Hamburg. Keine Autos in der Stadt, keine neuen Straßen, weniger Wohnraum pro Person – dafür ein 365-Euro-HVV-Ticket und Klimaneutralität.
Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) hat angesichts der Klimaerwärmung einen „Klimakrisenplan“ für Hamburg vorgelegt. Mit teilweise drastischen Maßnahmen soll der CO2-Ausstoß in der Stadt damit schnell gesenkt und die Stadt bis 2035 klimaneutral werden.
Nach den BUND-Plänen soll Hamburg bis 2035 weitgehend autofrei werden: Von 2025 an sollen innerhalb des Ring 1 nur noch Lieferanten- und Handwerker-Verkehr erlaubt sein. „Bei Erfolg“ soll diese Maßnahme 2030 auf den Ring 2 und bis 2035 auf den Ring 3 ausgedehnt werden, so dass privates Autofahren dann in der Stadt praktisch nicht mehr möglich wäre - mit Ausnahmen etwa für Menschen mit Behinderungen.
Keine neuen Straßen – dafür eine Stadtbahn
Auf den Neubau von Straßen soll demnach von sofort an verzichtet werden – auch auf die Hafenquerspange. Tempo 30 soll überall als Regelgeschwindigkeit gelten. Das Anwohnerparken will der BUND wie das Parken insgesamt deutlich teurer machen – auch um den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu fördern.
Zum Umsteuern bei der Mobilität sollen gleichzeitig Radverkehr und ÖPNV massiv ausgebaut werden. So brauche Hamburg auch eine stadtweite Stadtbahn, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Das jetzt von der CDU für Altona vorgeschlagene Modell einer MetroTram sei zu klein gedacht. Zudem müssten die HVV-Preise sinken – etwa durch ein 365-Euro-Jahresticket für alle.
Klimaneutrale Flüge und Pflicht zur Landstrom-Nutzung
Der Flughafen Hamburg soll sein Angebot an „Ultra-Kurzstrecken“ unter 500 Kilometern bis 2035 deutlich reduzieren, wenn es nach den Umweltschützern geht. Von 2035 sollen nur noch klimaneutrale Flüge erlaubt sein. Das heißt: Entweder man entwickelt bis dahin klimaneutrale Kraftstoffe, oder für jeden Flug müssen die Klimafolgen durch Zahlungen, etwa für Aufforstungsprojekte, ausgeglichen werden.
Für den Hafen fordert der BUND eine Pflicht zur Landstromnutzung für alle Container- und Kreuzfahrtschiffe ab 2025. Diese lassen bisher fast immer ihre Motoren zur eigenen Energieversorgung auch während ihrer Liegezeiten laufen.
Weniger Wohnungsbau, mehr Sanierungen
Einen harten Einschnitt verlangt der BUND auch beim Wohnungsneubau. „Wir fordern eine Aufgabe des 10.000-Wohnungs-Dogmas“, sagte BUND-Chef Braasch. Der massive Neubau mit dem jährlichen Ziel 10.000 neuer Wohnungen führe auch dazu, dass der Altbestand nicht schnell genug saniert werde, da es dafür kaum Kapazitäten gebe.
„Wir müssen weniger bauen und dafür besser“, so Braasch. „Insgesamt müssen wir beim Bau ressourcenschonender und klimafreundlicher werden“. Eine neue Zielzahl beim Wohnungsbau wollte Braasch nicht nennen. Auf die Frage, ob ein Rückgang beim Wohnungsbau nicht zu einem noch stärkeren Mietenanstieg und damit zu sozialen Problemen führen könne, sagte Braasch, es gebe andere Möglichkeiten als so massiven Neubau – etwa die Förderung von Wohnungstausch durch neue Vermittlungsagenturen über Umzugsprämien.
Insgesamt plädiert der BUND für eine Reduzierung des Wohnraums pro Person. Im Altbestand sei die Quote bei der klimafreundlichen Sanierung auf unter ein Prozent gesunken, man brauche aber „mindestens drei Prozent“, so Braasch.
Schnellerer Kohleausstieg und nachhaltigeres Wirtschaften
Hamburg müsse bereits vor dem angestrebten Jahr 2030 vollständig aus der Kohle aussteigen, lautet eine weitere der vorgestellten Maßnahmen. Zudem müssten alle Gebäude, bei denen das möglich sei, bis 2035 mit Photovoltaik-Anlagen ausgestattet werden. Der Einbau neuer Ölheizungen müsse von 2021 an immer dann verboten werden, wenn es Alternativen gebe.
Auch die Beschaffung bei staatlichen Stellen müsse nachhaltiger werden. So sollten in Kantinen und Mensen von 2025 an ausschließlich Lebensmittel aus ökologischer und möglichst regionaler Erzeugung und weniger Fleisch serviert werden, da dessen Produktion das Klima stark belaste. Auch müssten Großveranstaltungen umweltfreundlich organisiert werden.
BUND fordert: Klimanotstand in Hamburg ausrufen
„Die Lage ist sehr ernst“, sagte BUND-Chef Braasch. Es gebe die Gefahr von „Kipppunkten“, nach denen die Erwärmung nicht mehr einfach aufzuhalten wäre. Momentan sehe es so aus, als werde man die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens nicht erfüllen. „Auf Berlin zu warten wäre keine gute Wahl“, so Braasch. „Hamburg muss jetzt selbst die Regie übernehmen.“
Zugleich forderte der BUND den Senat erneut auf, den „Klimanotstand“ für Hamburg zu erklären und einen „wirklich ambitionierten Klimaplan sowie ein durchschlagendes Klimaschutzgesetz“ vorzulegen. Die Hansestadt stehe „als reiche Metropole, die von einem Meeresspiegelanstieg direkt betroffen wäre, in einer besonderen Pflicht, Antworten auf die Klimakrise zu finden“.