Hamburg. Tiere nisten zwischen Gehwegplatten und in der Erde. Besorgte Eltern beobachten Tiere auch auf Spielplätzen, zum Beispiel an der Meenkwiese.
Eilig zieht ein Vater sein Kind an der Hand weg, warnt eine weitere Mutter. Wovor? Er hatte fliegende Insekten entdeckt, die aus der Erde herausgeschossen kamen, bodennah und emsig durch die Luft schwirrten und ab und an in der Erde, in kleinen kraterähnlichen Löchern verschwanden. Nicht jedoch am Feldrand oder in Waldesnähe, sondern direkt auf dem Meenkwiesen-Spielplatz in Winterhude.
Auch im Schwimmbad Bondenwald, am Beckenrand, im Sand zwischen den schweren Waschbetonplatten, die das Freiluftschwimmbecken umsäumen, haben aktuell viele Insekten ihre Löcher gegraben und fliegen ein und aus. Sind es Wespen? Erdbienen? Und die drängendste Frage: Sind sie gefährlich, zumal Kinder und Erwachsene hier natürlich barfuß entlanglaufen? „Das sind Solitärwespen“, sagt Insektenfachberater Ralf Ehlers, „mit diesen Tieren kann man sich wirklich gut verstehen. Sie tun nichts.“
Der Stich ist mit einem Mückenstich vergleichbar
Denn sie sind Einzelgänger, kommen an diesen öffentlichen Orten – gern zwischen Gehwegplatten oder auf Sportplätzen – eigentlich eher zufällig zusammen. Bei solitären Bienen beziehungsweise Wespen gibt es keine hilfreichen Arbeiterinnen, sondern nur Männchen und Weibchen, von denen nur die Weibchen Nestbau und Brutpflege betreiben. „Wären es Erdwespen- oder Erdbienen-Völker, würden dort bis zu 15.000 Tiere leben, die durch Erschütterung des Bodens dann auch aggressiv werden könnten.“
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Die harmlose Solitärwespe habe zwar auch einen Stachel, doch der durchdringe kaum Menschenhaut, wenn doch, dann sei der Schmerz mit einem Mückenstich vergleichbar. „Wichtig ist auch noch zu sagen, dass man gar nichts gegen die Soltärwespen oder Solitärbienen machen kann und sollte“, rät Ehlers, „denn sie buddeln einfach ihr Loch, schmeißen Ei und Beute rein und sterben dann.“ Ist dieser Lebenszyklus vorbei, verschwinden auch die Bewohner. Das dauere um die sechs Wochen.
Bienen stechen nur in Notsituationen
„Durch die Verdichtung haben es diese Tiere immer schwerer, bewährte Nistplätze zu finden. Im lockeren Kies oder Sand können sie sich eben gut ihre Löchlein graben“, erklärt Ehlers.
Auch die Umweltbehörde will besänftigen und über die Solitärbienen aufklären, sperrte das Gebiet auf dem Spielplatz deshalb mit Flatterband für einige Wochen ab und stellte Hinweisschilder auf. „Die Schilder sollen darauf hinweisen, dass dort im Boden Wildbienen leben, bzw. sich dort ihre Larven entwickeln“, sagt Sprecher Björn Marzahn. „Diese Bienen stechen nur in Notsituationen, also wenn man sie beim Graben stört. Die Stiche sind nicht so schlimm wie die Stiche der Honigbiene.“
Forderung nach mehr Akzeptanz der Tiere
Ebenso wie der Insektenfachberater Ehlers plädiert er für mehr Akzeptanz der Tiere. „Sie leisten einen erheblichen Anteil an der Bestäubung unserer Bäume, Sträucher und Blumen. Ohne sie wäre die Welt – und unsere Stadt – sehr viel ärmer.“ Ehlers, der in Hamburg und Schleswig-Holstein zur Stelle ist, wenn panische Bürger anrufen, die ein Nest entdeckt haben, hat sich die Umsiedlung zur Aufgabe gemacht: „Große Nester aus Dachstühlen oder auch Erdnester siedeln wir um, wir graben die also aus, sichern sie und siedeln sie dann in einem gepachteten, komplett abgelegenen Grundstück in der SW Heide in Erdbunkern wieder aus.“
Bis zu 400 Nester betreut er jährlich, Tendenz abnehmend. „Die Klimaveränderungen spüren wir hier sehr deutlich“, sagt er, „viele Fluginsektenarten sind weiterhin vom Aussterben bedroht.“ Er selbst wird übrigens bei seiner Arbeit, für die er mitunter in einen Imkeranzug schlüpft oder doppelte Lagen Kleidung trägt, etwa 25-mal pro Jahr gestochen. „Was gegen die schmerzhaften Folgen eines Stichs hilft? Logo, das ist immer noch die halbe Zwiebel“, sagt der Insektenfachberater.