Hamburg. Eine von 7100 Hamburgern unterstützte Online-Petition wehrt sich gegen ein Wohnquartier im Landschaftsschutzgebiet Diekmoor.
Sie kämpfen nicht nur um Hunderte Kleingärten, in denen Blumen, Gemüse und Obstgehölze gedeihen – und in denen viele Menschen seit Jahrzehnten Ruhe und Erholung finden.
Der Initiative „Rettet das Diekmoor“, die ein geplantes Quartier mit 700 Wohnungen auf dem 65 Hektar großen Landschaftsschutzgebiet verhindern will, geht es um viel mehr. Um ein gesundes Stadtklima, für das Gebiete wie das Diekmoor wichtig sind. Darum, Lebensraum für Flora und Fauna zu erhalten – insbesondere für die Tiere, die durch die neuen Wohnquartiere in der Nähe verdrängt wurden oder vor der steigenden Zahl der Spaziergänger im Raakmoor hierher flohen. Und sie will es nicht hinnehmen, dass gerade ein grüner Bezirksamtsleiter gerade in einem solchen Fall die Bürgerbeteiligung aushebelt, indem er den Senat um Evokation bittet.
Das Diekmoor gilt als attraktives Naherholungsgebiet
Nur fünf Prozent der Mitglieder sind betroffene Kleingärtner, hat vor Kurzem eine interne Befragung ergeben. Der Rest nutzt das Diekmoor als Naherholungsgebiet zum Spazierengehen oder Radfahren. Mittlerweile hat die Initiative, die sich unmittelbar nach Bekanntwerden der Bebauungspläne Anfang des Jahres gegründet und sich über die sozialen Medien, aber auch durch Flyer und Mundpropaganda schnell bekannt gemacht hat, Bündnispartner wie den Hamburger Landschafts- und Klimaverband oder das Nordnetz, ein Netzwerk von Bürgerinitiativen aus dem Hamburger Norden.
„Viele Hamburger haben es satt“, so Heering. „Ich spreche mit Menschen aus der ganzen Stadt, und es ist überall dasselbe: Durch Bebauung und Nachverdichtung geht immer mehr Grün verloren. Es reicht jetzt einfach!“ Die Onlinepetition „Rettet das Diekmoor“ haben knapp 9000 Unterstützer unterzeichnet, 7100 davon kommen aus Hamburg.
Bürgerschaftsabgeordnete sollen Stellung nehmen
Weil der Senat, dem das Ergebnis mitgeteilt worden war, bislang nicht reagiert hat, wurden am 15. Juli sämtliche Bürgerschaftsabgeordnete angeschrieben und um Stellungnahme gebeten. Nur vier der 119 Parlamentarier haben geantwortet: Sandro Kappe von der CDU sowie die Linken-Politiker Stephan Jersch, Carola Ensslen und Insa Tietjen. Sie alle sprachen sich für einen Erhalt und gegen die Pläne des grünen Bezirksamtsleiters und der Stadt aus.
Die Initiative lässt sich nicht entmutigen. „Wir nehmen uns ein kleines gallisches Dorf zum Vorbild und werden keine Bebauung des Diekmoors zulassen“, hatte Initiativensprecher Michael Heering bei einer Kundgebung Ende Mai vor dem Rathaus gesagt. Man wäre zwar nicht im Besitz von Zaubertränken, könne aber viel Ärger bereiten. „Wir werden präsent sein, auf allen Kanälen. Und an das letzte bisschen Vernunft der roten und grünen Politiker appellieren.“ Und die Initiative ist präsent. Der NDR, Hamburg 1, „Hinz & Kunzt“ und Tageszeitungen waren schon da, sogar das niederländische Fernsehen plant einen Beitrag.
Kleingarten im Diekmoor: Paradies für Bienen und Schmetterlinge
Das Gelände mit den blühenden Kleingärten, der malerischen Pferdekoppel, dem Bornbach und dessen schilfgesäumtem Rückhaltebecken bildet für die Beiträge eine malerische Kulisse. Die mal naturnah, mal akkurat angelegten Gärten entsprechen mit rund 500 Quadratmetern dem Standard, der üblich war, bevor Hamburg viele Kleingärtner wegen des geplanten Wohnungsbaus in andere Schrebergartengebiete umsiedelte und dort durch Nachverdichtung Platz geschaffen werden musste. Im Garten von Gabriele Wittmann wachsen Johanniskraut, Lilien, wilder Majoran, Sonnenhut, Malven und Montbretien bunt und ungebändigt durcheinander – ein Paradies für Bienen und Schmetterlinge. Er liegt im Kleingartengebiet Diekmoor II, dessen 135 Parzellen komplett aufgelöst werden sollen.
Wenn die Redakteurin daran denkt, wird sie wütend. „Dieser Garten hier ist – wie alle anderen ringsherum auch – ein seit Jahrzehnten gewachsenes Stück intakte Natur. Uns in ein anderes Kleingartengebiet umzusiedeln bedeutet, dass dort neu parzelliert und erst einmal alles plattgemacht werden muss. Und dann dauert es Jahre, bis die Gärten wieder ihren vollen Beitrag zum Ökosystem leisten können.“ Abgesehen davon, dass die Grundstücke dann nur noch maximal 325 Quadratmeter groß wären – und wegen der vorgeschriebenen Hütte viel zu wenig Platz für gesunde Natur bleibe.
Ausgleichsflächen in Schleswig-Holstein
Bernd Hohmuth, Vorsitzender von Diekmoor II, ist nicht Mitglied der Initiative, aber in engem Austausch mit ihr. „Mir als Vorsitzendem geht es um den Erhalt der Kleingärten, der Initiative um das große Ganze“, sagt er. Heute berichtet er Gabriele Wittmann und Günther Bassel, einem in der Initiative engagierten Anwohner, von einem Gespräch, das er vor Kurzem mit Bezirksamtsleiter Michael Werner-Boelz gehabt habe. Als dieser von Streuobstwiesen in Schleswig-Holstein als Ausgleich für die zerstörte Natur im Diekmoor erzählt habe, sei ihm der Kragen geplatzt, so Hohmuth. „Das ist doch Humbug!“
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Der Bezirksamtsleiter ist hier für viele zum Feindbild geworden. Bassel legt zwei frisch gedruckte Plakate auf den Tisch, die demnächst im Stadtteil zu sehen sein werden. „Wer laue Luft sät, wird Sturm ernten“ steht unter einem Bild, das den Bezirksamtsleiter auf einem Schiff in hohen Wellen zeigt. Es nimmt Bezug auf ein Interview mit dem Bezirksamtsleiter, in dem er die Initiative mit einem „lauen Lüftchen“ verglichen hat.
"Empört darüber, wie hier Politik gemacht wird"
Sozialwissenschaftler Bassel wäre von dem Neubaugebiet weder durch Baulärm noch eine mögliche Verschattung betroffen. „Ich engagiere mich in der Initiative, weil ich empört darüber bin, wie hier Politik gemacht wird“, sagt der Langenhorner. „Und dass das Projekt von einem grünen Bezirksamtsleiter in Gang gebracht wird, der sich damit gegen das stellt, was zum Naturschutz im Wahlprogramm steht.“ Er hat die entsprechenden Passagen ausgedruckt.
„Die Bewahrung und Steigerung der ökologischen Qualität unserer Natur- und Grünflächen“ sei „ein weiterer wichtiger Baustein für die Bewahrung von Lebensqualität und ökologischer Vielfalt“, steht da. Oder: „Das grüne Netz aus Natur und Landschaftsschutzgebieten (...) bindet Kohlendioxid und sorgt für Sauerstoff, Kühlung und Wasseraufnahme, hat einen hohen Erholungswert sowie eine entscheidende Bedeutung als Lebensraum für eine breite Artenvielfalt.“
An den Bebauungsplänen festzuhalten sei „rückwärtsgewandt“, finden Wittmann, Hohmuth und Bassel. Vor allem vor dem Hintergrund, dass immer mehr Menschen aufs Land ziehen wollten und es viele leer stehende Büros gebe, die zu Wohnraum umgewandelt werden könnten. Besonders aber angesichts der zunehmenden Unwetterkatastrophen, die der Klimawandel bedinge. Das Diekmoor könnte einen kleinen, aber wichtigen Beitrag leisten, um dem gegenzusteuern.