Hamburg. Laut Kriminalstatistik sinkt in Hamburg zwar die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden. Doch die Gewalt ist ein Problem.
Es ist ein Novum. Nicht das Vorjahr, sondern 2019 spielte als Vergleichsjahr bei der Bekanntgabe der Kriminalitätszahlen 2022 für Hamburg die große Rolle. Das ist nicht nur schöner, weil laut Innensenator Andy Grote (SPD) die Kriminalität im vergangenen Jahr sich mit 211.239 Taten „ziemlich genau auf dem Niveau von 2019“ bewegt, Es ist auch tatsächlich seriöser. 2020 und 2021 waren Pandemiejahre, Jahre, in denen die Kriminalität in vielen Bereichen erwartungsgemäß einbrach.
Was zunächst wie eine gute Entwicklung wirkt, hat seine Schattenseiten. Die Gewalt ist ein Problem, unter anderem auch an den Hamburger Schulen.
Schule Hamburg: Mehr Gewalt auf den Schulhöfen
7583 allgemeine Gewalt-Fälle wurden vergangenes Jahr insgesamt der Polizei bekannt. Das sind 397 mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Betroffen davon ist vor allem die Innenstadt. Allein hier stieg die Zahl der Taten laut LKA-Chef Jan Hieber im Vergleich zu 2019 um alarmierende 25 Prozent.
„Immer wieder“, so Hieber, seien Randständige und Angehörige der Drogenszene auffällig. Dabei wies die Polizei darauf hin, dass verstärkte Präsenz zu einer erhöhten Bereitschaft zur Anzeige führe, wenn der Beamte vor Ort ist und man nicht zur Wache müsse.
Polizei Hamburg: Harte Drogen wieder auf dem Vormarsch
Die Polizei sieht dabei, dass die „harten Drogen“, wieder auf dem Vormarsch sind. So wurden rund 1000 Fälle mehr als 2019 festgestellt, bei denen Konsumenten Crack, Heroin oder Kokain dabeihatten. Die höchste Steigerung gab es beim Crack mit 35,9 Prozent und beim Heroin mit 25,6 Prozent. Auch 174 Fälle mehr gab es bei den Fällen, bei denen ein Konsument Kokain mit sich führte.
Schwerpunkt ist hier St. Georg. Mitverantwortlich für den Anstieg macht LKA-Chef Hieber die verstärkte Kontrolltätigkeit am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB), der gegenüber der Drogeneinrichtung Drob Inn liegt, deren Vorplatz und Umgebung ein Treffpunkt der harten Drogenszene ist. Dabei ist die Entwicklung keine „Einjahresfliege“. „Der Anteil harter Drogen an Drogendelikten stieg seit 2013 mit Ausnahme der beiden CoronaJahre kontinuierlich“, so Hieber.
Polizei Hamburg: Drogenkriminalität spielt große Rolle
Die Entwicklung zeigt auch, dass in Hamburg herausragende Kriminalitätsprobleme wieder einmal eng mit Drogenkriminalität im Zusammenhang stehen dürften. Das zog sich bis Anfang der 1990er-Jahre durch die Kriminalitätsstatistik für Hamburg, als damals angesichts einer riesigen Heroinszene die Beschaffungskriminalität ausuferte. Damals gab es die für heutige Verhältnisse unfassbare Zahl von 65.217 Delikten „rund ums Kfz“, hinter denen sich hauptsächlich Autoaufbrüche verbargen, die begangen wurden, um Autoradios zu stehlen, die bei Hehlern im Tausch gegen Heroin versetzt wurden. Ebenfalls mit der Entwicklung der Drogenszene dürfte die Entwicklung der Raubkriminalität stehen. Die Zahl der Taten war im Vergleich zu 2019 vier Prozent niedriger. Aber die Hälfte der Taten findet mittlerweile im öffentlichen Raum statt. Auch hier ist St. Georg Brennpunkt.
Aktuell tröstet sich die Polizei mit Erfolgen im Zusammenhang mit den sogenannten Encrochat-Verfahren. Sie wurden aufgrund von Erkenntnissen französischer Sicherheitsbehörden eingeleitet, die einen verschlüsselten Messengerdienst geknackt hatten, der als „Verbrecher-WhatsApp“ galt. Die Erkenntnisse führten laut Hieber bislang zu Verfahren gegen 606 Beschuldigte, die in der Regel als hochkarätige Dealer gelten. Es ergingen 303 Haftbefehle, von denen bislang 59 vollstreckt werden konnten. Das hat nach Einschätzung von Hieber zu einer deutlichen Verunsicherung der Szene geführt.
Schule Hamburg: Gefährliche Körperverletzung nimmt zu
Eine weitere besorgniserregende Steigerung bei den gefährlichen und schweren Körperverletzungen gibt es an einem anderen Ort. Laut LKA-Chef Hieber stieg die Zahl solcher Taten auf dem Gelände von öffentlichen Schulen im Vergleich zu 2019 um 37 Prozent an.
Weitere interessante Entwicklungen: Die Zahl der Wohnungseinbrüche liegt mit 2506 Taten deutlich unter der Zahl von 4313 Taten 2019. Polizeipräsident Ralf Martin Meyer zeigte sich erfreut, da er mit einer höheren Zahl gerechnet hatte und zudem 51 Prozent der Taten im Versuchsstadium stecken geblieben sind.
Die Zahl der Fahrraddiebstähle (14.735) liegt deutlich über der vergangener Jahre. Nur von 2013 bis 2016 gab es mehr Fälle. Die Polizei rechnet auch in Zukunft mit einem hohen Niveau.
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Polizei Hamburg: Immer mehr Tankbetrug
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Bei den Tötungsdelikten ist man auf einem historischen Tiefststand seit Beginn der Statistik 1971. Es gab 2022 insgesamt 35 Fälle, davon 24 Versuche. Eine letzte gute Nachricht: Die Häufigkeitszahl, die angibt, wie wahrscheinlich es ist, Opfer einer Straftat zu werden, ist mit 11.394 so tief wie seit Jahren nicht.