Hamburg. Ein neuer Schnelltest, ein Medikament und genaue Untersuchungen dank Petra III - Desy ist eine wichtige Stütze im Corona-Kampf.

Gemeinsam gegen Corona. Dieses Ziel hat auch eine Gruppe von Wissenschaftlern des Deutschen Elek­tronen-Synchrotrons Desy und der Universität Hamburg. Diese arbeiten an einem Corona-Schnelltest. Dabei setzt das Team auf eine neue Methode, die so funktionieren soll: „Ultraempfindliche Screenings auf der Grundlage kombinierter Virionzählung, damit sind die Viruspartikel außerhalb einer Zelle gemeint, und einer schnellen DNA- oder RNA-Analyse mit optischen Methoden“, sagt Professorin Ingrid-Maria Gregor von Desy.

Durch diesen Ansatz habe der Test die Genauigkeit eines PCR-Tests und die Schnelligkeit eines Antigentests, ergänzt Physikerin Irene Fernandez von der Universität Hamburg. Beim Orts­termin mit dem Abendblatt auf dem Desy-Gelände in Bahrenfeld präsentierten die Forscherinnen einen neu entwickelten Plastik-Chip mit Nanokanalstruktur zur Verarbeitung der Speichelproben.

Entwicklung Schnelltest dauert noch ein Jahr

Aktuell entwickelt das Team ein tragbares Gerät, mit dem die Tests dann ausgewertet werden sollen. „Das Gerät wird die Größe einer Mikrowelle haben. Es wird so konzipiert, dass es mobil eingesetzt werden kann. So könnten diese Corona-Schnelltests dann ohne Labor und trotzdem mit hoher Verlässlichkeit zum Beispiel an Flughäfen, bei Unternehmen oder an Schulen eingesetzt werden“, sagte Wissenschaftlerin Fernandez. Die Entwicklung des Schnelltests inklusive Gerät wird noch etwa ein Jahr in Anspruch nehmen.

Aber auch sonst ist Desy in dem Kampf gegen die Pandemie ein gefragter Ansprechpartner. Und jetzt kommt die Röntgenlichtquelle Petra III ins Spiel, ein 2,3 Kilometer langer Teilchenbeschleuniger. Dieser liefert intensive und scharf gebündelte Röntgenstrahlen. Und diese werden nun auch eingesetzt, um zum Beispiel ein Medikament gegen Covid-19 zu entwickeln.

„Unsere Forschungsinfrastruktur bietet einmalige Untersuchungs- und Experimentiermöglichkeiten“

Das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech, das gemeinsam mit Pfizer als erster in Europa einen Corona-Impfstoff auf den Markt gebracht hat, nutzte Petra III für Untersuchungen, um RNA-Impfstoffe zu verbessern. „Unsere Forschungsinfrastruktur bietet einmalige Untersuchungs- und Experimentiermöglichkeiten, um Fortschritte in Innovation, Technik und Medizin zu erreichen“, sagte Professor Helmut Dosch, Vorsitzender des Desy-Direktoriums, dem Abendblatt.

Diese einmaligen analytischen Methoden, die weit mehr Daten und Einblicke als laborbasierte Methoden lieferten, hätten gerade in Krisenzeiten einer Pandemie eine äußerst hohe Relevanz, sagte Dosch weiter. Und Arik Willner, Bevollmächtigter des Desy-Direktoriums für Innovation, berichtet. „Wir haben zahlreiche Anfragen von Pharmafirmen, Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen, die sich zum Thema Corona-Forschung an uns wenden.“

Strukturelle Veränderungen in Lungengewebe durch Covid-19 entdeckt

Es ist bekannt, dass durch Covid-19 bei Patienten mit schweren Verläufen massive Schädigungen des Lungengewebes auftreten können. Ein Forscherteam analysierte bei Desy mithilfe des Röntgenlichts von Petra III Gewebeproben aus menschlichen Lungen. „Das Röntgenlicht macht es möglich, das Gewebe dreidimensional zu untersuchen.

In ihren Scans entdeckten die Forscherinnen und Forscher signifikante strukturelle Veränderungen des Gewebes aufgrund von Covid-19“, sagte Professor Dosch. Das Forschungsteam hoffe nun, dass mit der genutzten neuen Methode zur Bildgebung die Entwicklung von Behandlungsmethoden und Wirkstoffen unterstützt werden könnte, um schwere Lungenschäden bei Covid-19 zu verhindern, zu lindern oder die Regeneration zu fördern.

2500 Frauen und Männer arbeiten bei Desy in Hamburg

Wie berichtet, hatte eine Gruppe von 103 Wissenschaftlern um den Desy-Bio­physiker Alke Meents ein groß angelegtes Screening durchgeführt, um einen Wirkstoff gegen Corona zu finden. Dabei wurden mehr als 6900 bekannte Wirkstoffe darauf untersucht, ob sie an ein Protein des Virus andocken, welches eine zentrale Rolle bei der Vermehrung des Erregers spielt. Im Schichtbetrieb wurden dabei rund 460 Proben pro Tag im Röntgenstrahl an der Petra-III-Messstation P 11 gemessen.

Mit Erfolg: „43 Treffer aus dem Röntgenscreening wurden dann auf ihre Wirksamkeit gegen das Coronavirus am Bernhard-Nocht-Institut überprüft. Hierbei sind zwei besonders vielversprechende Kandidaten identifiziert worden, die nun weiter untersucht werden.“ sagte Meents dem Hamburger Abendblatt. Unter der Voraussetzung, dass alle notwendigen weiteren Schritte ideal laufen, könne bereits in einem Jahr mit einem Medikament gerechnet werden.

Lesen Sie auch:

Auf dem 44 Hektar großen Desy-Areal, das die Dimensionen einer Kleinstadt hat, sind rund 2500 Mitarbeiter beschäftigt. Am Standort in Zeuthen in Brandenburg sind es nochmals 283. Normalerweise kommen über das Jahr gerechnet mehr als 3100 Gastwissenschaftler und Forschende aus 41 Ländern zu Desy. Übrigens hat Petra III bis Mitte März erst einmal Pause. Der Röntgenstrahler wird zurzeit gewartet.