Hamburg. Ergebnisse der Abendblatt-Umfrage. Mehr als 8000 Menschen haben sich am Stimmungsbild nach mehr als einem Jahr Pandemie beteiligt.

Die Corona-Pandemie hält uns seit 14 Monaten in Atem. Sie hat das Leben jedes Einzelnen verändert. Die große Abendblatt-Umfrage im Rahmen des Corona-Checks der Funke Mediengruppe mit mehr als 8000 Teilnehmern im Norden bietet jetzt ein breites Bild der Stimmungslage. Dabei konnten sich die Leser und User auch mit persönlichen Einschätzungen zu Wort melden.

„Der Corona-Check gibt Einblicke in die Empfindungswelt der Menschen“, sagt Ana Moya, Statistik-Dozentin und Daten-Analystin der Funke Mediengruppe, in der auch das Abendblatt erscheint. Zudem erlaubten die Antworten teilweise Prognosen, wie sich die Gesellschaft unter dem Eindruck der Pandemie verändere.

Corona hinterlässt tödliche Spuren in Hamburg

„Mir fehlt es an nichts“, schreibt etwa Abendblatt-Leser Helmut Schwarz aus Hamburg. „Ich bin Rentner, lebe in meinem Haus mit Garten und bin inzwischen zweimal geimpft.“ Alleinerziehende Mütter berichten dagegen von den täglichen Herausforderungen mit Homeschooling und Homeoffice und vom Hin und Her bei Öffnungen und Schließungen der Schulen.

Dass Corona tödliche Spuren hinterlässt, spiegeln die täglichen Fallzahlen des Robert-Koch-Instituts. Dahinter stehen Menschen – und Schicksale. So durfte die Hamburgerin Gisela Reimer ihren Mann im Krankenhaus wegen der Schutzmaßnahmen nicht besuchen. Er litt nach einem Fußbruch an einer Blutvergiftung. Dazu kam ein Schlaganfall. „Zehn Tage lag er auf der Intensivstation. Ich konnte mich nicht mehr von ihm verabschieden. Nur per Telefon. Das macht mich jetzt noch fix und fertig. Er konnte nicht mehr sprechen. Und er verstarb“, fasst Gisela Reimer ihren Schmerz in Worte.

Junge Menschen in Hamburg stärker belastet

Ganz anders sind die Erlebnisse dieses Abendblatt-Lesers: „Ich habe das Glück in einem schönen Haus mit großem Garten zu leben. Ganz schlimm ist die Situation aber für die Menschen, die in ,Wohnsilos‘ wohnen müssen. Wie im Gefängnis. Besonders für Kinder.“

Die statistische Auswertung von insgesamt 18 Fragen und ihren Antworten unter dem Motto „Wie geht es Ihnen in der Pandemie?“ fand heraus, dass sich Frauen in Norddeutschland (Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein) und jüngere Menschen stärker belastet fühlen als Männer und Ältere. Hamburger leiden unter der Krise stärker als die Schleswig-Holsteiner. Kinos, Museen und Theater sind geschlossen, Maskenpflicht sogar im Auto, Ausgangssperre und keine Shoppingtouren mehr – das bringt fast alle Menschen bis an die Grenzen der Zumutbarkeit.

Norddeutsche vermissen „Treffen mit Freunden und Familie“

Wie die Mitte April gestartete Umfrage ergab, vermissen 86 Prozent der befragten Norddeutschen am meisten die „Treffen mit Freunden und Familie“, dicht gefolgt von „Besuchen von Restaurants und Cafés“ (78 Prozent). Am wenigsten wird dagegen der persönliche Austausch mit Kolleginnen und Kollegen in der Firma vermisst (rund 24 Prozent). Männliche Arbeitskollegen in Hamburg können gut und gerne auf den direkten Austausch an ihrem Arbeitsplatz verzichten. Nur 19 Prozent vermissen den direkten Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen.

Dass Kulturveranstaltungen nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich sind, schmerzt die Hanseaten besonders. 60 Prozent vermissen sie. Dass Reisen und Tourismus stark beschränkt sind, beklagen 69 Prozent von ihnen. Weil das Einkaufen zunehmend online geschieht, ist die Zahl derer, die Shoppingtouren in der City vermissen, jedoch vergleichsweise gering. Ihr Anteil in Hamburg liegt bei gerade mal 27 Prozent. Inzwischen zeichnen sich die Folgen in den Innenstädten ab. Einzelhändler und Imbisse schließen ihre Geschäfte – wie am Großen Burstah. Sie können angesichts der geringen Einnahmen die Mieten nicht mehr bezahlen. In allen drei Bundesländern wird die Sorge um die Verödung der Innenstädte als gleich hoch eingeschätzt.

Gastronomie-Branche durch Corona am Boden

Im Übrigen machen sich mehr Frauen als Männer Gedanken um die Zukunft einer attraktiven City – und die 41- bis 60-Jährigen. Tatsächlich hält der Handelsverband Deutschland 450.000 Standorte im ganzen Land für gefährdet. Besonders gebeutelt seien vor allem mittelgroße Städte, hieß es. Vielleicht kommt Hamburg mit einem blauen Auge davon. Zwar können Restaurants und Imbisse für den Außer-Haus-Verkauf öffnen.

Aber die gesamte Gastronomie-Branche liegt am Boden. Gerade deshalb können die Betreiber auf Unterstützung ihrer Gäste hoffen. In der Abendblatt-Studie gaben 82 Prozent der Befragten an, die Gastronomen bewusst zu unterstützen. Dabei ist der Anteil in Schleswig-Holstein mit 85 Prozent etwas höher als in Hamburg (81 Prozent). Gerade die Altersgruppe der 41- bis 60-Jährigen ist bereit, in den Restaurants Gerichte zum Abholen zu bestellen.

Freundschaften verändern sich durch Distanz

In Zeiten sozialer Distanzierung verändern sich die Beziehungen zu Freundinnen und Freunden stark. Umarmungen mit FFP2-Masken, kein freundschaftlicher Handschlag mehr und schon gar keine geselligen Treffen – wer die Verordnungen ernst nimmt, muss damit rechnen, dass das enge soziale Netz Risse bekommt.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

In allen drei Bundesländern gaben die Befragten an, dass sich ihr Verhältnis zu Freunden und Freundinnen tendenziell eher verschlechtert habe. Hamburger bewerten diesen Trend allerdings weniger negativ als die Niedersachsen. In allen drei Bundesländern gilt: Je jünger, desto schlechter wird die Veränderung des Verhältnisses zu den Freunden bewertet.

Herzensfreundschaften durch Corona-Zeiten gestärkt

Die Psychologie unterscheidet freilich zwischen Alltags- und Herzensfreundschaften. Letzte bestehen oft schon seit vielen Jahren. „Herzensfreundschaften sind in Corona-Zeiten oft sogar noch besser geworden“, sagt der Diplom-Psychologe und Psychotherapeut Wolfgang Krüger. Er forscht seit Jahrzehnten zum Thema Freundschaft.

So hielt Abendblatt-Leserin Kirsten Beushausen jeden Tag den Kontakt zu ihrer Freundin, um sie zu unterstützen - erst recht, als sie krank war. „Sie hatte Corona, und wir waren jeden Tag zusammen“, fügt sie hinzu.

18 Prozent der Hamburger suchen neue Wohnung

Die Krise offenbart darüber hinaus häufig die begrenzte Wohnsituation der Menschen. Homeoffice und Homeschooling sprengen die räumlichen Möglichkeiten, die Nerven bei Eltern und Kindern liegen blank. 18 Prozent der Hamburger gaben an, dass sie sich nunmehr auf Wohnungssuche begeben und umziehen wollen. Bei den Schleswig-Holsteinern sind es lediglich zehn Prozent. Den Angaben zufolge sind mehr Frauen als Männer dazu bereit, ihre Wohnsituation zu verändern. In Hamburg sind das 20 Prozent der Frauen, aber nur 15 Prozent der Männer.

Auch Partnerschaften stehen wegen der Pandemie verstärkt unter einer Belastungsprobe. Aus den amtlichen Hamburger Scheidungsdaten geht hervor, dass im vergangenen Jahr 4044 Anträge auf Ehescheidungen an den Amtsgerichten in Hamburg eingegangen sind. Das sind 212 mehr als im Vorjahr. Die Abendblatt-Umfrage hat unterdessen herausgefunden, dass in allen drei norddeutschen Bundesländern das Verhältnis der Befragten zu ihrem Partner oder ihrer Partnerin relativ konstant geblieben ist oder sich sogar verbessert hat.

Hamburger blicken trotz Corona optimistisch in die Zukunft

Allerdings gilt auch: Je jünger die Menschen sind, umso weniger hat sich die Partnerschaft verbessert. Am schlechtesten bewerten die Schleswig-Holsteiner im Alter von bis zu 40 Jahren ihre Beziehung. Das verwundert nicht: In bisherigen bundesweiten Rankings zur Scheidungsquote belegte Schleswig-Holstein vordere Plätze.

Dass sich die pandemische Lage in Deutschland bald weiter entspannt, hoffen sehr viele Menschen. In allen drei Bundesländern wird die Gefährdung der Gesundheit als durchschnittlich im mittleren Bereich eingeschätzt. Die Schleswig-Holsteiner sorgen sich stärker um ihre Gesundheit als die Hamburger. Doch die Hoffnung – sie stirbt zuletzt. „Wie blicken Sie insgesamt in die Zukunft?“, wollte das Abendblatt wissen. Die Mehrheit der Befragten gibt sich optimistisch, vor allem die Hamburger. Wird schon wieder!