Hamburg. Podcast „Digitale Sprechstunde“: Chirurgie-Chefarzt über Eingriffe bei Adipositas. Ernährungsumstellung ist Pflicht.
Es handelt sich um ein „zunehmendes“ Phänomen: Schon jetzt gilt fast jeder Zweite als zu dick. „Wobei wir unterscheiden müssen zwischen jenen, die zwei bis drei Kilos zu viel haben, und jenen, die als krankhaft übergewichtig gelten“, sagt Dr. Thomas Mansfeld. Ab einem Body-Mass-Index (Gewicht in Relation zur Körpergröße) von 30 spreche man von Übergewicht, so der Chefarzt der Abteilung für Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie am Asklepios Westklinikum Hamburg. Rund 1200 Patienten suchen jedes Jahr am dortigen Adipositas-Zentrum Hilfe. Tendenz steigend. „Unser Lebenswandel spielt eine große Rolle: zu wenig Bewegung, zu viel Kalorienaufnahme.“ Allerdings sei das Bewusstsein, dass es sich um eine chronische Erkrankung handle, oft nicht sehr ausgeprägt: „Leider gibt es auch ärztliche Kollegen, die sagen: Machen Sie mal ein bisschen Sport, essen Sie die Hälfte, und dann wird das schon wieder.“ Ein Irrglaube, denn es sei „extrem schwierig“ alleine zehn bis 15 Kilo abzunehmen. „Ich möchte niemanden entmutigen, aber dass es jemandem mit einem BMI von über 40 gelingt, deutlich an Gewicht zu verlieren und dann auch nicht wieder zuzunehmen, ist fast unmöglich.“
Doch sei eine konservative Therapie der erste Ansatz, im Adipositas-Zentrum setze man auf Ernährungsumstellung, Bewegung (mindestens 2,5 Stunden Sport pro Woche) und psychologische Beratung. „Denn natürlich ist das auch Kopfsache“, so der Mediziner. „Manche essen gegen Stress an, andere aus Langeweile.“ Wenn nun dies alles nicht den gewünschten Erfolg bringe, komme womöglich als nächster Baustein die Chirurgie ins Spiel. „Man muss dazusagen, dass nur selten ein Patient an reinem Übergewicht stirbt. Lebensgefährlich sind die Folgeerkrankungen: Herzinfarkt, Schlaganfall, Fettleber, Diabetes.“
Wenn eine Diät nicht mehr hilft: Mittlerweile gibt es zwei Verfahren
Wird also ein Magenband eingesetzt? „Nein, das Verfahren ist zwar in der Bevölkerung noch sehr bekannt, wird aber nicht mehr verwendet. Die Zahl der Komplikationen war vergleichsweise hoch und die langfristigen Ergebnisse nicht zufriedenstellend.“
Mittlerweile gebe es zwei effektive Verfahren: der sogenannte Schlauchmagen, mit dem das Magenvolumen etwa auf die Größe einer Banane verkleinert wird, und der Magenbypass, bei dem ein großer Teil des Magens und des Dünndarms umgangen und damit ausgeschaltet werden. Beide Verfahren seien extrem standardisiert, dauerten jeweils knapp eine Stunde, bei beiden komme die Schlüssellochtechnik (kleine Schnitte) zum Einsatz. Welches Verfahren für welchen Patienten besser geeignet sei, müsse individuell entschieden werden, so Dr. Mansfeld: „Beide sind aber nachhaltig erfolgreich und in der Regel sehr gut verträglich.“ Allerdings entbinde der Eingriff die Patienten nicht von einer Eigenverantwortung: „Der Lebensstil muss sich ändern, die Ernährung sollte angepasst und Bewegung in den Alltag integriert werden.“ Dies gelinge den meisten Patienten so gut, dass er als behandelnder Arzt sie manchmal nach einigen Monaten gar nicht mehr wiedererkenne: „Neulich grüßt mich im Klinikfoyer eine Dame. Ich habe die Patientin wirklich erst auf den zweiten Blick erkannt. Sie hatte mehr als 60 Kilo abgenommen und erzählte fröhlich, dass sie endlich wieder mit ihren Enkelkindern toben könne.“