Hamburg. Professor Gero Puhl ist spezialisiert auf Magen- und Speiseröhrenkrebs. Beide Arten machen oft erst sehr spät Beschwerden.

Beschwerden beim Schlucken, Völlegefühl, der Eindruck, dass „das Essen nicht mehr rutscht“, ungewollter Gewichtsverlust und Reflux, also der unangenehme Rückfluss von Magensäure hoch in die Speiseröhre, sind Alarmsignale – wenn auch erst einmal „unspezifische“, wie Mediziner sagen.

Das heißt: Sie sind nicht eindeutig einer bestimmten Erkrankung zuzuordnen. „Ein Termin beim Arzt und eine Magenspiegelung sind da aber dringend angeraten“, sagt Professor Dr. Gero Puhl. Denn es könnten Symptome sein, die auf Speiseröhren- (seltener) oder Magenkrebs (häufiger) deuten.

Bauchspezialist kam von der Charité als Chef nach Altona

„Beide Erkrankungen werden leider oft erst spät erkannt, verursachen meist erst spät Symptome. Im Fall des Magens ist das leicht zu erklären: Das ist ein extrem dehnbares Speicherorgan. Bis das Pro­bleme macht, kann der Krebs fortgeschritten sein“, sagt der Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Asklepios Klinik Altona in einer neuen Podcast-Folge der „Digitalen Sprechstunde“.

Insbesondere Speiseröhrenkrebs, das sogenannte Ösophaguskarzinom, sollte unbedingt in einer Klinik mit einem entsprechendem Zentrum behandelt werden, sagt der habilitierte Spezialist, der auf eine jahrelange Erfahrung als onkologischer Viszeralchirurg an der Berliner Charité zurückblickt, dort in unzähligen Operationen Krebstumoren aus dem Magen-Darm-Trakt und der Speiseröhre entfernt hat.

Zwei Risikogruppen

 „Dieser Krebs wird am besten multidisziplinär therapiert. Das heißt, es braucht einen guten Gastroenterologen, einen guten Chirurgen und einen guten Onkologen“, so der Chefarzt aus Altona. Dort behandelt er mit den Kollegen der anderen Disziplinen jedes Jahr 50 bis 80 Patienten, die an Speiseröhrenkrebs erkrankt sind.

Grundsätzlich unterscheide man die Betroffenen in zwei Risikogruppen: Zum einen gebe es jene Patienten, oft Raucher, bei denen sich der Tumor eher im oberen Bereich der Speiseröhre befinde. Zum anderen gebe es die Patienten, oft an Reflux erkrankt und mitunter leicht übergewichtig, bei denen sich ein sogenanntes Adenokarzinom gebildet habe.

Jeweilige Therapie hängt stark vom Stadium der Erkrankung ab

„Das heißt, die Magenschleimhaut ist in die Speiseröhre hineingewuchert und dort entartet.“ Die jeweilige Therapie hänge stark vom Stadium der Erkrankung ab, also vom „Staging“, wie Ärzte es nennen. „Wir unterscheiden zwischen einem Frühkarzinom, das gut endoskopisch therapiert werden kann, Tumoren, die bereits die Lymphknoten befallen haben, und dem fortgeschrittenen Krebs, der womöglich auch schon in andere Organe wie Leber und Lunge gestreut hat.“

Vor allem für Patienten der mittleren Kategorie empfehle sich eine Vorbehandlung aus einer Chemotherapie oder einer Kombination aus Bestrahlung/Chemo mit dem Ziel, daran eine OP anzuschließen. Dieses Vorgehen schließe in Einzelfällen auch Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung ein. „Viele Patienten wünschen sich sofort den Eingriff, aber Studien zeigen, dass eine Vorbehandlung die Prognose auf Heilung um mehr als zehn Prozent erhöht.“

Ersatz für entfernten Teil der Speiseröhre aus dem Magen

Wenn ein Teil der Speiseröhre entfernt werden müsse – und das seien nicht selten bis zu zwei Drittel –, dann stelle sich natürlich die Frage nach dem Ersatz. „Denn selbstverständlich sollen die Patienten wieder normal essen können“, sagt der verheiratete Vater von drei Töchtern, der unter der Woche an der Elbe arbeitet und an jedem zweiten Wochenende zur Familie an die Spree pendelt.

Ersatz kommt aus dem Magen. „Dieser sogenannte Zwei-Höhlen-Eingriff, der also im Bauchraum und im Brustraum stattfinden muss, ist eine der aufwendigsten Operationen der Bauchchirurgie, er dauert bis zu sieben Stunden.“ In Altona setzt man dabei, wie in mittlerweile immer mehr Kliniken, auf ein minimalinvasives (kein Bauch- und Brustkorbschnitt!) Verfahren mithilfe eines OP-Roboters.

Es werde immer angestrebt, einen Teil des Magens zu erhalten

„Man kann es aber nicht oft genug betonen: Natürlich operiert der Arzt! Der Roboter ist im Prinzip wie ein Bagger, ein Werkzeug, das die Bewegungen des Operateurs ausführt.“ Überhaupt habe sich in den vergangenen Jahren technisch viel getan in der Medizin, so der Chefarzt, der gern mit dem Fahrrad zur Klinik fährt. Beispielhaft führt er die ICG-Fluoresenz-Angiographie an, die er in Altona schon sehr früh eingesetzt habe. „Durch den Farbstoff können wir während der OP die Durchblutung des Gewebes kon­trollieren – und zwar so fein, wie es mit dem bloßen Auge nicht möglich wäre.“

Bei Magenkrebs gebe es neben einer bisher zu wenig erforschten genetischen Komponente „die üblichen Verdächtigen“ wie Zigaretten und Alkohol, die das Risiko erhöhten. „Ungewollter Gewichtsverlust, Fieber-Nachtschweiß, Übelkeit – wer daran leidet, sollte das zeitnah abklären lassen.“ Es werde immer angestrebt, einen Teil des Magens zu erhalten. Ob der Magen ganz entfernt werden müsse, hänge von Art und Lage des Tumors ab. Eine „Lieblings-OP“ hat der renommierte Chirurg übrigens nicht: „Der einzige Auslöser für Freude ist, wenn ich vom OP-Tisch abtrete und dann das Gefühl habe, wirklich alles, was geht, getan zu haben.“