruderer erst mal in Hamburg eingelaufen. Und wie lange er hier vor Anker bleibt, wird sich zeigen.