Hamburg. Schulen und Kitas vollziehen ersten Schritt Richtung Normalität. Was nun mit Selbst-Schnelltests und Impfungen geplant ist.

Endlich wieder „richtig“ Schule: Gemeinsam im Klassenraum zu lernen und in der Pause über den Hof zu toben – das hatten Tom und Henri vermisst. Die beiden Freunde besuchen die 3. Klasse der Grundschule Lehmkuhlenweg in Sülldorf. Nach fast drei Monaten im Lockdown waren sie froh über den Neustart des Präsenzunterrichts am Montag. „Es hat Spaß gemacht“, sagen die Jungs vor dem Schultor – wobei sie offenbar schon ahnen, dass ihre Freude nicht von Dauer sein könnte. „Die Zahlen gehen ganz schön hoch“, sagt Tom.

Henris Mutter sieht das ähnlich: „Wenn wir Glück haben, bleiben die Schulen bis Ostern offen.“ Auch andere Eltern zeigen sich bei der Abholung ihrer Kinder skeptisch, ob die Schulöffnungen langfristig Bestand haben werden.

Der Grund für die Besorgnis: Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Corona-Neuinfektionen binnen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner, stieg am Montag in Hamburg auf 90,6 – so hoch war dieser Wert zuletzt Ende Januar gewesen. Liegt der Wert an drei Tagen in Folge über 100, müssten nach den Beschlüssen von Bund und Ländern die Lockerungen im Handel, für Museen, Galerien und Zoos wieder gestoppt werden.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Schulen und Kitas: Dauer der Öffnung ungewiss

Für Schulen und Kitas gilt eine solche „Notbremse“ bisher nicht. Darüber muss jedes Land selbst entscheiden. Der Senat hat am Montag nicht festgelegt, wie es bei einer Inzidenz über 100 weiterginge. Sprecher Marcel Schweitzer erklärt auf Anfrage, der Senat bewege sich „grundsätzlich im Rahmen der Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz“.

Das dürfte bedeuten: Steigt die Inzidenz auf mehr als 100, müssen vermutlich Läden, Museen und Zoos wieder schließen, Schulen und Kitas könnten dagegen vorerst geöffnet bleiben. Ob Letzteres auch dann noch so bliebe, wenn sich das Infektionsgeschehen weiter verschärft, ist offen.

Bis auf Weiteres gilt, dass zunächst die Grundschulen und die Abschlussklassen der weiterführenden Schulen im Wechselunterricht in ihre Klassenzimmer zurückkehren sollen, womit etwa 60 Prozent der mehr als 200.000 Schülerinnen und Schüler an den staatlichen und privaten Schulen im Präsenzunterricht lernen würden. Die Präsenzpflicht bleibt aufgehoben: Eltern müssen ihre Kinder also nicht in die Schule schicken.

Selbsttests an Hamburgs Schulen starten

Wie es mit dem Präsenzunterricht weitergeht, dürfte maßgeblich davon abhängen, wie gut die Schutzstrategie der Schulbehörde funktionieren wird. Ein wesentlicher Baustein sind Selbst-Schnelltests, von denen die Stadt 4,7 Millionen Stück geordert hat. Ein Großteil von ihnen soll den Schulen und Kitas vorbehalten sein.

Zum Schulstart am Montag seien 130.000 Testeinheiten auf die staatlichen und privaten Schulen verteilt worden, teilte die Schulbehörde auf Anfrage mit. Die rund 35.000 Schulbeschäftigten – vom Schulleiter bis zum Hausmeister – sollen sich zweimal pro Woche kostenlos testen können.

Einige Schulen sollen in dieser Woche beginnen, Schnelltests bei Schülerinnen und Schülern durchzuführen. Spätestens vom kommenden Montag an, so die Schulbehörde, sollten für alle, die am Präsenzunterricht teilnehmen, Selbsttestungen einmal pro Woche möglich sein – unter Aufsicht von Lehrern.

Was wird aus Impfungen der Lehrkräfte?

Zweiter Baustein des Sicherheitskonzepts sollen eigentlich die Impfungen sein. Seit Donnerstag vergangener Woche waren zunächst die Beschäftigten an Grund- und Sonderschulen aufgerufen, sich für einen Termin im Impfzen­trum in den Messehallen anzumelden.

Eine erste Hiobsbotschaft gab es dann am Wochenende: Wegen reduzierter Liefermengen des Impfstoffs von AstraZeneca stoppte Hamburg die Vergabe von neuen Impfterminen für unter 80-Jährige. War bis Montagvormittag noch geplant gewesen, zumindest alle vereinbarten Impftermine für Lehrer einzuhalten, wurde das am Nachmittag infrage gestellt – durch die Mitteilung, dass auch Deutschland alle Impfungen mit AstraZeneca stoppt. Daher ist völlig offen, wie es mit Impfungen für Lehrer und Erzieher weitergeht.

Schulleiter hofft "auf ein paar gute Wochen"

Peter Mein, Leiter der Grundschule Lehmkuhlenweg in Sülldorf, will sich seinen Optimismus nicht nehmen lassen. Einige seiner Kolleginnen und Kollegen hätten schon eine Corona-Impfung erhalten, etliche hätten einen Impftermin bekommen, sagte er.

Mit 220 Selbsttests sei seine Schule gut versorgt für die kommenden zwei Wochen. Auch wenn die Inzidenz gegenwärtige steige, sei nicht ausgemacht, dass der Präsenzunterricht schon bald wieder ausgesetzt werden müsse. „Unsere Hoffnung ist, dass wir nach Ostern noch ein paar gute Wochen mit vollen Klassen erleben können.“

Eingeschränkter Regelbetrieb in den Kitas

Am Montag wurden in Hamburg 268 Neuinfektionen vermeldet, 72 mehr als eine Woche zuvor. Die Öffnung von Schulen und Kitas war vom Senat schon vor den Ferien angekündigt worden. Sie erfolgt nun aber ausgerechnet in einer Phase steigender Infektionszahlen.

Beunruhigend ist auch die Lage in den Krankenhäusern, wo die Zahl der Intensivpatienten wieder gestiegen ist. Dort werden laut Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin 103 Corona-Patienten behandelt, drei mehr als am Sonntag. Ende Februar lag diese Zahl noch bei 76.

Dennoch sind auch die 1100 Hamburger Kitas am Montag einen großen Schritt in Richtung Normalität gegangen und haben von der „erweiterten Notbetreuung“ auf „eingeschränkten Regelbetrieb“ umgestellt. Damit dürfen grundsätzlich wieder alle 90.000 Kita-Kinder betreut werden, allerdings mit zeitlichen Einschränkungen vor allem in den Randzeiten morgens und abends. Zuletzt lag die Betreuungsquote bei nur 40 Prozent.

Elbkinder-Kitas machen Selbsttests zur Pflicht

Flankiert wird dieser Öffnungsschritt von einem Testkonzept: Alle Kita-Beschäftigten sollen sich zweimal pro Woche selbst testen – die entsprechenden Tests hat die Stadt den Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Der Covid-19-Antigen-Selbsttest erfolge seit dem 10. März „in den Kitas durch die Mitarbeitenden selbst, ist verpflichtend und wird auch positiv angenommen“, teilten Elbkinder, der größte Kita-Betreiber der Stadt, mit. Jede Kita habe dafür eine „Testbeauftragte“ ernannt, in deren Beisein die Tests dokumentiert und an die Sozialbehörde gemeldet würden. Bislang sei kein Selbsttest positiv gewesen.

In den rund 185 Elbkinder-Kitas waren zuletzt zwischen 36 und 46 Prozent der Kinder betreut worden. Am Montag, dem ersten Tag der eingeschränkten Regelbetreuung, waren es 68 Prozent.