Hamburg. Kurios: Die Beamten verbieten den Einsatz einer Drohne bei der Suche nach einer vermissten, demenzkranken Seniorin. Die Hintergründe.

Es war bitterkalt, als Polizisten und Angehörige von Hilfsorganisationen am Sonnabendabend rund um den Falkenbergsweg in Neugraben auf der Suche nach einer zu dem Zeitpunkt vermissten, demenzkranken Frau unterwegs waren. Für die 70-Jährige, die nicht mal eine Jacke angehabt haben sollte, bestand Lebensgefahr. Trotzdem lehnte die Polizei den Einsatz einer mit Wärmebildtechnik ausgestatteten Drohne ab, die eine Hilfsorganisation dabeihatte. Der Hintergrund: Datenschutz.

Hamburgs Polizei hat Drohnen. Sogar einen sogenannten Hexacopter mit sechs Rotoren. Ausgerüstet ist die Drohne mit einer hochauflösenden Kamera. Das „fliegende Auge“ hat ein Problem: Es darf laut Polizeidienstvorschrift nicht zur Personensuche eingesetzt werden. Bislang wurden der Polizei lediglich drei Einsatzmöglichkeiten zugestanden. Bei Verkehrsunfällen, bei Umweltdelikten und im Rahmen der Tatortarbeit. Dann sind Übersichtsaufnahmen gestattet. Zuletzt geschah das am Wochenende bei einem tödlichen Arbeitsunfall in einem einsturzgefährdeten Gebäude. Es war einer von vier Einsätzen in diesem Jahr.

Suche in Neugraben: Warum die Hamburger Polizei auf Drohne verzichtete

Warum diese Einschränkungen bestehen, erklärt Polizeisprecherin Sandra Levgrün so: „Wir sind aufgefordert, den Drohneneinsatz datenschutzrechtlich konform zu gestalten. Die Prüfung dazu ist noch nicht abgeschlossen.“ Aus der Polizei hieß es auch: Die Drohne sei ein Politikum. Der Einsatz sei bei den Koalitionspartnern umstritten. Die Prüfungen zu einzelnen Einsatzmöglichkeiten zögen sich deshalb hin. Hinziehen heißt in diesem Fall viele Jahre. Bereits im August 2016 wurde bei der Hamburger Polizei die Pilotierung „unbemannter Luftfahrtsysteme, kurz ULS“ beschlossen.

Die Gründe für die Probleme wirken kurios. Technisch gesehen ist die Drohne so etwas wie ein kleiner, unbemannter und ferngesteuerter Hubschrauber. Doch es gibt, aus Sicht des Datenschutzes wie er bislang bei der Polizei ausgelegt wird, einen eklatanten Unterschied. Eine Drohne mit ihren summenden Rotoren ist im Gegensatz zu einem Hubschrauber so leise, dass sie von gefilmten Personen nicht bemerkt werden dürfte. Damit habe ein Gefilmter nicht die Chance, sich vor der Drohne zu verstecken.

Wäre Drohneneinsatz doch möglich gewesen?

Sichtbarkeit ist auch der Grund, warum die Drohne der Polizei farblich gestaltet ist wie ein Peterwagen. Es ist kein Corporate-Identity-Fimmel, sondern eine Vorgabe. Jeder soll sehen können, dass eine Polizei-Drohne am Himmel ist. Dazu kommen weitere rechtliche Bedenken, – so zum Beispiel, dass mit der Drohne in nicht einsehbare Privatgrundstücke gefilmt werden könnte oder allgemeine Persönlichkeitsrechte beeinträchtigt würden.

Das Ergebnis am Sonnabend: Die Polizei lehnte bei der Suche nach der Frau auch das Drohnen-Angebot der Hilfsorganisation mit Blick auf die Vorschrift ab. Geprüft wird jetzt, ob eine Einzelfallentscheidung durch den Polizeipräsidenten oder den Vizepräsidenten den Einsatz doch möglich gemacht hätte. Das SEK hangelt sich so beispielsweise mit seiner Spezialdrohne durch den Vorschriftendschungel. Die Spezialeinheit muss sich jeden Drohneneinsatz von höchster Stelle im Rahmen einer Einzelfallprüfung genehmigen lassen.

Hamburger Polizei kommt mit „blauem Auge“ davon

Die Vorschrift schafft für Hilfsorganisationen in Hamburg eine kuriose Situation. Sie können zwar die Suche nach Vermissten mittels einer Drohne üben, sie aber nicht im Rahmen eines echten Einsatzes nutzen. Denn bei Vermisstenfällen ist die Polizei federführend. Ebenso kurios: In Niedersachsen, eigentlich nur ein paar Hundert Meter vom Falkenbergsweg entfernt, wäre die Personensuche per Drohne problemlos möglich gewesen. Dort hat auch die Polizei seit 2019 eine Drohne, die im Rahmen eines Pilotprojektes natürlich auch zur Personensuche eingesetzt wird.

„Es ist keinem normalen Bürger zu erklären, dass die Hamburger Polizei nicht ihre oder eine fremde Drohne einsetzen darf, wenn es um die Rettung von einem Menschenleben geht“, sagt Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft.

Im Fall der vermissten 70-Jährigen kam die Polizei mit einem „blauen Auge“ davon. Am Montag wurde die Frau gefunden. Stark unterkühlt, aber lebend.