Flüssiges Silikon statt Perchlor. Hamburgs Obermeister Lars Reuter setzt als erster in Hamburg auf eine umweltschonende Reinigung von Textilien. Zahl der Betriebe in der Hansestadt wächst um 44 Prozent.
Hamburg. Der Andrang am Vormittag ist groß. Die automatische Eingangstür surrt unablässig auf und zu, auf und zu. Gleich neben dem Eingang steht die jüngste Investition von Lars Reuter in seiner Textilreinigungsfirma Hama die gute Reinigung in Heimfeld. Eine neue Reinigungsmaschine, die ohne gesundheitsgefährdende Lösemittel auskommt. Statt Perchlorethylen, auch als Perchlor bekannt, eine Verbindung aus Kohlenstoff und Chlor, oder Schwerbenzin reinigt Reuter jetzt mit flüssigem Silikon. Er ist der erste Betrieb in Hamburg, der diese Technologie einsetzt.
Reuter hofft, dass andere seinem Beispiel folgen werden, wie gerade eine Reinigung in Volksdorf. „Rund zwei Dutzend Kollegen waren schon hier und haben sich die neue Technik angesehen“, sagt der Obermeister. „Das Interesse ist groß, und man kann sich damit von den Wettbewerbern absetzen.“ Noch kann er seinen Betrieb die einzige, zertifizierte Textilreinigung ohne Lösemittel nennen.
Auch bei den Kunden hat sich das inzwischen herumgesprochen. „Zunächst haben wir keine Werbung mit der neuen Technologie gemacht und die Reaktionen abgewartet“, sagt Reuter. „Doch manche Kunden haben uns angesprochen, ob wir jetzt etwas anders machen, und inzwischen gewinnen wir auch neue Kunden aufgrund der umweltschonenden Reinigung.“ Ein Wettbewerbsvorteil, der sich auszahlt. Denn mit 130 Betrieben hat Hamburg nach der Region Köln/Düsseldorf das dichteste Netz an Reinigungen in der Bundesrepublik.
Wer bei Silikon an Dichtungsmassen aus dem Baumarkt denkt, liegt falsch. Die Substanz ist wässrig, klar und geruchlos, aber auch dreimal so teuer wie herkömmliche Reinigungsmittel. „Seine Reinigungswirkung entfaltet das flüssige Silikon erst bei 30 Grad – im Unterschied zu den herkömmlichen Mitteln, die möglichst kühl angewendet werden“, sagt Reuter. Aber für den Einsatz müssen meist neue Maschinen angeschafft werden, die rund 55.000 Euro kosten. Das bremst die Verbreitung. Reuter hatte Glück, dass er seine zweite Reinigungsmaschine umrüsten konnte.
Das flüssige Silikon zählt nicht mehr wie etwa Perchlor zu den Gefahrstoffen und ist biologisch abbaubar. Bei der Freisetzung in die Umwelt zerfällt es zu Wasser, Quarzsand und Kohlendioxid. Doch die Freisetzung in Reinigungen ist eher eine theoretische Gefahr, denn es wird in einem geschlossenen Kreislauf mehrmals verwendet und am Ende sicher entsorgt. Flüssigsilikon gilt als bisher beste Alternative zu den herkömmlichen Lösemitteln.
Der Chef der Reinigung ist vom Ergebnis überzeugt: „Flüssiges Silikon hat eine gute Fettlösekraft und eine extrem gute Reinigungswirkung. Auch nach mehrmaliger Reinigung fühlt sich die Kleidung wie neu an.“ Auch den typischen Reinigungsgeruch gibt es nicht mehr. Außerdem spart das neue Verfahren rund 15 Prozent an Energie, und die Reststoffe, die teuer entsorgt werden müssen, haben sich deutlich reduziert.
Das Interesse für Technik und Umwelt hat Reuter seit vielen Jahren. Schon in den vergangenen Jahren hat er den Betrieb optimiert und Gefahrstoffe reduziert. Von über 30 blieben nur ein halbes Dutzend übrig. So wurde etwa Chlorbleichlauge durch die weniger aggressive Per-Essigsäure ersetzt. Reuter handelt aus eigenem Antrieb. Denn es zahlt sich für Mitarbeiter und Kunden aus, mit weniger Gefahrstoffen zu arbeiten. Das hat aber auch seinen Preis. „Wir sind etwa 15 Prozent teurer als die Wettbewerber, weil wir über Tarif bezahlen, ökologisch arbeiten und ausbilden“, sagt Reuter. Vom Gesetzgeber gab es 1992 den letzten großen Einschnitt, als FCKW als Reinigungsmittel verboten wurde. Damals mussten 40 Prozent der Betriebe aufgeben.
Obwohl Reuter mit der Reinigung aufgewachsen ist, die seine Eltern vor knapp 60 Jahren gegründet hatten, sah er zunächst seine Zukunft nicht im elterlichen Betrieb. „Meine Eltern haben das auch nicht forciert“, sagt Reuter. Er hatte schon eine Lehrstelle als Triebwerksmechaniker bei der Lufthansa sicher. Doch der plötzliche Tod seiner Mutter veränderte alles. Zunächst wollte er seinen Vater nur eine gewisse Zeit im Betrieb unterstützen und schob seinen Lehrbeginn hinaus.
„Doch die Arbeit gefiel mir jeden Tag mehr. Es gab immer wieder neue Herausforderungen“, sagt Reuter. Vor allem braucht er den Kontakt zu den Menschen. In einem großen Unternehmen hatte er Angst, nur ein winziges Rädchen zu sein. Er machte eine Lehre im Betrieb seines Vaters und Praktika in anderen Textilreinigungen. Mit 22 Jahren wird er der jüngste Textilreinigungsmeister und zwei Jahre später übernimmt er 1996 den Betrieb vom Vater und investierte gleich 400.000 Mark in neue Maschinen.
Obwohl das Geschäft des Obermeisters abseits von Heimfelds Einkaufsstraßen in einem Wohngebiet liegt, haben die insgesamt zwölf Mitarbeiter viel zu tun. Eigentlich müsste Reuter den Betrieb vergrößern, doch den Standort will er nicht aufgeben.
Es werden wieder mehr Textilien in die Reinigung gegeben als noch vor einigen Jahren. Viele Kleidungsstücke werden nur zum Waschen gebracht. 40 Prozent der abgegebenen Textilien kommen in große Waschmaschinen, der Rest in die Reinigungsmaschinen mit dem Silikon. Vor zehn Jahren lag das Verhältnis noch bei 90 Prozent Reinigung und nur zehn Prozent Waschen. Reuter macht die Veränderung an den vielen Outdoorjacken fest.
„Wir behandeln die Bündchen, wo sich besonders viel Schmutz ansetzt, vor und sorgen für eine fachgerechte neue Imprägnierung“, sagt Reuter. Das lässt sich zu Hause meist nicht so umsetzen. „Früher wurde die Qualität einer Reinigung an der Bügelfalte der Hose gemessen, heute am Oberhemd“, sagt Reuter. Ein Trend, der mehr Kundschaft bringe. Das Hemd wird dabei gewaschen und anschließend auf den Hemdenautomaten gezogen.
Einen Meisterzwang für das Textilreinigungsgewerbe gibt es nicht mehr. Jeder kann ein solches Geschäft betreiben. 130 Betriebe gibt es in Hamburg. Innerhalb von zehn Jahren entspricht dies einem Anstieg um 44 Prozent. In der Innung sind 80 Fachbetriebe organisiert. Vor zehn Jahren waren es nur 30 Firmen. „Wir machen viele Schulungen, und die sind in unserem Gewerk wichtig“, sagt Reuter. Fleckenkunde sei eine Wissenschaft für sich: „Diese übt eine große Anziehungskraft aus.“