Hamburg. Elke Badde wurde im Prozess um Konzertkarten zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. “Großer Freund der Musikgruppe“ ist sie nicht.

Im Plenarsaal des Strafjustizgebäudes tagen gewöhnlich die Strafkammern des Landgerichts in großer Besetzung. Messingfarbene Lüster hängen von der stuckverzierten Decke, Pilaster säumen den Saal. Am Richterpult, wo bis zu acht Richter Platz finden, sitzt am Mittwoch aber nur ein einzelner Amtsrichter – das enorme öffentliche Interesse an diesem Prozess macht es möglich. Auch die angeklagte Ex-Staatsrätin Elke Badde (SPD), ohnehin von zierlicher Statur, wirkt neben ihrem Verteidiger Otmar Kury fast ein wenig verloren.

Strafrechtlich mögen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen Elke Badde als gering einzustufen sein – doch die bisherigen Folgen des Verfahrens waren für sie immens. So versetzte der Senat die 59-Jährige im Oktober 2018 in den Einstweiligen Ruhestand, kurz nachdem die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Vorteilsannahme und Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat erhoben hatte. Allerdings fiel Badde weich: Sie erhält weiterhin 71,75 Prozent ihrer früheren Bezüge, exakt 5845 Euro netto.

Juristische Aufarbeitung der Stones-Karten-Affäre

 Ausgangspunkt für das Verfahren ist die Affäre rund um die Kartenvergabe für das Rolling-Stones-Konzert im Stadtpark am 9. September 2017. Über Harald Rösler (SPD), damals noch Leiter des für die Genehmigung des Konzertes zuständigen Bezirksamts Nord, soll Badde laut Anklage zwei Tribünenkarten im Wert von 357,50 Euro bestellt haben. Die Tickets gehörten zu einem Kontingent von 100 Frei- und 300 sogenannten Vorzugskarten, die Rösler dem Konzertveranstalter FKP Skorpio als Gegenleistung für die Genehmigung des Stones-Auftritts abgetrotzt und nach eigenem Gutdünken „guten Freunden des Hauses“ angeboten haben soll. Die Ermittlungen gegen ihn laufen nun seit zwei Jahren.

Stones-Freikarten-Affäre: Die ehemalige Staatsrätin Elke Badde steht am Mittwoch vor Gericht (Archivbild).
Stones-Freikarten-Affäre: Die ehemalige Staatsrätin Elke Badde steht am Mittwoch vor Gericht (Archivbild). © picture alliance / eventpress/mp | Unbekannt

Als Staatsrätin der Finanzbehörde war Badde Röslers disziplinarrechtliche Vorgesetzte. Im April oder Mai 2017 habe Rösler sie in ihrem Dienstzimmer wissen lassen, dass man über ihn Karten für das Konzert zu den „üblichen Preisen und Bedingungen“ erwerben könne. „Mir stellte sich Herr Röslers Hinweis als bloße Freundlichkeit vor, die nach meiner Überzeugung mit keiner irgendwie gearteten Besserstellung verbunden war“, sagt Badde.

Badde meldete sich bei Rösler per SMS

Weil sie „kein großer Freund der Musikgruppe“ sei, habe sie mit ihrer Zusage gezögert. Erst am 19. Mai habe sie sich an das Gespräch erinnert und sich bei Rösler per SMS gemeldet: Wenn es noch ginge, wolle sie zwei Tribünenkarten für sich und ihren Mann bestellen, ihre Freunde seien „bereits versorgt“. Bemerkenswerterweise hatte sich kurz zuvor eine von Rösler mit einem „Sprechzettel“ instruierte Vorzimmerdame in Baddes Büro gemeldet.

Nach und nach sollte sie sich bei den auf einer Liste eingetragenen „guten Freunden“ erkundigen, ob noch Interesse am Erwerb der Karten bestehe. Die Frist dafür laufe am 18. Mai ab, jeder Interessent könne bis zu vier Karten bestellen. Diese Nachricht, sagt Badde am Mittwoch, habe sie aber gar nicht erreicht – das wiederum kauft ihr das Amtsgericht nicht ab.

Vorteil bestand in "garantiertem Zugriff" auf die Karten

Tatsächlich hatte sie das Konzert nicht besucht, die Karten seien ihr nicht zugestellt worden, so Badde. Mangels echten Interesses an den Stones sei sie deren Verbleib auch nicht nachgegangen. Ob sie die Stones live gesehen habe oder nicht, darauf komme es letztlich auch nicht an, sagt Amtsrichter Lukas Romeike. Für sie habe der Vorteil schon darin bestanden, dass sie – im Gegensatz zu anderen Besuchern – einen garantierten Zugriff auf die Tickets hatte.

Auch hätte sie erkennen müssen, dass Röslers Amt bevorzugten Zugang zu den Karten hatte und diese auch anderen Amtsträgern anbot. „Da hätten Sie einschreiten müssen. Das haben Sie nicht getan“, sagt der Richter. Von den Mauscheleien rund um das Konzert – hierzu zählt neben den Frei- und Vorzugskarten auch die Überlassung der Veranstaltungsfläche für nur 200.000 Euro – habe sie aber offenbar keine Kenntnis gehabt. Somit habe sie nicht von einer Bestechlichkeit ihres Untergebenen ausgehen müssen.

Einen Vorteil habe sich seine Mandatin durch die Bestellung der Karten über Rösler nicht verschafft, sagt Verteidiger Otmar Kury. Dass Rösler ihr Kaufinteresse an den Veranstalter habe weiterleiten wollen, habe sie als „Freundlichkeit“ empfunden. Im Übrigen habe Badde keineswegs von einem angeblich privilegierten Zugriff auf die Karten profitiert, schon allein, weil das Konzert gar nicht ausverkauft war – so seien von Juni bis September fast 3000 weitere Karten in den regulären Handel gelangt. Versagt habe indes die Staatsanwaltschaft, indem sie Vorwürfe und „blutleere Verdachtshülsen“ konstruiert habe.

Badde unterzeichnete Schreiben von Rösler

Nicht als Straftat, aber als strafschärfend wertet das Gericht Baddes Verhalten nach der Tat. Am 20. September habe Rösler sie in ihrem Dienstzimmer aufgesucht und ihr ein auf den 24. August rückdatiertes Schreiben vorgelegt, um sich die Annahme von Karten für das Konzert, die Teilnahme an einem vorherigen Empfang sowie die Vergabe von vier Freikarten rückwirkend genehmigen zu lassen. „Am 20. September wusste ich immer noch nichts von den Machenschaften von Herrn Rösler im Bezirksamt Nord“, sagt Badde. Sie habe das Dokument abgezeichnet – ein Fehler, den sie bedauere. Sie habe deshalb bereits im August 2018 ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragt.

Am Ende verhängt Romeike eine Geldstrafe, 120 Tagessätze á 170 Euro, also 20.400 Euro. Nach dem Urteil eilt die zierliche Ex-Staatsrätin aus dem großen Saal, wortlos vorbei an den Kameraleuten. Ein Verlust ihrer Ruhebezüge, die Beamten erst ab einer Verurteilung zu mindestens einem Jahr Haft droht, bleibt ihr erspart, eine Fortsetzung wohl nicht: Ihr Verteidiger hat bereits Rechtsmittel gegen das Urteil angekündigt.

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In der Affäre hat die Staatsanwaltschaft insgesamt acht Anklagen erhoben. Darüber hinaus wurden Strafbefehle gegen vier Beschuldigte beantragt. Einer sei bereits rechtskräftig, hieß es vor Kurzem in der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bürgerschaftsfraktion. Wenige Wochen nach dem Rock-Konzert am 9. September 2017 waren die Ermittlungen wegen Bestechung, Bestechlichkeit und Vorteilsannahme ins Rollen gekommen.