Kiel. Beim Abriss der Atomkraftwerke im Norden fallen schätzungsweise 50 000 Tonnen Bauschutt an. Der Abfall ist ungefährlich und muss auf Deponien gelagert werden. Doch wohin damit? Nun hat die Landesregierung zwei Standorten Abfälle aus Brunsbüttel zugewiesen.
Beim Rückbau des Atomkraftwerks Brunsbüttel anfallender Bauschutt soll in Deponien in Lübeck-Niemark und Johannistal in Gremersdorf (Kreis Ostholstein) entsorgt werden. Weil es bislang an der Bereitschaft zur Aufnahme des nicht-radioaktiven Mülls im Land mangelt, hat Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht zum letzten Mittel der Zuweisung gegriffen. "Ich bedauere, dass es bislang nicht überall gelungen ist, eine freiwillige Lösung für die Deponierung freigemessener Abfälle aus Kernkraftwerken im Land zu finden", sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch.
Im Fall der Deponien in Lübeck und Gremersdorf geht es um bis zu 18 000 Tonnen Mineralwolle, Bauschutt und Isolierungen, die bis Ende 2022 beim Rückbau des AKW Brunsbüttel anfallen und nicht wiederverwendet werden können. Im Kreis Dithmarschen, der eigentlich für die Entsorgung zuständig ist, fehlt laut Albrecht eine geeignete Deponie. Für die Lagerung kamen aber auch die Deponien in Wiershop (Kreis Herzogtum Lauenburg), Harrislee (Kreis Schleswig-Flensburg) sowie Großenaspe (Kreis Segeberg) in Frage. Alle fünf Deponien sind mögliche Standorte für Bauschutt aus den beiden anderen Reaktoren Krümmel und Brokdorf.
Nach Angaben der Landesregierung müssen die beim Abriss der Anlagen entstehenden, nicht-radioaktiven Abfälle in Schleswig-Holstein entsorgt werden. Der Entwurf der Anordnungen wurde den Deponiebetreibern bereits zur Anhörung vorgelegt. Es sei nicht auszuschließen, dass die Verantwortlichen vor Ort juristisch gegen die Entscheidung des Landes vorgehen, sagte Albrecht. Möglicherweise können bereits im April erste Lkw-Ladungen zu beiden Deponien gebracht werden.
Die Stadt Lübeck reagierte überrascht auf die Entscheidung. Die Lübecker Bürgerschaft hatte zuletzt im November 2020 beschlossen, das Material nicht aufzunehmen und eine Bürgerbefragung zu starten. "Uns liegt der Entwurf eines Zuweisungsbescheides vor", sagte Umweltsenator Ludger Hinsen (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. "Den werden wir jetzt mit Hilfe einer externen Rechtsanwaltskanzlei überprüfen und dazu kritisch Stellung nehmen." Dabei werde der Bürgerschaftsbeschluss maßgeblich sein.
Unmut löste die Zuweisung auch in Gremersdorf aus. "Wir sind nicht glücklich über die Zuweisung des Schutts", sagte Bürgermeister Henning Pries (CDU) dpa. Auch wenn von dem Material keine Gesundheitsgefahr ausgehe, sorge er sich um den möglichen Schaden durch irrationale Ängste. Gemeinsam mit dem Deponiebetreiber werde die Gemeindevertretung über das weitere Vorgehen beraten.
Der Müll wird laut Ministerium in einem aufwendigen Verfahren bis zu vier Mal gemessen. Die Reststrahlung soll maximal zehn Mikrosievert betragen und deutlich unterhalb der Dosen durch natürliche radioaktive Strahlung pro Jahr liegen. "Auf der Deponie ist das nicht messbar", sagte der Leiter der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht, Jan Backmann. So liegt die natürliche Strahlenbelastung in Deutschland durchschnittlich bei 2100 Mikrosievert pro Jahr. Minister Albrecht sprach von "normalem Müll", von dem keinerlei Gesundheitsgefährdung ausgehe.
In Wiershop werden auf Basis einer einvernehmlichen Lösung bereits Abfälle aus dem nahegelegenen Kernkraftwerk Krümmel gelagert. Albrecht lobte das dortige Vorgehen. Der Gemeinderat hatte dem Deponiebetreiber vor knapp einem Jahr empfohlen, Bauschutt aus dem geplanten Rückbau des Kernkraftwerks Krümmel anzunehmen. Es ging dabei um 700 Tonnen Mineralwolle.
Die Reaktoren in Brunsbüttel (2007) und Krümmel (2009) sind bereits seit Jahren vom Netz. Der Abriss der Anlage in Brunsbüttel ist bereits genehmigt. Im Fall von Krümmel wird noch in diesem Jahr mit einer Genehmigung der Abrisspläne durch das Umweltministerium gerechnet. Auch für das AKW Brokdorf wurde bereits ein entsprechender Antrag gestellt. Ende 2021 soll das Zeitalter der Atomkraft in Schleswig-Holstein mit der Abschaltung des Meilers an der Elbe enden.