Hamburg. Ausschüsse sollen die Ausschreitungen aufarbeiten. Aber das erweist sich gerade als besonders schwierig.

Ein so einschneidendes Ereignis wie die Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel zieht naturgemäß eine intensive politische Aufklärung nach sich. Die läuft, und sie ist nicht nur umstritten wie der Gipfel selbst, sondern sie hat bislang auch eine ähnliche Bilanz: viel Aufwand, wenig Ertrag.

Zunächst reagierte die Bürgerschaft so wie in solchen Fällen üblich. Da es bei den Krawallen um Innenpolitik ging, wurde umgehend eine Sondersitzung des Innenausschusses einberufen. Mehr als acht Stunden lang tagte er bis weit in die Nacht zum 20. Juli, eine der längsten Sitzungen in der Geschichte der Bürgerschaft. Und eine kuriose: Nachdem Senat und Polizei lange Eingangsreferate gehalten hatten, beschwerten sich CDU, FDP und Linkspartei über dieses „Zeitspiel“ und verweigerten für den Rest der Sitzung ihre Mitarbeit.

So mussten sie stumm verfolgen, wie die Polizei erstmals detailliert erklärte, warum die Situation am Freitagmorgen des G20-Gipfels in Altona außer Kontrolle geraten war. Demnach hatte sie das Protestcamp im Volkspark mit rund 1500 Bewohnern zwar im Blick und mit Störungen gerechnet. Sie hatte aber schlicht zu wenig Beamte verfügbar, um die massive Randale an diversen Orten gleichzeitig zu unterbinden.

Sonderausschuss eingesetzt

Obwohl CDU, FDP, Linke und AfD immer wieder betonten, dass für die weitere Aufklärung ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA) mit seinen weitreichenden Rechten sinnvoll wäre und sie auch die nötigen Stimmen dafür gehabt hätten, konnten sie sich doch nicht dazu durchringen. So wurde schließlich auf Vorschlag von SPD und Grünen ein „Sonderausschuss“ eingesetzt: Ein normaler Ausschuss der Bürgerschaft, der einzig und allein die G20-Ereignisse aufklären soll.

Er nahm am 1. September seine Arbeit auf und hörte am 21. September erstmals Beteiligte an – im Wesentlichen die gleichen wie seinerzeit im Innenausschuss. Daher war der Erkenntnisgewinn überschaubar. Immerhin: Überraschend räumte Außen-Staatsrat Wolfgang Schmidt (SPD) ein, dass für die Austragung des G20-Gipfels außer dem Messegelände auch das Volksparkstadion, die Barclaycard Arena, das CCH, das Rathaus und der früher als Olympiagelände vorgesehene Kleine Grasbrook im Gespräch gewesen seien. Obwohl es im Senat Sympathien für das Rathaus gegeben hätte, habe sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Gastgeberin letztlich für die Messe entschieden, so Schmidt. „Aber wir waren sehr einverstanden damit.“

"Nicht unerhebliche Gefahr"

Parallel sorgten die Akten, die der Ausschuss bei Senat und Polizei angefordert hatte, für Verdruss. Erstens wegen des Umfangs: Allein die ersten beiden Lieferungen an Akten umfassten mehr als 300 DIN-A4-Ordner, das Dokumentenverzeichnis allein 1200 Seiten. „Leider sind die Ordner auch nicht chronologisch gegliedert, sondern etwa nach Dienststellen“, kritisierte die Linke-Obfrau Christiane Schneider. Wenn die Abgeordneten also alle Informationen zu einem bestimmten Ereignis oder Datum sammeln wollen – beispielsweise den Polizeieinsatz im brennenden Schanzenviertel – gleiche das einem „großen Puzzle“. Auch der Ausschussvorsitzende Milan Pein (SPD) sprach von einer „nicht unerheblichen Gefahr“, dass den Abgeordneten ein womöglich entscheidendes Detail entgehen könnte.

Für Ärger sorgten auch viele geschwärzte Stellen in den Akten. „Es drängt sich der Verdacht auf, dass etwas systematisch verschwiegen wird“, kritisierte Schneider. Ein Polizeisprecher hatte eingeräumt, dass zunächst mehr Dokumente als nötig entnommen oder größtenteils unkenntlich gemacht wurden. Nach Abendblatt-Informationen wurden sogar völlig harmlose Details wie die Nummer des G20-Bürgertelefons in den Akten geschwärzt.

Der Ausschuss wird zunächst jede einzelne Schwärzung hinterfragen. „Dabei kann man natürlich nicht vorher wissen, hinter welcher Schwärzung ein wichtiges Detail versteckt ist“, wird das Dilemma in Ausschusskreisen beschrieben. Der Vorsitzende Milan Pein sagt daher: „Ich schließe eine generelle Überprüfung nicht aus.“