Hamburg/Sylt. Dermatologie-Chefärztin aus Westerland über Angebote für Patienten mit Neurodermitis und Schuppenflechte.
Eine private FKK-Düne am Strand vor Westerland? Ja, die Asklepios Nordseeklinik hat das, wovon wohl viele Sylt-Urlauber träumen. Genutzt wird die umzäunte Fläche aber zu rein therapeutischen Zwecken. Denn kaum etwas hilft Patienten, die an entzündlichen Hautkrankheiten wie Neurodermitis oder Schuppenflechte leiden, besser als das Reizklima der Nordsee.
Heliotherapie und Meerwasser-Duschen für die Haut
„Unsere einzigartige Therapiedüne besteht aus Sandmulden, in denen sich die Patienten – es gibt einen Bereich für Damen und einen für Herren – je nach Hauttyp für jeweils eine Viertelstunde pro Seite von der Sonne bescheinen lassen“, sagt Dr. Hanka Lantzsch, die seit acht Jahren in der „Klinik mit Meerblick“ arbeitet und seit 2018 als Chefärztin die Abteilung für Dermatologie und Allergologie leitet.
Neben dieser Heliotherapie setzt man auch auf „Meerwasser-Duschen“. „Wir reinigen und erwärmen das Wasser der Nordsee, das durch seinen hohen Salzgehalt das Immunsystem anregt und die Haut beruhigt“, sagt die Medizinerin in dieser neuen Podcast-Folge der „Digitalen Sprechstunde“, die unter anderem auf abendblatt.de kostenfrei zu hören ist. Doch was nach Entspannung klingt, ist für viele Patienten oft der letzte Ausweg. Denn in der Haut von Neurodermitis-Patienten möchte niemand stecken, wie die Chefärztin sagt: „Der Ausschlag, die Ekzeme sind nicht schön, aber was die Betroffenen in den Wahnsinn treibt, ist der permanente Juckreiz.“ Vielleicht gelinge es, sich 23 Stunden und 55 Minuten zu beherrschen. „Aber dann kratzt man irgendwann eben doch.“
Die aktuelle Podcast-Folge der Reihe "Digitale Sprechstunde"
Neurodermitis könne schon im Säuglingsalter auftreten, sagt die 35-jährige Chefärztin, die in Freiburg und Nizza studiert hat und dann in den Uni-Hautkliniken von Heidelberg und Düsseldorf tätig war. „Der bekannte Milchschorf, der ja ein bisschen so aussieht, als klebe angebrannte Milch auf der Kopfhaut, kann ein Hinweis auf eine Neigung zu Neurodermitis sein.“ Oft sei es aber so, dass sich die Erkrankung „auswachse“.
Die Verläufe seien aber eben sehr unterschiedlich. „Es gibt auch Menschen, die Neurodermitis erst im Erwachsenenalter bekommen.“ Die Erkrankung, die übrigens nicht ansteckend ist, aber vererbt werden kann, gehöre zum sogenannten „atopischen Formenkreis“: „Das bedeutet, wer an Heuschnupfen oder Asthma leidet, hat oft auch einen Hang zu Neurodermitis und umgekehrt“, sagt die Ärztin.
Heuschnupfen und Asthma? Hang zu Neurodermitis
Ein Neurodermitis-Schub werde oft durch Stress ausgelöst. „Prüfungsangst, Streit in der Beziehung, finanzielle Sorgen – man will nicht zu esoterisch werden, aber die Haut ist immer auch ein Spiegel der Seele“, sagt die Dermatologin, die gerade erst eine Zusatzbezeichnung für Naturheilverfahren erworben hat. Darüber hinaus bietet die Sylter Hautklinik als bundesweit erstes Krankenhaus in Zusammenarbeit mit der Deutschen Rentenversicherung nun die „verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation“ an. „In diesem vierwöchigen Aufenthalt schauen wir eben nicht nur auf den Körper, sondern begleiten die Patienten auch psychologisch.“
Lässt sich denn ein Schub aufhalten? „Gesunde Ernährung hilft, aber ich kenne auch Patienten, die sich ganz streng nach Diät nur noch von drei Zutaten ernähren, und die Haut ist trotzdem schlecht. Man muss schauen, dass die Lebensqualität nicht zu sehr leidet.“ Der Ausschlag – bei Erwachsenen oft im Gesicht, am Hals und an den Händen – sei stigmatisierend genug. Wer die Rehaklinik (65 Betten) verlasse, dessen Zustand habe sich „deutlich verbessert“. Geheilt sei aber niemand. „Das ist bei chronischen Erkrankungen wie Neurodermitis oder Schuppenflechte leider nicht so einfach möglich.“
Lieber schnell unter die Dusche als zu lange in die Badewanne
Wichtig sei es, im Alltag auf die Haut zu achten. Die Basispflege sei entscheidend, die trockene Haut von Neurodermitis-Patienten müsse immer ausreichend rückgefettet sein. „Die Bodylotion, die fünf Prozent Urea enthalten sollte, muss nicht teuer sein. Die gängigen Drogeriemärkte und Discounter führen sehr gute Produkte. Man sollte nur darauf achten, dass die Cremes ohne Duft- und Konservierungsstoffe auskommen.“ Und es sollte nicht zu viel geduscht oder gebadet werden. „Ich rate zur schnellen Dusche. Die Überpflege ist so ein bisschen das Problem unserer Zeit. Aber zu viel Wasser trocknet die Haut aus. Das sehen wir ja auch an unseren Händen, denen durch das häufige Waschen während der Pandemie stark die Feuchtigkeit entzogen wird.“
Wer mit Hausmitteln wie Salz- oder Schwarztee-Umschlägen nicht weiterkomme und bei Patienten, bei denen auch eine Kortison-Therapie beim Hautarzt nicht ausreichend helfe, könne mit entsprechendem Einweisungsschein in der Akut-Dermatologie in der Asklepios Nordseeklinik aufgenommen werden. „Viele wissen nicht, dass man innerhalb Deutschlands die freie Klinikwahl hat“, sagt Dr. Hanka Lantzsch. „Man kann ins Krankenhaus in der Nähe gehen, aber auch nach Sylt.“