Hamburg. Frank Otto spricht mit dem Abendblatt über seine WG-Zeit, seine Familie und seine Beziehung zum Fotomodell Nathalie Volk.
Vorsicht Stufe“ warnt das Schild auf der stählernen Tür im zweiten Stock des Kontorhauses an der Shanghaiallee. Wer den Hinweis nicht beachtet, stolpert in der Tat in die Büros des Musik-Unternehmers Frank Otto im Kontorhaus in der Shanghaiallee. Drinnen viel Glas, ein Aquarium, Elbblick. Und der Hausherr: Frank Otto (59), weißes Hemd, Weste, lange Haare. Der Versandhaus-Erbe schenkt Wasser und Kaffee ein, Startschuss für ein zweistündiges Gespräch mit dem Abendblatt.
Herr Otto, was, glauben Sie, sind die ersten drei Einträge, wenn man Sie googelt?
Frank Otto: Ich denke, zunächst Wikipedia, dann meine Frank Otto Medienbeteiligungsgesellschaft fo-medien …
… korrekt …
Otto: Bei Nummer drei muss ich raten. Ein Abendblatt-Bericht?
Nein, eine Geschichte aus der Hamburger Morgenpost: „Multi-Millionär Frank Otto: Bekenntnis zu Dschungelcamp-Küken Nathalie Volk“.
Otto: Ach ja, das erste gemeinsame Foto von Nathalie und mir, als ich sie von einer Modenschau im Atlantic abgeholt habe. Der Fotograf hat sich damals fast vor mein Auto geworfen. Zum Glück habe ich ihn noch rechtzeitig gesehen.
Hatten Sie geahnt, dass Sie die Beziehung zu dem damals 19-jährigen Fotomodell zum Stammgast im Boulevard und der Regenbogenpresse macht?
Otto: Nein, das habe ich gewaltig unterschätzt. Für mich taugt eine Sendung wie „Dschungelcamp“ höchstens für die letzte Zeitungsseite. Gut, damals war es eine Jubiläumsstaffel, die derzeitigen Folgen sollen ja sehr langweilig sein.
Was war Ihr erster Gedanke bei der „Bild“-Schlagzeile „Nathalie (19) liebt Otto-Millionär (59)“?
Otto: Dass das nicht gut für uns ist. Unsere Beziehung stand ja am Anfang. Ich konnte mich ihrer nicht sicher sein, sie sich nicht meiner. Und plötzlich ist man ein bundesweites Ereignis. Hinzu kam die Riesenentfernung zwischen Australien und Deutschland nebst Zeitunterschied.
Was haben Ihre Freunde gesagt?
Otto: Meine engsten Freunde wussten von Nathalie. Aber die lesen höchstens mal „Bild“, nicht das spekulative Zeug aus dem Internet, das dann folgte.
Mit einem gemeinsamen Interview in der „Bunten“ haben Sie die öffentliche Diskussion aber selbst befeuert.
Otto: Ja, deshalb haben wir uns das auch lange überlegt. Aber ich habe vier Jahre die „Hamburger Morgenpost“ herausgegeben. Ich wusste, dass sowieso etwas geschrieben wird, also sind wir lieber selbst zu einem Blatt gegangen, das unter den Gesellschaftsmagazinen noch zu den Seriösen gehört.
Jetzt wollen Sie auch noch mit Nathalie mit einer eigenen Sendung ins Fernsehen. Kommt nach „Die Geissens“ auf RTL II nun „Die Ottos“ auf Vox?
Otto: Nein, auf gar keinen Fall. Dafür bin ich nicht der Typ. Wir werden da auch nicht unsere Schlafgemächer öffnen. Mir geht es darum, Aufmerksamkeit auf die Deutsche Meeresstiftung zu lenken. Deshalb fliege ich mit Nathalie und dem Kamerateam auch auf die Seychellen. Und schon kommende Woche drehen wir bei der Bootsausstellung in Düsseldorf, die unter dem Thema Meeresschutz stehen wird.
Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass die Zuschauer wegen eines Umweltthemas einschalten werden.
Otto: Natürlich weiß ich, dass das keine klassische Doku wird. Die Zuschauer sind interessiert an einem Paar mit einem großen Altersunterschied, unterschiedlicher Persönlichkeit und wo der eine einiges weiß, was für den anderen noch ziemlich neu ist. Und wie wir damit umgehen. Aber ich finde das Experiment spannend, mit dieser Form der Unterhaltung wichtige Inhalte zu transportieren. Es geht eben nicht mehr nur um die Personen.
Viele werden trotzdem sagen, dass Sie das nur machen, um die Model-Karriere ihrer Freundin zu befördern.
Otto: Das kann ich nicht ändern. Ich kann nur sagen, dass ich am Anfang auch skeptisch war, inzwischen aber großes Vertrauen in die Produktion habe.
Dennoch bedienen Sie auch mit dieser Sendung das Klischee vom anderen Otto. Hier Ihre Brüder Michael und Alexander, die die Unternehmen Ihres Vaters Werner vorantreiben. Dort Sie. Gelernter Restaurator, Musiker, Kriegsdienstverweigerer, Sympathisant der Grünen und des FC St. Pauli.
Otto: Es ist richtig, meine Brüder und ich sind in verschiedenen Welten unterwegs. Aber mich hat sehr gefreut, dass Michael 2015 bei einer unserer Veranstaltungen von „Lesen ohne Atomstrom“ mitgemacht hat. Seitdem er nicht mehr Vorstandschef ist, sondern im Aufsichtsrat sitzt, wirkt er freier.
Wurden Sie in der Schule politisiert?
Otto: Nein, ich war in mehreren Internaten, wo schon Musikhören und Zeitunglesen verboten waren. Nach meiner Schullaufbahn habe ich alles in mich aufgesogen wie ein Schwamm. Ich habe fünf, sechs Wochenzeitschriften gelesen. Dazu kamen die Vorbereitungskurse auf die damalige Gewissensprüfung für Kriegsdienstverweigerer. Die wurde dann zwar abgeschafft. Aber ich hatte intensive Diskussionen mit spannenden Leuten aus der studentischen Szene.
Warum mussten Sie auf Internate?
Otto: Mein Vater und meine Mutter hatten sich früh getrennt. Und mein Vater war viel unterwegs, oft nur an Wochenenden in Hamburg. Und damals hielt man Internatserziehung für ideal. Und ich verband mit Internaten romantische Vorstellungen aus meinen „Fünf Freunde“-Büchern von Enid Blyton. Die habe ich geliebt. Aber ich habe schnell erkannt, dass die Wirklichkeit ganz anders ist.
Vor allem als Sohn eines der Macher des deutschen Wirtschaftswunders.
Otto: Mit den Mitschülern war das nie ein Problem, denen war egal, was der Papa macht. Aber die Lehrer hatten teils sehr besondere Vorstellungen. Die sagten, als Otto-Sohn musst du in Mathe doch besser sein. Völlig unbegreiflich.
Wie oft waren sie zu Hause?
Otto: Fast nur in den Ferien. Das waren harte Bedingungen, die Besuchszeiten waren in den Internaten eh eingeschränkt. Und dann haben sich meine Eltern noch um Besuchsrechte gestritten. Ich hatte entsprechende Termine bei der Fürsorge.
Das kann Kinderseelen zerstören.
Otto: Mehrere meiner Mitschüler sind an ähnlichen Problemen auch kaputtgegangen, einige haben sich umgebracht.
Wie wurden Sie Schlagzeuger?
Otto: Eigentlich wollte ich Gitarre lernen. Mein Vater hat mir dann eine Kindergitarre aus seinem Versandhandel geschenkt. Das zeigt, wie stolz er auf sein Unternehmen war. Das Ding kostete 40 Mark; im Einkauf wahrscheinlich sechs Mark. Leider hatte es keine Saiten, nur Drähte. Als ich damit zu meinem Musiklehrer ging, sage er nur, damit kann ich dich nicht unterrichten. Dann habe ich die Gitarre als Klangkörper zum Trommeln benutzt. Und irgendwann bekam ich mein eigenes Schlagzeug, habe es im Jugendzentrum aufgebaut, weil mir in unserer Wohnung die Leute aufs Dach gestiegen wären. Ruckzuck kamen ein Bassist, ein Gitarrist und ein Keyboarder dazu. Dabei konnte ich noch gar nicht richtig spielen.
Die Geburtsstunde Ihrer Band City Nord.
Otto: Ja, die entwickelte sich zügig aus diesen Anfängen. Wir haben sieben Jahre zusammen gespielt, mit deutschen Texten Platten aufgenommen, sind getourt, haben auch Konzerte in der Fabrik gegeben. Aber irgendwann kam Grönemeyer mit der Platte „Bochum“ raus. Da wussten wir, wir können einpacken, der war einfach besser, und mit der Neuen Deutschen Welle war’s ab dem Jahr sowieso vorbei.
Herr Otto, wann haben Sie das erste Mal realisiert, aus welch einem reichen Elternhaus Sie kommen?
Otto: Schon relativ früh, auch wenn ich als Kind nur 50 Pfennig Taschengeld in der Woche bekommen habe. Aber ich hatte mit meinem Vater vereinbart, dass ich erst mit 30 Jahren Zugriff auf meinen Vermögensanteil bekomme.
Von was haben Sie bis dahin gelebt?
Otto: Vor allem von meinem Ausbildungsgehalt als Restaurator im Museum für Kunst und Gewerbe mit 360 Mark im Monat, dazu gab es noch ein bisschen Taschengeld von meiner Mutter. Gewohnt habe ich in einer WG am Schulterblatt, wenn das Geld nicht mehr reichte, gab es zur Monatsmitte nur noch Haferflocken. Meine WG-Partner sind dann immer nach Hause, um die elterlichen Kühlschränke zu plündern. Irgendwann haben sie mich auf den Pott gesetzt: Frank, du kommst aus einem vermögenden Elternhaus, jetzt kümmere du dich mal. Also bin ich nach Hause. Mein Vater hat gelacht und mir Geld zugesteckt.
Ihr Engagement bei gewalttätigen Brokdorf-Demonstrationen und bei der linksradikalen „Bunten Liste“ wird ihm weniger gefallen haben.
Otto: Sicher wäre es ihm lieber gewesen, wenn ich im Club of Rome diskutiert hätte. Aber ich bin dann aus der Politik wieder raus. Ich habe zwar die Grünen mitgegründet, aber dann gab es mir dort zu viele Intrigen. Ich war dort nie Mitglied.
Sie sind jetzt beteiligt an privaten Rundfunkstationen und Streaming-Diensten, machen auch weltweit ein Programm für Kreuzfahrtschiffe. Die Keimzelle war der Hamburger Sender Ok Radio.
Otto: Ja, mit mickrigen 100 Watt haben wir vom Fernsehturm auf der Frequenz 95,0 gesendet. Kurz vor meinem 30. Geburtstag hatten mir Freunde gesagt, dass wir die beginnende Privatradio-Landschaft nicht den Großkopferten überlassen dürfen. Also habe ich mit Partnern Ok Radio gegründet. Ein Vollprogramm mit Nachrichten, Beiträgen, eigener Redaktion. Aber es war durch die Gesetzesvorgaben alles wahnsinnig kompliziert. Nachts mussten wir die Frequenz Leuten vom Offenen Kanal überlassen. Und das führte dann zu einem echten Konflikt mit meinem Vater.
Wieso?
Otto: Mein Vater landete eines Abends in Fuhlsbüttel und bat dann seinen Chauffeur, mal 95,0 im Radio einzuschalten, das sei der Sender seines Sohnes. Da haben sich dann gerade Leute vom Offenen Kanal sehr negativ über Werbung ausgelassen. Mein Vater hat geschäumt, mich angerufen und verlangt, dass ich den Laden sofort dichtmache. Er hat nicht verstanden, dass der Offene Kanal nicht in meiner Sendeverantwortung lag. Zudem hatte ich eh schon drei Millionen Mark verloren. Doch zum Glück war meine jüngere Schwester …
… damals Filmstudentin aus Los Angeles …
Otto: ... gerade in Hamburg. Die hat Papa dann bezirzt, wie nur Töchter das können. Papa, hat sie gesagt, machst du das auch mit mir, wenn mein erster Film floppt? Zudem wusste sie, dass ich das Programm geändert hatte, viel stärker zugeschnitten auf junge Leute. Mein Vater konnte ja die Beatles nicht von der aktuellen Musik unterscheiden. Dank meiner Schwester musste ich nicht schließen, sondern nur verkaufen. Und so ein Prozess kann sich eben ziehen (lacht). Dann kam die neue Media-Analyse, wir hatten doppelt so viele Hörer wie erwartet. Ich musste zwar später OK Radio einstellen, weil wir gegen die öffentlich-rechtlichen Sender keine Chance mehr hatten. Aber ich habe die Frequenz behalten, weitere Beteiligungen erworben. Und Radio hat sich insgesamt als sehr gutes Investment erwiesen. Ich glaube, dass kein anderes Medium so gut im Internet-Zeitalter bestehen kann.
Kaum jemand weiß, dass Sie mit Anfang 20 schon Vaterpflichten hatten. Ihre damalige Lebensgefährtin war nach Köln gezogen, überließ Ihnen ihre Tochter.
Otto: Rückblickend war das das Beste, was mir damals passieren konnte. Ich habe dadurch viel von dem Unsinn nicht gemacht, den meine Altersgenossen damals gemacht haben. Einige haben so exzessiv gelebt, dass sie es nicht überlebt haben. Das konnte mir als alleinerziehender Vater nicht passieren. Anfang der 1980er war ich in dieser Rolle ein totaler Exot, ich wurde an den Supermarktkassen vorgelassen. Aber es ging auch nur, weil sich auch meine WG-Partner um das Kind gekümmert haben.
Sie sind jemand, der Risiken eingeht. Keines dürfte so groß gewesen sein wie die Bürgschaft für den fast insolventen FC St. Pauli im Juni 2004.
Otto: Ich fand diesen Club schon immer geil. Mit politischem Engagement, mit Fans, die ihren Club auch nach den größten Niederlagen lieben. Und ich bin gern Teil des Dramas. Als Corny (Littmann, damaliger Präsident, die Red.) anrief, habe ich keine Minute gezögert. Wir haben uns direkt beim Vermögensverwalter getroffen, ich habe eine Bürgschaft über 600.000 Euro gezeichnet, das Fax musste sofort raus, da ging es um wenige Stunden, um die Lizenz zu retten. Aber ich wusste, dass Corny diesen Verein gut führt. Ich bin dann auch schnell wieder aus der Bürgschaft entlassen worden.
Politisch links, viel Geld, da werden Sie wahrscheinlich oft um Geld gebeten.
Otto: Ja, das passiert. Und ich bin auch schon enttäuscht worden. Ein Freund hat mit meinem Geld für eine Filmdoku seine Drogensucht finanziert, an der er dann gestorben ist. Aber grundsätzlich schaue ich mir alles vorab sehr genau an. Es muss gewährleistet sein, dass ich mich in dem Projekt auch wiederfinde. Bei FC St. Pauli ist es perfekt, da spielt nach jedem Spiel in dem von mir gemieteten Separee (so heißen am Millerntor die Logen, die Red.) eine Band. Ähnlich ist es auch beim Popkurs Hamburg an der Hochschule für Musik und Theater, den ich seit vielen Jahren unterstütze.
Beim Popkurs wurden Bands wie Revolverheld oder Wir sind Helden geboren.
Otto: Das ist eine wunderbare Hamburgensie, sie zeigt, wie sehr auch die Popmusik in unserer Stadt lebt.
Herr Otto, am 7. Juli werden Sie 60 Jahre alt. Welche Träume haben Sie noch?
Otto: Durch so ein Datum wird einem die Endlichkeit des Lebens bewusst. Das ist gut, nur deshalb ist das Leben so kostbar. Ich habe viel Neues erleben dürfen, dafür bin ich sehr dankbar. Auch dafür, dass es mir gesundheitlich gut geht. Einige Freunde habe ich schon beerdigen müssen. Was jetzt kommt, ist die Nachspielzeit, darauf freue ich mich.