Hamburg. Widerstand gegen die Sparpläne des Gesundheitsministers: Mediziner warnen unter anderem vor längeren Wartezeiten.
Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Hamburg sind in Wallung wie lange nicht mehr. Auch sie spüren Preissteigerungen bei Mieten und Energiekosten für ihre Praxen, können ihre Preise für medizinische Leistungen aber nicht erhöhen. Hinzu kommt: Ein Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu Milliardeneinsparungen für die finanzschwachen Krankenkassen sieht vor, dass den Praxisärzten der gerade erst eingeführte Bonus für Neupatienten wieder gestrichen wird. In einigen Hamburger Praxen herrscht bereits ein Aufnahmestopp.
Patienten, die auf Termine warten, werden zunehmend sauer. „Wartezeiten bei Haus- und Fachärzten von mehreren Monaten werden das neue Normal“, befürchtet Dr. Dirk Heinrich, HNO-Arzt aus Horn. Mehr als 400 Mails hat er als Vorsitzender des Virchowbundes bislang erhalten, darunter Ankündigungen von Wartelisten, Aufnahmestopp und sogar vorgezogenem Ruhestand von Ärzten aus ganz Deutschland. Heinrich sagte dem Abendblatt: „Die Frustration und die Wut sind echt. Lauterbach begreift gar nicht, was er da losgetreten hat.“
Einsparungen: Viele Praxen nehmen keine Patienten auf
Der Orthopäde und Ärztliche Geschäftsführer der Facharztklinik, Dr. Torsten Hemker, sagt: „Die Regelung für Neupatienten wurde auch eingeführt, damit Kassenpatienten schneller Termine erhalten, die sie benötigen. Die Ärzte wurden verpflichtet, an 25 statt 20 Stunden pro Woche Sprechstunden anzubieten. Viele Praxen werden jetzt keine neuen Patienten mehr aufnehmen.“
Das trifft Hamburgs medizinische Versorgung im Kern. Viele Ärzte sind an der Grenze zum Ruhestand – und überall in der Stadt gibt es Neubaugebiete mit Tausenden Zugezogenen, die Haus- und Fachärzte brauchen. Hemker: „Wenn wir jetzt die extrabudgetären Honorare gestrichen bekommen, deutlich weniger verdienen, aber denselben Aufwand haben, dann kann ich meine 25 Stunden auf drei Tage die Woche verteilen und an zwei Tagen nur noch Privatsprechstunden anbieten. Dann hat Herr Lauterbach genau die Zweiklassenmedizin, vor der er immer gewarnt hat.“
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) erklärte dem Abendblatt in einer Stellungnahme: "Mit der vollständigen Bezahlung der Neupatienten war eine Ausweitung der Sprechzeiten um Prozent vermacht. Die Praxen konnten investieren, passten die Praxisorganisation und ihre Arbeitsabläufe an und stellten Personal ein. Die Kopplung der Vergütung an die erweiterten Sprechzeiten soll nun einseitig zu Lasten der Praxen aufgekündigt werden. Politische Verlässlichkeit sieht anders aus."
Einsparungen: Krankenkassen sollen Kosten drosseln
Hamburgs Ärztekammerpräsident Dr. Pedram Emami forderte die Krankenkassen auf, ihre Kosten für Verwaltung und „Überwachung“ zu drosseln. „Da sind in den vergangenen Jahren Einrichtungen und Institute entstanden und ausgebaut worden, deren Nutzen fragwürdig ist, die aber viel Geld kosten.“
Die KV Hamburg glaubt, dass man die nötigen Einsparungen anders bewältigen könnte: "Es ist höchste Zeit, dass der Staat selbst für die ALG-II-Empfänger und die Geflüchteten einen Deckungsbeitrag in die gesetzliche Krankenversicherung einzahlt, der den tatsächlichen Kosten für diese Gruppen entspricht. Damit wären schon rund 12 der von Prof. Lauterbach genannten 17 Milliarden ausgeglichen.