Hamburg. In ihrem neuen „True Crime“-Buch widmen sich Klaus Püschel und Bettina Mittelacher dem Tod auf dem Grün – nichts für schwache Nerven.

Wer hätte gedacht, dass es Professor Klaus Püschel, bis vor zwei Jahren Leiter der Hamburger Rechtsmedizin am UKE, und Abendblatt-Reporterin Bettina Mittelacher einfallen würde, ein ganzes Buch Sterbefällen beim Golf zu widmen. Nanu, ist der Sport derart lebensgefährlich? Beim Abendblatt waren wir jedenfalls überrascht, als das neueste „True Crime“-Opus des Autorenduos – inzwischen sein sechstes – mit dem Titel „Tod beim Golf“ und dem süffisanten Untertitel „Kurioses und Mörderisches bei der schönsten Nebensache der Welt“ in der Redaktion eintraf.

Vielleicht verdient der Golfsport ja einen Superlativ. Aber gewiss ist das Spiel, dem einst das Aroma des distinguierten Oberklassenvergnügens anhaftete und das inzwischen in der Breite angekommen ist, keine Nebensache – finden zumeist diejenigen, die mit Herz, Seele und Schläger dabei sind. Und da passiert es nun mal, dass Golfer zu Tode kommen – auf natürliche oder eben weniger natürliche Weise, wie die Autoren herausarbeiten. Zum Beispiel durch Golfschläger-, -bälle, -Carts, aber auch durch Tiger, Gift- und Würgeschlangen, Wespen, Elefanten, Krokodile, Alligatoren, Zecken und, ja, durch Menschen.

Rechtsmedizin Hamburg: Krokodile und Mörder: Was beim Golf alles lauern kann

Die Wahrheit liegt eben auf dem Platz. Und gestorben wird dort auch. Nicht selten, weil die Spieler im Eifer des Golfens schon mal alle Vorsicht fahren lassen. Da ist etwa der Mann, der über einen misslungenen Schlag mit seinem Neuner-Eisen so verärgert war, dass er seine Golftasche in einen Teich warf. Beim Versuch, seine Habe zu retten, ertrank er.

Es ist nur einer von vielen (tragischen) Todesfällen, die in dem Buch thematisiert werden, und sie alle haben einen Bezug zum Golfen – da reicht es mitunter, wenn ein Unglücksvogel im Segelflieger einen Herzinfarkt erleidet und damit auf dem Golfplatz zerschellt. Grundsätzlich aber gilt, und das beruhigt: Das Grün ist kein Todesacker. Vielmehr haben Golfer, als statistische Gruppe betrachtet, im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung sogar eine höhere Lebenserwartung, heißt es im Buch.

Forensische Analyse mit rechtsmedizinischer Expertise

Ebenso klar ist, dass Püschel und Mittel­acher es nicht bei den episodenhaften Schilderungen belassen. Püschel reichert fast jeden Fall mit profunder forensischer Analyse an. Den Crash des unglücklichen Segelfliegers etwa nimmt der Professor zum Anlass, um die physiologischen Folgen von Flugzeugabstürzen im Allgemeinen zu erörtern – das geht schon ans Eingemachte. Überhaupt liefert das Duo Bewährtes in gewohnter Manier ab: Da werden die Fälle ausgerollt, mal kurz, mal ausführlicher, und die rechtsmedizinische Expertise kommt dazu.

So schildern die Autoren, wie ein Golfer während eines epileptischen Anfalls kopfüber in einen Bunker stürzte, viel Sand einatmete und erstickte. Ein Einzelfall. Gar nicht so selten geht das jähe Ableben der Spieler dagegen auf Kollisionen mit Golf-Carts zurück. Ganz vorne im Ranking der Schauer-Tode steht das Schicksal eines Golfers, der in Südafrika von einem Krokodil gefressen wurde, als er in der Nähe eines Teichs, im Gestrüpp, nach einem Ball suchte, wie die Auflistung der „zehn schrecklichsten Todesarten beim Golfen“ zeigt.

Amputation: Tod durch Alligator

Immerhin mit dem Leben davon kam ein Mann, dem ein 400-Pfund-Alligator im US-Bundesstaat South Carolina den Arm abriss. Beispielhaft führt das Autorenduo dazu aus, wie derartige Amputationsverletzungen an Ort und Stelle behandelt werden sollten. Kleiner Tipp: beim Golfen im Beisein von Alligatoren besser einen Gürtel tragen! Kein Kraut ist aber gegen Elefanten auf dem Kriegspfad gewachsen. Ein rasender Drei-Tonnen-Bulle zertrampelte 1999 auf einem Golfplatz eine Frau aus Stuttgart, die im Kruger Nationalpark Urlaub mit ihrer Familie machte. Nüchternes Fazit des Rechtsmediziners: „Der Tritt eines Elefanten lässt den Schädel splittern wie Glas.“

Natürlich können – wie fast alle anderen Dinge – auch Golf-Utensilien in Meuchlerhänden zur mörderischen Waffe werden. Besonders hoch im Kurs stehen die griffigen, gut ausbalancierten mittleren Eisen oder der Putter, weiß das Autorenduo. Aus Sicht der Biomechanik seien Golfschläger indes kein „ideales Tatwerkzeug“, weil sie zu sperrig sind, weil man für die Beschleunigung viel Kraft aufbringen muss und weil sie sich zur Verteidigung gegen einen schnell attackierenden Gegner nicht eignen.

Tragische Unglücke und Erkrankungen

Zu welch schweren Verletzungen ein Golfball beim Zusammenprall mit dem menschlichen Schädel führen kann, zeigt der Fall eines kleinen Mädchens aus den USA: Es war von einem verschlagenen Ball seines Vaters tödlich getroffen worden. Wachsam bleiben und auf sich selbst hören, lautet denn auch der Rat von Püschel und Mittelacher. „Ein verschlagener Ball ist kein Drama“, heißt es da. „Lieber den Ball im unübersichtlichen Rough liegen lassen und einen neuen droppen, als sich bei der Suche im Gestrüpp Gefahren auszusetzen.“ Wer weiß schon, wo das nächste Nil-Krokodil lauernd die Zähne wetzt ...

Auch wenn tragische Unglücke oder Erkrankungen (Herzinfarkt, Schlaganfall), die teils mit dem gesetzteren Durchschnittsalter der Spieler zusammenhängen, als Ursache für das Ableben beim Abschlag einen breiten Raum einnehmen, kommt auch der Golfplatz als Tatort nicht zu kurz. Beispiel: der Mord an der 15 Jahre alten Martha Moxley in Greenwich/ USA im Jahr 1975. Sie wurde mit einem Sechser-Eisen erschlagen. Ein Spross der allmächtigen Kennedy-Familie wurde nach langen vergeblichen Ermittlungen dafür verurteilt, elf Jahre später wurde das Urteil aufgehoben. Praktisch vor den Toren Hamburgs, in Kiel, prügelte ein 50-Jähriger seine Mutter mit einem Golfschläger tot. Der Mann glaubte, auf dem Mars zu leben und mit Winnetous Schwester verheiratet zu sein. Das Gericht ordnete 2014 seine Unterbringung in der Psychiatrie an.

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Wer dem morbiden Lesespaß zuneigt, wird mit dieser Lektüre eine spannende, lehrreiche Zeit verbringen. Wer sich aber nur auf unterhaltsame Weise ein wenig gruseln möchte, liest sie eher im falschen Buch: Weil die geschilderten Fälle nicht fiktional sind, weil sie eine (populär-)wissenschaftliche Ebene haben und es manchmal ganz schön zur Sache geht. Dieser authentische Rahmen entfaltet einen Reiz. Leser, die eine fachliche Perspektive und fesselnde Fallbeschreibungen schätzen, werden fündig. Kaum vermeiden lässt sich, dass bei den Ausführungen des Professors die Filmrolle im Kopfkino auf Hochtouren läuft. Bei Püschel bleibt fürs Blumige und Seichte kein Platz. Eine Sektion ist eine Sektion. Und „Tod beim Golf“ ein Buch mit gutem Handicap.