Hamburg. Der Bund soll Arbeitnehmer vor psychischer Überlastung schützen. Senatorin stellt Antrag in Ministerkonferenz.


Hunderte E-Mails und WhatsApp-Nachrichten pro Tag, Anrufe auf Festnetz und Handy parallel und im Minutentakt, Telefon- und Videokonferenzen, mehr und engere Fristen – und all das bei ständiger Erreichbarkeit an Smartphone, Tablet oder Laptop: Der Stress des durchschnittlichen Büroarbeiters hat in den vergangenen Jahren rapide zugenommen. Das Dauerbombardement mit Informationen und Anforderungen macht dabei immer mehr Menschen krank. Deswegen will Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) nun einen weiteren Versuch starten, Arbeitnehmer besser vor gesundheitsschäd­lichem Dauerstress zu schützen.

Mit einem Antrag zur Konferenz der Arbeits- und Sozialminister Anfang Dezember in Münster will Prüfer-Storcks einen neuen Anlauf unternehmen, die Große Koalition in der Bundesregierung davon zu überzeugen, dass ein besserer gesetzlicher Schutz von Arbeitnehmern nötig ist. Bereits seit 2013 arbeitet die Gesundheitssenatorin an dem Thema. Im Bundesrat konnte sie sich damit zwar durchsetzen, die von SPD und Union geführte Bundesregierung aber ignorierte den Vorstoß. Das soll sich nun ändern.

„Dringender Handlungsbedarf“

„Nach wie vor besteht ein dringender Handlungsbedarf für den Arbeitsschutz, die gesundheitlichen Auswirkungen von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zu erheben und zu verringern oder zu vermeiden – durch die Digitalisierung und die erhöhte Flexibilisierung der Arbeitswelt heute mehr denn je“, sagte Prüfer-Storcks dem Abendblatt. „Beschäftigte müssen daher vor den gesundheit­lichen Folgen durch psychische Belastungen mehr geschützt werden. Daher setzt sich Hamburg für die Einführung konkreter Regelungen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ein und fordert die Bundesregierung zum Handeln auf.“

Die gesundheitlichen Folgen für die von psychischen Belastungen Betroffenen „als auch die hohen betriebs- wie volkswirtschaftlichen Kosten erfordern mehr denn je Anstrengungen aller Akteure“, heißt es in dem Hamburger Antrag, der dem Abendblatt vorliegt und dem sich bereits mehrere andere Bundesländer angeschlossen haben. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, einen Bericht zu den jüngsten Untersuchungen über die „psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“ vorzulegen. Auch soll die Bundesregierung mitteilen, wie sie mit dem Bundesratsbeschluss umzugehen gedenkt, mit dem bereits 2013 der Entwurf einer konkreten „Rechtsverordnung zum Schutz vor Gefährdungen durch psychische Belastungen bei der Arbeit“ vorgelegt wurde.

Monotone Arbeiten vermeiden

Mit dem mittlerweile mehr als fünf Jahre alten Beschluss sollten die Arbeitgeber verpflichtet werden, „eine Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten durch psychische Belastung bei der Arbeit zu vermeiden“ oder diese „so weit wie möglich zu verringern“. Dazu müssen sie „Gefährdungen durch Arbeitsaufgabe, Arbeitsmittel, Arbeitsorganisation, Arbeitsrhythmus, Arbeitsumgebungsbedingungen sowie durch soziale Bedingungen“ in einer eigenen Gefährdungsbeurteilung ermitteln.

Die psychischen Belastungen sollen nach dem Bundesratsentwurf etwa dadurch reduziert werden, dass Aufgaben klar definiert werden und Mitarbeitern nicht mehr Aufgaben übertragen werden, als mit den zur Verfügung stehenden Mitteln auch erfüllt werden können. Das Arbeitstempo dürfe nicht ungesund hoch sein, monotone Arbeiten sollten möglichst vermieden und die Zahl von Unterbrechungen deutlich reduziert werden. „Die Arbeitsumgebung haben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber so zu gestalten, dass psychische Belastung vermieden oder so weit wie möglich verringert wird“, so der Beschluss. Deutlich zu laute Großraumbüros könnten bald der Vergangenheit angehören, sollte sich die Bundesregierung diese Regelungen doch noch zu eigen machen.

Zunehmende Arbeitsverdichtung

Angesichts der durch die Digitalisierung ständig wachsenden Anforderungen dürfte der Druck auf die Große Koalition und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zunehmen, Arbeitnehmer besser zu schützen. „Steigender Termin- und Leistungsdruck, zunehmende Arbeitsverdichtung, wachsende Anforderungen an Flexibilität und Verfügbarkeit und deren Folgen für die psychische Gesundheit sind bereits 2012 im Stressreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) thematisiert worden“, heißt es in der Begründung des aktuellen Hamburger Antrags für die Arbeitsministerkonferenz im Dezember. Das Arbeitsministerium habe im „Weißbuch Arbeiten 4.0“ schon 2015 auf die „zunehmende Bedeutung psychischer Belastung in der Arbeitswelt“ hingewiesen und dies auch auf digitale Transformation zurückgeführt.

Dass das Thema psychische Belastung im Arbeitsschutz zu wenig Beachtung findet, zeigen aus Sicht des Senats auch Befragungen. Gerade einmal 22 Prozent von 6500 befragten Firmen hätten zuletzt beim Arbeitsschutz auch die psychische Belastung ihrer Mitarbeiter im Blick gehabt, heißt es in der Begründung des Hamburger Antrags zur Arbeitsministerkonferenz. Echte Verbesserungen für Arbeitnehmer könne es nur geben, wenn es endlich eine eigene Verordnung zum Thema gebe.