Hamburg. Ab welchem Alter dürfen Kinder in die Sonne und was hilft wirklich gegen Sonnenbrand? Dermatologe Volker Steinkraus klärt auf.
Creme? Bäääähhh! So jedenfalls die Reaktion meiner Kinder, wenn ich mit dem leidigen Thema Sonnencreme anrücke. Pumpsprühflaschen oder Sonnensprays in Deoform werden schon eher akzeptiert, aber ehrlich gesagt fremdeln meine Kleinen doch eher noch heftig mit dem Thema Sonnenschutz. Und mit Hautpflege sowieso. Deshalb: Muss es wirklich sein? Eincremen vor jedem Sonnenstrahl – auch hier im Norden?
„Unbedingt!“, sagt Prof. Dr. Volker Steinkraus, Hautarzt und Chef des Dermatologikums am Stephansplatz und Vater von fünf Kindern. „Die Sonnenschutzmittel, die aufgetragen werden, halten für mehrere Stunden, mindestens einen halben Tag, wenn nicht geschwitzt wird oder die Kinder ins Wasser gehen.“
Familien-Podcast: Soll man Kinder vor jedem Sonnenstrahl eincremen?
Also auch schon morgens an sonnigen Tagen vor der Kita oder Schule eincremen, der Schutz bleibt bestehen. Aber wie viel ist nötig? „Bei einem 70 Kilo schweren Erwachsenen sind das 40 Gramm fürs Gesicht, eine etwa haselnussgroße Menge“, sagt Professor Steinkraus. Für Kinder entsprechend weniger, eine Heidelbeere könnte der Orientierung dienen.
Sicherer Sonnenschutz durch langärmelige Kleidung
Neugeborene und Kleinstkinder dürfen gar nicht in die Sonne, aber ab dem sechsten Monat habe sich die kindliche Haut so weit selbst stabilisiert, dass im Sommer draußen im Schatten ein Aufenthalt möglich ist. „Ich möchte hier betonen, dass der textile Sonnenschutz der beste ist. Dann empfehlen wir Sonnenschutz mit mineralischen oder physikalischen Filtern, die die Sonnenstrahlen reflektieren.“ Das sind die Cremes mit Zinkoxid oder Titandioxid, die Partikel enthalten, die weißeln.
Grundsätzlich richte sich der Lichtschutzfaktor dabei nach dem Hauttyp, nach der Zeit, die man in der Sonne bleiben möchte, nach der Tageszeit und nach der Höhe über dem Meeresspiegel. Zu bedenken sei auch, ob reflektierende Gegenstände in der Nähe sind. „Sie können davon ausgehen, dass man mindestens einen Lichtschutzfaktor von 30 richtig auftragen sollte, dann ist man geblockt,“ sagt Professor Steinkraus.
"Wasserfest" heißt nicht gleich wasserfest
Die beste Zeit, sich einzucremen, sei 30 Minuten vor dem Sonnengang. Bei Kindern, gerade bei solchen mit heller Haut und blonden oder roten Haaren, sei der textile Sonnenschutz in Kombination mit Sonnencreme unverzichtbar. Es müssen aber nicht unbedingt spezielle UV-Shirts sein – leichte langärmelige Oberteile und Hosen reichten aus.
Dem Zusatz „wasserfest“ traut der Dermatologe übrigens nicht so recht: „Aus meiner Sicht ist das nicht gewährleistet. Man sollte die Kinder nach Wasserkontakt erneut eincremen, das ist wahnsinnig wichtig.“ Und bitte den Kopf nicht vergessen, denn auch mit feinem Kinderhaar droht Sonnenbrand. „Ich finde Käppi und Sonnenhut gepaart mit dem gesunden Menschenverstand einfach wichtig“, sagt Steinkraus. Und Mittagshitze sei natürlich zu meiden.
Kinder können auch Eigenschutz aufbauen
Und ja, auch Kinderhaut kann einen Eigenschutz aufbauen – etwa bei kurzen Sonnengängen in den Garten. Durch die UVB-Strahlen entsteht eine unsichtbare leichte Verdickung der Hornhaut. „Deshalb sei die Haut im Spätsommer viel weniger lichtempfindlich als im Frühjahr, wenn man sonnenentwöhnt aus dem Winter komme.
Welche UV-Strahlen warum wie wirken, erklärt Steinkraus ausführlich im Abendblatt-Podcast. Es geht um die Zerstörung von Bindegewebe und Hautkrebs, um die Hautalterung und den berüchtigten „Brathähncheneffekt“ wegen häufiger Solariumbesuche und darum, weshalb viele englische Taxifahrer auf ihrer rechten Wange sichtbare Zeichen der genossenen UVA-Strahlung haben.
Nur ein einziges Mittel hilft bei Sonnenbrand
Wenn es doch einmal passiert und die Haut verbrennt, gibt es nur eine vernünftige Reaktion: raus aus der Sonne, sofort, und ein nasses Handtuch auf die Haut legen. Kühlung sei bei Sonnenbrand extrem wichtig, so Steinkraus. Ein Sonnenbrand sei eine starke Entzündung der Haut. Schon eine Rötung müsse man ernstnehmen. Dennoch möchte der Hautspezialist nichts dramatisieren. Die Menschen sollten lediglich sensibilisiert sein für die Risiken des Sonnenlichts – aber auch von seinen vorteilhaften Folgen wissen.
Zum Letzteren gehört unter anderem die Vitamin-D-Produktion. Hierfür genüge schon der Aufenthalt unter bewölktem Himmel unter Einfluss der UVB-Strahlen. Da bei Kindern der Vitamin-D-Spiegel nicht regelmäßig bestimmt werde, sollte man darauf achten, mit den Kindern genügend Zeit im Freien zu verbringen. Also immer raus in den Park oder auf den Spielplatz. Was Sommersprossen und Muttermal mit der Sonne zu tun haben und ob diese Hautauffälligkeiten miteinander zusammenhängen, erklärt der Experte ebenfalls in der aktuellen Podcast-Folge.
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Und auch dies sollten Eltern wissen: Die Kleinen brauchen keine regelmäßige Hautpflege. „Aus meiner Sicht werden Kinder zu viel eingecremt. Gesunde kindliche Haut braucht relativ wenig Zuwendung“, sagt der Professor. Die Vielzahl an Babypflegeprodukten in Drogerien suggeriere Eltern eine Notwendigkeit. „Das ist Marketing“, so Steinkraus, selbst übrigens Erfinder einer eigenen Hautpflegelinie mit dem Namen TedCode4. Der Fokus liegt hierbei auf einer hochwirksamen dermatologischen Formel, die minimalistisch reine Wirkstoffe mit seiner wissenschaftlichen Expertise paart.
Und wann sollte man nun cremen? Moderat könnte man mit beginnender Pubertät – heute manchmal schon bei Mädchen und Jungen im Alter ab neun Jahren – mit Peelings und gezielter Reinigung Hautunreinheiten gegensteuern. Grundsätzlich gelte: Nicht zu viel auftragen, sondern das Richtige. „Der Hauttyp ist so individuell wie der Fingerabdruck, und auch innerhalb des Gesichts kann der Hauttyp wechseln“, sagt Steinkraus. Um die richtige Pflege zu finden, empfiehlt der Fachmann den einmaligen Besuch bei einem Dermatologen oder einer Kosmetikerin.