Hamburg/Bremen. Reedereien und Terminalbetreiber können aufatmen. Die Hafenarbeiter wollen ihren Warnstreik an Deutschlands großen Seehäfen pünktlich am Freitagmorgen beenden. Bis dahin ging jedoch bei der Abfertigung von Container- und Frachtschiffen 24 Stunden lang so gut wie nichts mehr.
Nach einem 24-stündigen Warnstreik in Deutschlands großen Seehäfen soll die Abfertigung von Container- und Frachtschiffen am Freitag wieder aufgenommen werden. Mit Beginn der Frühschicht sollte der Ausstand der Hafenarbeiter nach Angaben der Gewerkschaft Verdi beendet sein.
Am Donnerstagmorgen hatten Beschäftigte in Hamburg, Emden, Bremen, Bremerhaven, Brake und Wilhelmshaven die Arbeit niedergelegt und die Häfen damit weitgehend lahmgelegt. Es war der zweite Warnstreik innerhalb von drei Wochen. Zuvor gab es bei den Hafenarbeitern viele Jahre keine Arbeitsniederlegungen.
Die Auswirkungen auf die ohnehin schon stark gestörte Abfertigung der Container- und Frachtschiffe waren aus Sicht der Gewerkschaft erheblich. Nach Angaben der Verdi-Verhandlungsführerin Maya Schwiegershausen-Güth standen Kräne und Anlagen überall still - und vergrößerten die Verspätungen an der Kaikante nochmals deutlich.
Dabei stehen in der Nordsee wegen der Corona-Pandemie inzwischen schon mehr als zwei Prozent der globalen Frachtkapazität im Stau, wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft mitteilte. Allein in der Deutschen Bucht warteten nach jüngsten Daten vom Dienstag 15 Containerschiffe auf ihre Abfertigung in Hamburg oder Bremerhaven.
Entsprechend gereizt reagierte die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd. "Jeder Tag, den ein Schiff steht, kostet uns natürlich Geld, verärgert Kunden, Konsumenten, Seeleute und auch unser Landpersonal", sagte ein Sprecher. Die Streiks trügen zur extrem angespannten Situation bei und schadeten der Reputation des Hamburger Hafens.
Bei der Tarifauseinandersetzung für die rund 12.000 Beschäftigten in den 58 tarifgebundenen Betrieben in Hamburg, Niedersachsen und Bremen geht es im Kern um den Inflationsausgleich. Bei den klassischen Entgeltverhandlungen liegen Verdi und der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) nicht mehr so weit auseinander.
Verdi fordert bei einer Tariflaufzeit von 12 Monaten eine Erhöhung der Stundenlöhne um 1,20 Euro sowie in Vollcontainerbetrieben eine Erhöhung der jährlichen Zulage um 1200 Euro. Der ZDS akzeptiert in seinem nach eigenen Angaben "finalen" Angebot bei einer Tariflaufzeit von 18 Monaten eine Anhebung der Stundenlöhne um 1,20 Euro - im Autoumschlag um 90 Cent - und ist auch mit der Anhebung der Zulage um 1200 Euro einverstanden.
Als Inflationsausgleich bietet der ZDS in Vollcontainer-Betrieben eine Einmalzahlung von 1000 Euro und in konventionellen Betrieben von 500 Euro an - was der Gewerkschaft Verdi zu wenig ist. "Wir brauchen einen kräftigen Schluck aus der Pulle. (...) Wir müssen das Inflationsmonster stoppen", sagte Schwiegershausen-Güth. Im Mai lag die Inflation in Deutschland bei 7,9 Prozent.
In Hamburg hatten sich nach Gewerkschaftsangaben mehr als 4000 Hafenarbeiter versammelt, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, die Polizei sprach von rund 3500. Wie verhärtet die Fronten sind, wurde auch dadurch deutlich, dass bei der Demonstration Rauchtöpfe und Böller zum Einsatz kamen - und zwar so stark, dass die Polizei mit einem Abbruch der Veranstaltung drohte. Zuvor war nach der erfolglosen vierten Verhandlungsrunde das Bürogebäude der BLG Logistics Group AG & Co KG in Bremen beschädigt worden.
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