Hamburg. Parteichef Taheri erhebt schwere Vorwürfe gegen die eigenen Parteigenossen. Der Landesgeschäftsführer widerspricht.
Das ist ein bisher wohl einmaliger Vorgang: Der amtierende Landesvorsitzende der Hamburger Linken, Keyvan Taheri, hat seinen eigenen Parteigenossen aus dem Hamburger Vorstand Rassismus vorgeworfen – in einem Facebook-Posting und im Gespräch mit dem Abendblatt.
„Migranten werden wahllos denunziert, unsolidarisch und gehässig angeklagt und beschimpft“, schrieb Taheri bei Facebook über ein Mitglied. Von dieser Person, die der Strömung der sogenannten „Antideutschen“ zuzurechnen sei, sei er so schwer rassistisch beleidigt worden wie seit 30 Jahren nicht, so der Linken-Politiker, dessen Eltern aus dem Iran stammen.
Hamburger Linke: Taheri schildert rassistischen Vorfall
Seit mehr als einem Jahr habe er auf solche Missstände in der Partei hingewiesen, sagte Taheri dem Abendblatt. „Aber es wurde von der Parteispitze und der Fraktionsspitze immer wieder ignoriert und heruntergespielt.“ Auch habe es einen rassistischen Vorfall in einer Sitzung des geschäftsführenden Landesvorstands gegeben, bei dem neben den beiden Landesvorsitzenden Taheri und Zaklin Nastic auch Schatzmeister, Fraktionsspitze und Landesgeschäftsführer anwesend gewesen seien.
„Dabei gab es eine Situation, in der ich mich ziemlich aufgeregt habe“, sagte Taheri dem Abendblatt. „Dann musste ich mir anhören, ,In deinem Kulturkreis ist man ja temperamentvoll, und du hast einen hohen Redebedarf.“ Das sei eine klare rassistische Stigmatisierung. Auch sollen Funktionsträger iranischstämmige Mitglieder in internem Schriftverkehr als „Ayatollah“ betitelt haben.
Landesgeschäftsführer weist Vorwürfe zurück
Die Co-Vorsitzende der Linken und Hamburger Bundestagsabgeordnete, Zaklin Nastic, sagte dem Abendblatt, sie habe von den Vorwürfen Taheris vorher nichts gewusst, und sie benutze hier nicht den Begriff Rassismus. Gleichwohl gab sie zu bedenken: „Es geben seit Jahrzehnten in Hamburg dieselben Personen den Ton in dieser Partei an – und unter diesen ist kein Mensch mit Migrationshintergrund.“ Bereits im Februar hatte der in der Türkei geborene Linken-Bürgerschaftsabgeordnete Mehmet Yildiz die Bürgerschaftsfraktion verlassen und deren Führung „Mobbing“ vorgeworfen.
Der Landesgeschäftsführer der Hamburger Linken, Martin Wittmaack, wies die Rassismusvorwürfe des Landesvorsitzenden Taheri im Gespräch mit dem Abendblatt zurück. „Selbstverständlich gibt es in verschiedenen Fragen einen harten inhaltlichen Streit in der Linken“, so Wittmaack. „Der ist auf dem Bundesparteitag geführt und entschieden worden und wird mit Sicherheit auch auf dem Landesparteitag der Hamburger Linken Anfang September geführt. Politische Streitpunkte via Social Media klären zu wollen funktioniert nicht.“
Wiederwahl von Taheri und Nastic unwahrscheinlich
Die Diskussion über möglichen Rassismus in der Hamburger Linken wird vor dem Hintergrund eines aktuellen Machtkampfes in der Partei geführt. Im September wird ein neuer Landesvorstand gewählt, derzeit laufen die vorentscheidenden Wahlen der Parteitagsdelegierten. Dabei haben sich offenbar die eher realpolitisch orientierten Strömungen der sogenannten Reformer und der Bewegungslinken zusammengetan, um einen Sieg des eher fundamentalistischen linken Parteiflügels und der Anhänger von Sahra Wagenknecht in der Hamburger Partei zu verhindern.
Bei den bisherigen Delegiertenwahlen setzte sich das Bündnis aus Reformern und Bewegungslinken bereits in mehreren Bezirken durch. Damit scheint eine Wiederwahl der bisherigen Landesvorsitzenden Taheri und Nastic schon jetzt ziemlich unwahrscheinlich – ebenso wie ein Sieg des linken Flügels bei den Vorstandswahlen im September.
Streit der Parteiflügel belastet die Linke seit vielen Jahren
Eine Reizfigur für den linken Flügel ist bei all dem die langjährige Linken-Bürgerschaftsabgeordnete und frühere Bürgerschaftsvizepräsidentin Christiane Schneider. Zuletzt hatte es Kritik an ihr gegeben, weil sie im Frühjahr öffentlich gemacht hatte, dass sie angesichts des Ukrainekrieges und der aus ihrer Sicht unklaren Haltung der Organisatoren dazu nicht am diesjährigen Ostermarsch der Friedensbewegung teilnehmen würde.
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Schneider wird von manchen Linken in der Partei der Strömung der „Antideutschen“ zugeordnet, die sich gegen jede Form von deutschem Nationalismus, aber auch gegen Antiamerikanismus richtet und für Solidarität mit Israel eintritt. Den Antideutschen wird innerhalb der Linken bisweilen vorgeworfen, sie würden linke Grundwerte aufgeben, strebten quasi zurück in die bürgerliche Gesellschaft oder würden die Linke spalten.
Die Linke in Hamburg: "Niemand völlig frei von Rassismus"
Schneider selbst, die auch dem aktuellen Landesvorstand der Hamburger Linken angehört, bestreitet, dieser Gruppierung anzugehören. Zu dem Vorwurf des Rassismus in der Partei und unter dem Führungspersonal sagte sie dem Abendblatt: „In der Mehrheitsgesellschaft ist wohl niemand völlig frei von Rassismus. Das Problem ist uns bewusst, und wir gehen damit sorgfältig um. Aber von offen rassistischen Aussagen im Landesvorstand ist mir nichts bekannt.“