Hamburg. Professor Dr. Ralf Eberhardt über die Folgen des Rauchens und die lebensgefährliche Erkrankung COPD. Symptom: Raucherhusten.

Es sind vier scheinbar harmlose Buchstaben: COPD. Doch dahinter verbirgt sich eine lebensgefährliche Lungenerkrankung, an der allein in Deutschland schon mehr als zehn Millionen Menschen leiden. „Die COPD ist damit schon fast ein Volksleiden“, sagt Professor Dr. Ralf Eberhardt, der seit Mai als Chefarzt die Abteilung für Pneumologie und Internistische Intensivmedizin an der Asklepios Klinik Barmbek leitet.

 „20 Prozent aller Raucher trifft es“, sagt der Lungenspezialist in einer neuen Podcast-Folge der „Digitalen Sprechstunde“, die unter anderem auf abendblatt.de kostenlos zu hören ist.

Kaputt ist kaputt ­– die Lunge kann nicht regenerieren

Die Erkrankung werde oft spät, manchmal erst nach Jahrzehnten des Zigarettenkonsums, erkannt. „Wenn man als junger Mensch mit dem Rauchen beginnt, dann spürt man ja zunächst nicht mal beim Sport eine Einschränkung. Aber irgendwann ist die Lungenfunktion dann eben verbraucht, und der Körper schaltet auf Reserve.“ Doch wenn Symptome wie der typische „Raucherhusten“ oder die Kurzatmigkeit unter Belastung einsetzten, dann sei die Erkrankung meist schon fortgeschritten.

„Und das Problem ist: Wenn die Lunge kaputt ist, dann ist sie kaputt. Anders als die Leber kann sie sich nicht regenerieren. Mediziner sprechen dann von einem Lungenemphysem“, sagt der habilitierte Chefarzt, der vom Universitätsklinikum Heidelberg nach Barmbek wechselte, wo er übrigens auf die Welt gekommen ist. „Meine Mutter war ganz glücklich. Das ist irgendwie schicksalhaft, dass ich jetzt in meiner Geburtsklinik arbeiten darf.“

Giftige Gase im Rauch schädigen die Lunge nachhaltig

Während das Nikotin süchtig mache, seien es vor allem die giftigen Gase im Rauch, die die Lunge nachhaltig schädigen, erklärt der Experte. „Die Lunge reagiert dann mit einer Entzündung, die zu einer chronischen Bronchitis führt. Außerdem sind die Atemwege stark verengt, die Luft geht nicht mehr raus und somit auch kaum neue rein – die Lunge überbläht.“ Man müsse sich das im Prinzip wie eine volllaufende Badewanne vorstellen, bei der der Abfluss jedoch nicht richtig funktioniere. „Das Wasser steigt und steigt und steigt. Und so steht auch der Patient bis oben hin so derartig voll Luft, dass er keine frische Luft mehr aufnehmen kann“, vergleicht der Vater von zwei Töchtern.

Doch wie wird behandelt, wenn nach einer Lungenfunktion die Diagnose COPD gestellt wurde? Grundsätzlich erforderlich sei zunächst die Rauchentwöhnung. Auch die Beweglichkeit der Patienten müsse verbessert werden. „Wer schlecht Luft bekommt, bewegt sich nicht. Das ist ein Teufelskreis, der irgendwann zwangsläufig auf dem Sofa endet“, sagt der Mediziner, der in seiner Freizeit gern auf dem Motorrad unterwegs ist. Bei manchen Betroffenen helfe zunächst womöglich ein Spray, das direkt in der Lunge wirkt. „Allerdings ist die Wirkung dieser Medikamente begrenzt, weil sich die Lunge ja eben nicht reparieren lässt.“

Mit einem Eingriff wird die Überblähung reduziert

Deshalb sei der zielführendste Ansatz, den Grund für die Überblähung zu reduzieren – mit einer interventionellen Therapie. „Mitte der 1950er-Jahren waren Chirurgen in den USA auf diese Idee gekommen. Sie entnahmen den schlechten Teil der Lunge, damit der gute mehr Platz hat. Doch die Komplikationen waren zu groß“, sagt der Chefarzt. Um die Jahrtausendwende sei dieser Gedanke dann jedoch wieder aufgenommen worden. „Seither hat sich ein minimal-invasiver Eingriff etabliert, bei dem man dem Patienten Einwegventile einsetzt, die einen Lungenlappen blockieren.“

Zwei Drittel der Behandelten spürten danach eine deutliche Veränderung im Alltag, sie bekommen plötzlich wieder gut Luft. Leider profitiere aber eben nicht jeder Patient von diesem Eingriff, der knapp zehn Minuten dauere und technisch gar nicht so anspruchsvoll sei, sagt der Lungenfacharzt. „Es kommt auf die richtige Auswahl der Patienten an. Wer beim Tennis schnell aus der Puste kommt, ist nicht geeignet. Es muss schon jemand sein, der so eingeschränkt ist, dass er nicht mehr aus dem Sessel hoch kommt.“

Auf seiner Station hätten sein Team und er in den vergangenen Monaten auch viele Covid-19-Patienten beatmet. Der Chefarzt warnt: „Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Jeder sollte überlegen, ob er jetzt wirklich jeden Urlaub und jede Party mitnehmen muss.“