Hamburg. “Verbrechen darf sich nicht mehr lohnen“: Warum bislang aber erst vier Millionen Euro endgültig in die Staatskasse geflossen sind.

Als vor fünf Jahren die Möglichkeiten zur Abschöpfung von aus Straftaten erlangten Vermögen per Bundesgesetz erheblich ausgeweitet wurden, waren die Hoffnungen groß. „Verbrechen darf sich nicht mehr lohnen“, lautete das Motto. Unter anderem kann die Staatsanwaltschaft seitdem Vermögenswerte von Tatverdächtigen vorläufig sicherstellen, auch wenn das Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, und so verhindern, dass Geld zum Beispiel ins Ausland transferiert und dem Zugriff der Justiz entzogen wird.

„Die Staatsanwaltschaft verhindert effektiv, dass illegal erworbene Vermögenswerte auf Nimmerwiedersehen in dunkle Kanäle verschwinden“, sagte der damalige Justizsenator Till Steffen (Grüne) in einer ersten Zwischenbilanz 2018. Jetzt zeigt die Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Richard Seelmaecker, dass die neuen Instrumente greifen, obwohl die Ermittlungen und Recherchen zumeist sehr komplex und zeitaufwendig sind.

Polizei Hamburg: 2,79 Millionen Euro in Staatskasse geflossen

Laut Senatsantwort wurden im vergangenen Jahr Vermögenswerte in Höhe von rund 40,5 Millionen Euro aufgrund gerichtlicher „Einziehungsentscheidungen“ vorläufig sichergestellt. Den weitaus größten Anteil machten die Beträge von mehr als 20.000 Euro aus: 37,2 Millionen Euro. Summen zwischen 5000 und 20.000 Euro schlugen mit 2,1 Millionen Euro zu Buche, kleinere Beträge zwischen 150 und 5000 Euro mit knapp 1,1 Millionen Euro. Die Einziehung von wertvollen Gegenständen (Autos, Uhren etc.) fiel dagegen mit 115.000 Euro eher bescheiden aus.

Dass es von der vorläufigen Sicherstellung von Vermögen aus Straftaten bis zur endgültigen Abschöpfung ein weiter Weg ist, zeigt diese Zahl: Laut Senatsantwort auf die Kleine Anfrage sind von den sichergestellten 40,5 Millionen Euro bislang lediglich 2,79 Millionen Euro endgültig in die Staatskasse geflossen. 193 Einzelbeträge in Höhe von 20.000 Euro und mehr wurden vorläufig eingezogen, aber nur 13 sind bislang endgültig vollstreckt.

EncroCha­t-Verfahren werden gesondert erfasst

Auch abhängig von Ermittlungserfolgen schwanken die jährlich sichergestellten Beträge zum Teil beträchtlich. So meldet der Senat für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 5. Mai 2022 Entscheidungen zur Einziehung von Vermögen im Umfang von „nur“ gut zehn Millionen Euro. Dabei machen wiederum die großen Beträge oberhalb von 20.000 Euro mit insgesamt knapp 9,8 Millionen Euro den Löwenanteil aus. Bislang sind in diesem Zeitraum 1,1 Millionen Euro der Staatskasse endgültig zugeführt worden. Allerdings: Vor der Gesetzesänderung konnte im Schnitt lediglich eine Million Euro pro Jahr vorläufig sichergestellt werden.

Gesondert erfasst werden die Einziehungsentscheidungen bei Strafverfahren, in denen Erkenntnisse aus Kryptohandys vorlagen, wie zum Beispiel bei den EncroCha­t-Verfahren. Insgesamt wurden 7,2 Millionen Euro in den gegen 420 Beschuldigte eingeleiteten Ermittlungsverfahren sichergestellt, wobei die Gerichte Einziehungsentscheidungen in Höhe von rund 30 Millionen Euro getroffen hatten.

"In einem dritten Verfahren wurden 19,1 Bitcoin eingezogen"

Seelmaecker hat auch danach gefragt, inwieweit Kryptowährungen selbst beschlagnahmt oder eingezogen wurden. Laut Senat wird die Verwertung von Kryptowährungen statistisch nicht erfasst. Bei der zuständigen Staatsanwaltschaft seien seit 2020 drei Verfahren in Erinnerung, in denen eine Einziehung von Bitcoin erfolgt sei. „In einem Verfahren konnte ein vierstelliger, in einem anderen ein dreistelliger Erlös erzielt werden. In einem dritten Verfahren wurden 19,1 Bitcoin eingezogen, deren Verwertung mehr als 800.000 Euro erbracht hat“, schreibt der Senat.

Der Senat verspricht sich weitere Erfolge bei der Einziehung von Vermögenswerten aus Straftaten aus einer Umstrukturierung innerhalb der Staatsanwaltschaft. Aus der bisherigen Abteilung 53 (Finanzermittlungen und Vermögensabschöpfung) sei seit Jahresbeginn eine neu gegründete eigene Vollstreckungsabteilung (Abteilung 58) ausgegliedert worden.

"Vollstreckung zieht sich regelmäßig über Jahre hin"

„Durch die Spezialisierung von Rechtspflegern und Rechtspflegerinnen und der Zuständigkeit für Verfahren mit einem Einziehungswert von mehr als 5000 Euro soll – in Zusammenarbeit mit den Vermögensabschöpfungseinheiten des Landeskriminalamtes, des Hauptzollamtes, des Finanzamtes für Prüfungsdienste und Strafsachen sowie der Bundespolizei – eine vertiefte Bearbeitung dieser Fälle und damit die erfolgreiche Betreibung der Einziehungsbeträge bis zum Eintritt der Vollstreckungsverjährung realisiert werden“, heißt es in der Senatsantwort.

Die Vollstreckungsabteilung hat weitreichende Befugnisse. Neben der Ermittlung von Autos und Grundeigentum – „auch unter Nutzung der öffentlich zugänglichen Bereiche des Internets“, wie der Senat schreibt – geht es um Ermittlung und Auswertung von Konten, die Beantragung von Durchsuchungsbeschlüssen und die Begleitung der Maßnahmen sowie um Vermögensfahndungen und Rechtshilfeersuchen weltweit. „Die Vollstreckung zieht sich hierbei regelmäßig über viele Jahre hin, zeitigt aber Erfolge“, schreibt der Senat vorsichtig.

Polizei Hamburg: Fokus auch auf Kryptowährungen

„Nicht nur die EncroChat-Verfahren zeigen es deutlich: Wir müssen bei Verbrechern konsequent das Vermögen abschöpfen, damit Kriminelle fühlen, dass sich ,Verbrechen nicht lohnt’“, sagt CDU-Justizpolitiker Seelmaecker. „Wir müssen die Mitarbeiter des Landeskriminalamts, der Staatsanwaltschaft und des Zolls unterstützen und dafür sorgen, dass ihnen genügend Zeit bleibt, Vermögenswerte durch aktives Recherchieren aufzuspüren.“ Besonderes Augenmerk müsse dabei auf die Kryptowährungen gelegt werden.

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„Meistens ist das Aufspüren gerade in diesem Bereich problematisch, da die sogenannten Wallets (wörtlich Brieftaschen, private Schlüssel für den Zugriff auf das Kryptovermögen, die Red.) oft bei ausländischen Anbietern eingerichtet werden, was den Zugriff erschwert. Umso wichtiger ist hier der Blick über den Tellerrand und der Austausch auf Bundes- und internationaler Ebene“, sagt Seelmaecker.