Hamburg. Hamburg nimmt an bundesweitem Pilotprojekt teil, bei dem es um ein Corona-Frühwarnsystem geht. Das ist geplant. Kritik von der CDU.

Es ist eine Art Frühwarnsystem für eine mögliche nächste Corona-Welle und soll nun in Hamburg erprobt werden: Ein Monitoring von SARS-CoV-2 im Abwasser. Bei dem Modellprojekt ist Hamburg einer von 20 Pilotstandorten, die von der Bundesregierung gefördert werden. Das teilte die Umweltbehörde am Freitag mit. Durch das Abwassermonitoring sollen die Entwicklungen der Pandemie früher abgeschätzt und die Verbreitung von Coronaviren schneller erfasst werden können.

Das deutschlandweite Projekt startet bereits in wenigen Tagen – am 9. Februar treffen sich in Hamburg alle Beteiligten online zu einem Auftakt. In Hamburg wird das Vorhaben von der Umweltbehörde, der Gesundheitsbehörde, Hamburg Wasser und dem Institut für Hygiene und Umwelt durchgeführt und soll ein Jahr andauern.

Corona: Hamburgs Abwasser wird auf Coronaviren untersucht

„Dieses zukunftsweisende Projekt kann dabei helfen, das Infektionsgeschehen inklusive der Dunkelziffer nicht erfasster Infizierungen schneller abzubilden und somit neue Wellen einzudämmen bzw. zu verhindern", sagt Michael Pollmann, Staatsrat der Umweltbehörde. "Um die urbanen Abwässer zu analysieren, die sowohl Chemikalien der Industrie als auch krankmachende Keime enthalten und somit nicht ganz einfach zu untersuchen sind, haben wir in Hamburg eine ‚Allianz der Kompetenzen‘ gebildet."

Hamburg Wasser übernimmt dabei die Probenentnahme im Sielsystem. Die Aufarbeitung und Analyse der Proben erfolgt im Institut für Hygiene und Umwelt. Pollmann: "Hier sind die notwendigen Fachkompetenzen zu Umweltanalysen und Infektionsmedizin unter einem Dach gebündelt.“

Hamburger Infektionszahlen durch Abwassermonitoring früher erkennen

Die Umweltbehörde weist darauf hin, dass Menschen bei einer Corona-Infektion bereits mehrere Tage, bevor sie sich krank fühlen und testen lassen, Viren ausscheiden. "Das Infektionsgeschehen lässt sich dabei über eine Analyse des Abwassers schnell abbilden", heißt es in der aktuellen Mitteilung. Auch unentdeckte Infektionen ohne Symptome könnten bei dieser Methode erfasst werden. Mit einem Abwassermonitoring sei es möglich, einen Anstieg der Infektionszahlen oder auch die Ausbreitung neuer Virusvarianten deutlich früher zu erkennen als über die Meldungen positiver Tests.

„In den Abwasserproben liegen die Viren naturgemäß sehr verdünnt vor, daher konzentriert das Institut für Hygiene und Umwelt die Proben zunächst auf und isoliert anschließend die gesamte in den Proben enthaltene Erbinformation", sagt Ansgar Ferner, Geschäftsführer beim Institut für Hygiene und Umwelt. "Nun wird eine digitale PCR-Analyse eingesetzt, um zu bestimmen, wie stark die Probe mit SARS-CoV-2 belastet ist." Diese hochmoderne Methode sei grundsätzlich in der Lage, Viren auch in sehr geringen Mengen quantitativ nachzuweisen, was auch in Modellversuchen in verschieden belasteten Wässern für SARS-CoV-2 aufgezeigt werden konnte.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Coronaviren – Hamburg Wasser nimmt zwei Proben pro Woche

Während der Pilotphase sind zwei Probenentnahmen pro Woche vorgesehen. Die Proben entnimmt Hamburg Wasser nach eigenen Angaben an den Zuläufen der Kläranlage Köhlbrandhöft/Dradenau.

„Das Projekt ist zukunftsweisend und knüpft gleichzeitig an die Ursprünge unseres Unternehmens an: die städtische Kanalisation und das Klärwerk sind aus historischer Sicht die Garanten für Stadthygiene und Gesundheitsschutz der Bevölkerung", sagt Ingo Hannemann, technischer Geschäftsführer bei Hamburg Wasser. "Wir möchten einen Beitrag leisten, um das innovative Konzept für das Monitoring von SARS-CoV-2 im Abwasser in praxistaugliche Ansätze zu überführen."

Grüne: Abwassermonitoring kluges Hilfsmittel für eine innovative Stadt

Die EU-Kommission hatte im März 2021 empfohlen, eine systematische und flächendeckende Kontrolle aufzubauen – ein entsprechender Bürgerschaftsantrag forderte dies auch für Hamburg ein. Um die Empfehlung umzusetzen, startet die Bundesregierung nun zunächst das Modellprojekt, das mit Hilfe von EU-Mitteln gefördert wird. Ziel ist es, einen gemeinsamen Ansatz für eine bundesweite systematische Überwachung zu entwickeln.

Die Grünen-Bürgerschaftsfraktion freut sich über da Corona-Frühwarnsystem. "Im Abwasser nach genetischen Überresten von Krankheiten, Erregern und Viren zu suchen, ist ein wichtiger Baustein, um uns besser auf künftige Pandemien vorzubereiten und gibt uns die Möglichkeit, zukünftig die Dunkelziffer infizierter Personen genauer abschätzen zu können", sagt  Johannes Müller, Sprecher für Innovation der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. Das Abwassermonitoring sei zudem ein "kluges Hilfsmittel für eine innovative Stadt".

CDU: Hamburgs Abwassermonitoring kommt viel zu spät

Müller: "Durch eine frühzeitige Erkennung neuer Erreger können wir als Gesellschaft schneller und angemessener auf eine gesundheitliche Bedrohungslage reagieren, so auch auf neu entstandene Virus-Varianten." Rot-Grün sei es ein wichtiges Anliegen, neue Methoden zu erproben und wissenschaftliche Verfahren zu verfeinern.

Kritik hingegen übt die CDU. Sie moniert, dass Hamburgs Abwassermonitoring viel zu spät komme. „Wir begrüßen, dass der Senat endlich den Antrag der CDU-Fraktion für ein Abwassermonitoring umsetzt", sagt der CDU-Umweltexperte Sandro Kappe. "Entgegen der Behauptung des Senats, dass dies in Deutschland bisher nicht umgesetzt wurde, hat ein Expertenkonsortium aus Frankfurt und Aachen beispielsweise SARS-CoV-2-Genmaterial mit modernen molekularen Methoden in Kläranlagen nachgewiesen. So wurden bereits 2020 in der ersten Pandemiewelle über 24 Stunden Proben von neun kommunalen Abwasserverbänden oder Kläranlagen in Städten in Nordrhein-Westfalen entnommen."

Kappe weist zudem darauf hin, dass das Verbundprojekt „CoroMoni“ schon seit Ende 2020 aktuell laufende Projekte zu diesem Thema vernetze, um den Aufbau eines flächendeckenden Corona-Frühwarnsystems auf Basis der Abwasseranalytik voranzutreiben. "Dennoch hat Hamburg bis Anfang 2022 gewartet, um endlich auch mit der Umsetzung eines Abwassermonitorings zu beginnen", so der CDU-Politiker. "Am Ende wird die Pandemie wahrscheinlich vorbei sein, bevor dann auch Hamburg mit dem Monitoring beginnt."