Es zählt zu den ungeschriebenen Gesetzen der parlamentarischen Demokratie, dass die Verfassung nur selten und gut begründet angetastet werden darf. Völlig zu recht: In den Paragrafen der Verfassung, auch der Hamburgischen, ist der überparteiliche Grundkonsens der Demokraten verankert. Deswegen ist es schon prinzipiell verstörend, dass SPD und Grüne in der Bürgerschaft die Verfassung im Hauruck-Verfahren ändern wollen, um das plebiszitäre Instrument eines Referendums einzuführen, also die verbindliche Befragung des Volkes „von oben“.

Nun geht es ja in Wahrheit vor allem und in erster Linie um die Volksabstimmung über die Olympia-Bewerbung. Und der immense Zeitdruck für den Gesetzgeber entsteht einfach dadurch, dass Hamburg nur noch wenige Monate bis zur offiziellen Abgabe der Bewerbung beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) bleiben. Ein klares Ja der Bevölkerung zu dem sportlichen Weltereignis ist aber Voraussetzung für eine Bewerbung.

Schon Ende Mai muss die Bürgerschaft die Verfassung geändert haben, damit dann die Vorbereitungen für das Olympia-Referendum anlaufen können, das wohl Anfang November abgehalten wird. Ausgesprochen ärgerlich ist es, dass dieser Zeitdruck ohne Not entstanden ist. Denn seit mindestens einem Jahr ist klar, dass die Hamburger das letzte Wort über Olympia an Alster und Elbe haben werden. Eine solche Befragung „von oben“ ist bislang in Hamburg – wie in allen anderen Bundesländern auch – nicht vorgesehen. Aber es hätte Zeit genug gegeben, das verfassungspolitische Neuland in der vergangenen Legislaturperiode zu erörtern und darüber zu entscheiden. Geschehen ist fast nichts, und das ist der damals noch allein regierenden SPD anzulasten. Die Sozialdemokraten waren (sind?) sich nicht einig in der Referendums-Frage und warteten ab.

Schuldhaftes Verzögern würden Juristen wohl dazu sagen. Manchem SPDler wäre ein Aus aller Olympia-Träume wohl unter dem einen Aspekt recht gewesen, dann um eine weitere Ausweitung der in Hamburg ohnehin schon gut entwickelten direkten Demokratie herumzukommen.

Es ist bekanntlich anders gekommen. Hamburg hat die große Chance, Olympische Spiele auszurichten, aber nun muss alles sehr schnell gehen. In dieser Situation scheint es klug zu sein, die generelle Einführung von Referenden nicht übers Knie zu brechen. Es gibt zu viele offene Fragen von allerdings grundsätzlichem Charakter: Sollen, ja müssen bestimmte Themen von Referenden ausgeschlossen werden? Muss es eine Mindestzahl von Teilnehmern an der Abstimmung oder eine Mindestzahl von Zustimmenden geben, so wie das bei Volksentscheiden ja auch der Fall ist? Und vor allem: Was bedeuten solche Referenden für das Gleichgewicht der Kräfte in der parlamentarischen Demokratie? Würde die Bürgerschaft dadurch zuviel Macht verlieren?

Angesichts der schließlich nicht unbedeutenden Risiken waren zumindest die geladenen Sachverständigen im Verfassungsausschuss der Bürgerschaft am gestrigen Mittwochabend der Meinung, nur ein einmaliges Referendum über die Olympia-Bewerbung wäre besser. Das könnte ein vernünftiger Weg sein, für den es übrigens schon einen Vorläufer gab: Ende der 50er- Jahre sah die Hamburgische Verfassung eine Volksabstimmung nur über die Frage atomarer Bewaffnung vor. Dazu ist es allerdings nie gekommen.

Zweierlei muss im Fall einer Lex Olympia gesichert sein: Die Entscheidung des Volkes muss verbindlich sein. Und: Es muss ausgeschlossen sein, dass nach einem Ja der Hamburger zu Olympia eine Volksinitiative gegen die Spiele gestartet werden kann.