Hamburg. Drogensüchtiger Angeklagter riss Hamburger Seniorinnen brutal Ketten vom Hals. Er bittet um Verzeihung – vergeblich. Die Hintergründe.
Marianne F. mag gar nicht richtig hinsehen. „Das schüttelt mich jetzt. Sie glauben nicht, wie mir zumute ist“, sagt die 82-Jährige. Die Rentnerin hat Angst — Angst, weil sie wieder jenem Mann begegnet, der sie überfallen hat. Und der damit die Verantwortung dafür trägt, dass die Hamburgerin Albträume hat und verunsichert ist.
Im Verhandlungssaal des Landgerichts sitzt die Frau nur wenige Meter von jenem 34-Jährigen entfernt, der gerade gestanden hat, sie beraubt zu haben. Auch zwei weitere ähnliche Verbrechen hat Sergej H. im Prozess, in dem er wegen Raubes und Körperverletzung angeklagt ist, eingeräumt.
Prozess Hamburg: Täter würgte zwei Seniorinnen
Die Anklage wirft dem Hamburger insgesamt fünf Taten vor. Demnach hat er sich im August und September dieses Jahres jeweils Seniorinnen als Opfer ausgeguckt. Dabei, so die Staatsanwaltschaft, habe er ihnen den Schmuck vom Hals gerissen, zwei der Frauen zudem gewürgt und ihnen Schmerzen zugefügt.
Zwei der Taten habe er nicht begangen, wehrt der Angeklagte ab, doch drei der Überfälle tatsächlich begangen. Es tue ihm leid, dass er insbesondere ältere Personen in Mitleidenschaft gezogen hat, sagt Sergej H. „Ich war drogenabhängig.“ Weil er Entzugserscheinungen gehabt habe, habe er dringend Beute machen wollen, den geraubten Goldschmuck dann verkauft und sich sofort Heroin besorgt. Nun wolle er ernsthaft von den Drogen wegkommen. „Ich will mich ändern.“
„Es geht mir seit dem Überfall nicht gut“
Das ist nach Überzeugung von Marianne F. auch bitter nötig. Als die 82-Jährige am 27. September in ihrem Wohnhaus in den Fahrstuhl stieg und ein jüngerer Mann hinzutrat, habe sie noch nicht geahnt, was ihr bevorsteht, erzählt die Seniorin als Zeugin. Doch der Mann habe sie angegriffen und ihr mit der einen Hand das Kinn hochgehalten. „Ich dachte, er wollte mich würgen. Dann habe der Täter ihr die Kette entrissen. „Es geht mir seit dem Überfall nicht gut“, erzählt sie. Eine Entschuldigung des Angeklagten wolle sie nicht annehmen. „Wer so bescheuert ist und Drogen nimmt, der soll nicht hinterher ankommen und sich entschuldigen wollen.“
Auch Edith M. hat den Tag, an dem sie Opfer wurde, noch nicht verwunden. „Dieser Mensch weiß gar nicht, was er einem antut“, sagt die 88-Jährige über die Tat vom 16. September, als Sergej H. sie ebenfalls in einem Fahrstuhl beraubte. Sie war mit ihrem Rollator unterwegs zum Arzt. „Da steht plötzlich diese Gestalt vor mir. Es macht ratsch, und er reißt mir die Kette vom Hals“, erinnert sich die Seniorin. „Das ist ein Sargnagel. Ein Mensch, der einen begrapscht und gezielt an den Hals greift … Das verarbeitet man ganz schwer.“ Seitdem fühle sie sich unsicher, erzählt die Hamburgerin.
Prozess in Hamburg wird fortgesetzt
Auch bei der 88-Jährigen möchte der Angeklagte sich entschuldigen. „Tun Sie so was nie wieder“, gibt Edith M. dem Mann mit auf den Weg. „Sie glauben nicht, was Sie den Menschen antun. Geben Sie sich Mühe, gehen Sie arbeiten.“ Der Prozess wird fortgesetzt.