Hamburg. In Sturmnächten, bei Hochwasser oder Schneefällen rücken Mama Inga und Papa Matthias zu Einsätzen aus, die Großeltern hüten die Kinder.

Das „tollste Geburtstagsgeschenk überhaupt“ bekam Inga Wattler nachts um 4.13 Uhr. Und es war nicht der liebevolle Kuss von Ehemann Matthias, sondern das schrille Alarm­signal ihres Piepers. Ein Einsatz! Sogar der Ausnahmezustand, pünktlich zum 42. Geburtstag. Besser hätte sie es nicht treffen können, meint Wattler. Ihr Kommandeur der Freiwilligen Feuerwehr Alsterdorf funkte während der Sturmflut im Februar Unterstützung an – wie auch sonst, wenn es in Hamburg stark stürmt, regnet oder schneit. „Da habe ich mich so gefreut“, sagt die Mutter zweier Kinder ohne den Hauch von Ironie, dafür mit funkelnden Augen.

Freiwillige Feuerwehr Hamburg: Familie Wattler im Einsatz

Fünf Minuten hat sie, um vom Pyjama in die Uniform, von der Wohnung zur Wache zu gelangen. Zu spät war sie noch nie, auch weil ihre Wohnung fast in Sichtweite zur Wache liegt. Zur Sicherheit nimmt sie dennoch das Auto aus der Tiefgarage. Sie lebt diese Beschäftigung neben ihrem Job im Bezirksamt Nord, mag die Rufbereitschaften, das Arbeiten bei Lärm, Nässe, Hitze, Kälte und Schmutz.

Während Noah, 5 Jahre, und Ella, 8 Jahre, weiterschlafen, flext ihre Mama derweil umgefallene Bäume klein, räumt Straßen frei und watet im Sturm durch den Matsch. „So kann ich Menschen helfen“, sagt sie, „man ist direkt da und verausgabt sich körperlich.“ Fitnessstudio? Dahin gehe sie nicht. „Feuerwehr, das ist mein Hobby, mittlerweile meine Leidenschaft.“ Nach zehn Jahren Kinderpause ist sie wieder zurückgekommen, schätzt vor allem das Miteinander auf der Wache, die Herzlichkeit, verbunden mit einem rauen Ton. „Das ist unsere Familie.“

"Feuerwehr ist meine Leidenschaft"

Am Sommerwochenende wird neben dem Löschfahrzeug die Wurst gegrillt, einem Kameraden beim Umzug geholfen, auf die Kinder der anderen aufgepasst. Jeder bringt jemanden mit, die Gemeinschaft ist der Star. Auch bei den Wattlers. Das Paar hält zusammen – jedenfalls so lange, bis der Pieper geht. Denn nicht nur sie hat einen, sondern auch er: Matthias Wattler ist sozusagen nebenan Wehrführer, bei der Freiwilligen Feuerwehr Groß Borstel und schon seit 1994 dabei. „Wir haben die Abmachung, dass derjenige losdarf, der zuerst angeklingelt wird“, sagt Wattler.

 Oft sind es nur zwei, drei Minuten, die darüber entscheiden, wer Schulbrote schmiert oder die Drehleiter ausfährt. „Denn die Kinder müssen zur Schule gebracht werden, und das geht natürlich vor.“ Auch wenn der andere zu gern selbst auf dem Fahrzeug dabei wäre.

Großeltern unterstützen die Feuerwehr-Familie

So jedenfalls das Szenario, wenn keine Unwetterlage angekündigt ist. Wissen die Wattlers jedoch, dass Unwetter drohen und damit Einsätze wahrscheinlich werden, kommen die Großeltern ins Spiel: Sie unterstützen die Feuerwehr-Familie gern, nehmen dann schon am Nachmittag des Vortages die Kinder. „In Sturmnächten ist das eine Win-win-Situation“, meint Matthias Wattler: Seine Eltern freuten sich über den Besuch ihrer Enkelkinder, die Eltern haben den Kopf frei, die Enkel genießen die Abwechslung.

Bei ihm selbst sei es übrigens ein Spieleabend mit einem guten Freund gewesen, bei dem Wattler einen Feuerwehreinsatz am Möringbogen, direkt neben seinem damaligen Zuhause, hautnah miterlebte. Dies, gepaart mit der Möglichkeit, sich für acht Jahre für den Katastrophenschutz zu verpflichten, statt zur Bundeswehr zu gehen, ließen seine Begeisterung für die freiwillige Feuerwehr regelrecht entflammen.

In der „härtesten Zeit“ lernten sie sich kennen

„Die Grundausbildung ist zwar die härteste, aber auch die schönste Zeit“, sagt er rückblickend. Wie geht man mit der Kettensäge um? Was ist ein Hydraulikstempel? Was muss ich über Brandschutz wissen und wie leiste ich Erste Hilfe? Das seien Themen der ersten Zeit. „Keine Raketenwissenschaft, aber man ist danach körperlich und mental erschöpft.“ Denn wenn der Pieper geht, haben die Ehrenamtler erst mal nur wenig Informationen. So etwas wie „THK“ steht dann im Display des schwarzen, rechteckigen Geräts.

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„Das bedeutet technische Hilfeleistung klein, könnte heißen ,Hund entlaufen‘ oder ,Schwan mit lahmem Flügel‘“, sagt Inga Wattler. „FEUWA“ bedeutet Feuer auf dem Wasser, „TVNOT“ meint Tür verschlossen, Notfall. Bei allen Einsätzen geht es ins Ungewisse, „aber wir sind nicht die amerikanischen Feuerwehrleute, die ins brennende Haus reinrennen“, sagt Matthias Wattler. „Wir sind auf Sicherheit bedacht und wollen alle wieder heil zu unseren Familien zurück.“

Beide Kinder sind in der Minifeuerwehr aktiv

Ob in Hamburg eine der 86 freiwilligen Feuerwehren oder die Berufsfeuerwehr gerufen wird, entscheidet die Einsatzzentrale. „Das Miteinander ist mittlerweile sehr gut und professionell“, sagt Wattler. Auch der Umgang mit Erlebtem, Fragestellungen wie „Feuerkrebs“ und Einsatzstellenhygiene seien keine Tabuthemen mehr. Im Rauchgas befinden sich sehr viele akut krebserregende Stoffe – deshalb nennt sich eine Initiative zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Feuerwehrleuten „Feuerkrebs“. „Es hat ein massives Umdenken stattgefunden. Ich kann heute problemlos sagen, wenn ich an etwas zu knabbern habe, Gruppengespräche vorschlagen oder eine Pastorin ansprechen.“

Auch deshalb, weil die freiwillige Feuerwehr aktuell modern und familiär daherkommt, freuen sich die Eheleute Wattler, dass ihre beiden Kinder in der Minifeuerwehr aktiv sind, denn der Nachwuchs fehle leider.

Dabei kann man bei der Feuerwehr nicht nur ein erfüllendes Hobby finden, sondern sogar die große Liebe. Denn wo haben sich Inga und Matthias eigentlich kennengelernt? Richtig, bei der Feuerwehr, gleich in ihrer Grundausbildung. Und wer stand Spalier, als sie im Bezirksamt Nord heirateten? Na klar, die Feuerwehr. Völlig freiwillig.