Hamburg. Im Kampf gegen Corona werden in Hamburg jeden Tag viele Tausend Proben ausgewertet: „99,9 Prozent haben Omikron.“
„Medizinisches Labor“ steht auf dem weißen Schild im Hauseingang, der von einem Schuhgeschäft und einer Apotheke flankiert wird. Es ist ein unscheinbarer Eingangsbereich, hinter dessen Türen einer der wichtigsten Prozesse in der Pandemiebekämpfung stattfindet: die Auswertung von PCR-Tests.
Das Labor Dr. Fenner und Kollegen ist eines der vier großen Testlabore in Hamburg. Mittlerweile werden dort 4000 Proben am Tag ausgewertet. „Mit so einem Anstieg hat keiner gerechnet“, sagt Laborleiter Dr. Thomas Fenner, während er die Laborräume im 5. Stock betritt, in denen es erstaunlich ruhig ist. Bis auf das Rauschen der großen Maschinen und das Piepen der Scanner, sobald neue Proben geliefert werden, ist wenig zu hören. Die Mitarbeiter sind hochkonzentriert, aber nicht hektisch – obwohl sie seit Monaten an der Belastungsgrenze arbeiten. „Hektik kann man überhaupt nicht gebrauchen“, sagt Fenner.
Corona Hamburg: Zuerst werden Daten erfasst
Kommen die Proben im Labor an, werden zunächst die Daten des Patienten erfasst. Jedem Röhrchen, in dem sich der Tupfer mit dem Material des Abstrichs befindet, liegt ein sogenannter Anforderungsschein bei. Dieser enthält alle Patientendaten vom Namen über das Geburtsdatum bis hin zur Uhrzeit der Abstrichentnahme. Röhrchen und Schein sind dabei mit demselben Barcode versehen. „Dieser Barcode begleitet die Probe durch das ganze Haus bis zum Ergebnis“, sagt Fenner.
Hält ein Mitarbeiter die Probe im Labor vor den Scanner, wird die Ankunft gemeldet, und der Auswertungsprozess beginnt. „Dann läuft die Uhr“, so Fenner. „Für uns zählt der Zeitpunkt auf dem Labortisch, an dem die Analyse startet. Nicht die Abnahme.“ Wird morgens ein Abstrich genommen, das Untersuchungsmaterial jedoch erst am Abend übergeben, vergrößere sich entsprechend der Zeitraum, bis das Ergebnis vorliegt – unabhängig davon, wie schnell das Labor mit der Auswertung ist.
Proben werden unter Abzug gestellt
Nach der Erfassung wird jede Probe zusammen mit einem zweiten Röhrchen, das eine Flüssigkeit enthält und mit demselben Barcode beschriftet wird, unter einen Abzug gestellt. Es ist der einzige Moment, in dem das Probenmaterial geöffnet wird. „Damit sich die Mitarbeiter nicht anstecken, werden die Viren durch einen Sog im Abzug vom Röhrchen weggezogen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schützen sich selbst mit Kittel, Handschuhen und Maske“, sagt Fenner.
Eine Laborantin, die vor dem Abzug sitzt, schraubt mit schnellen, sicheren Handgriffen die roten Deckel von den Plastikröhrchen mit der Flüssigkeit und reiht sie vor sich auf. Dann öffnet sie die Proben und taucht nacheinander die Tupfer in die zugeordnete Flüssigkeit. „Alles, was am Tupfer dran ist, wird in die Flüssigkeit gesogen“, so Fenner. „Das Virus befindet sich dann in der Flüssigkeit.“ Dieser Ablauf sei analog zu dem der heimischen Selbsttests.
Kittel müssen nicht überall getragen werden
Da Coronaviren RNA-Viren sind, muss die Ribonukleinsäure anschließend extrahiert werden. Dieser Vorgang geschieht automatisiert. Es ist einer der wenigen – 80 Prozent erfolge per Hand. In einem der Räume rattert zwar eine Maschine, die wie eine große Laserröhre aussieht und in der Lage ist, alle Schritte der Testauswertung automatisch zu vollziehen. Die Anschaffungskosten liegen jedoch bei 250.000 Euro, und der Platz im Labor ist begrenzt – eine weitere daher keine Option.
Ist die RNA extrahiert, wird ihr ein chemisches Gemisch hinzugefügt. Erst dann erfolgt die eigentliche PCR-Analyse. Fenner läuft durch die drei angrenzenden Räume, die erstaunlich wenig klinisch wirken. Keine kahlen Fliesen, sondern Regalbretter, auf denen Aktenordner stehen, säumen die Wände. Hier und da liegen Laborutensilien, Papiere und Zettel herum. Auch Kittel müssen nicht überall getragen werden. Nur dort, wo Untersuchungsmaterial verunreinigt werden könnte.
Sequenz wird immer weiter verdoppelt
In dem Raum, in dem die finale Analyse durchgeführt wird, stehen acht große „intelligente Heizblöcke“, sogenannte Thermalcycler, die an Monitore angeschlossen sind. Rote und grüne Linien schlängeln sich über die Bildschirme. Sehr viele sind rot. Und sehr viele verlaufen steil – so wie die Inzidenzkurve. „Das ist schon beunruhigend“, sagt Fenner.
Die Temperatur in den Heizblöcken liege bei 95 Grad, um die DNA aufschneiden zu können. Den Prozess, der dann folgt, veranschaulicht der Facharzt für Mikrobiologie und Infektiologie mit Konfetti und Luftschlangen. „Der Doppelstrang der DNA wird in zwei Einzelstränge aufgeschnitten“, sagt er und zieht die bunten Papierstreifen einer Luftschlange auseinander. Einen davon zerteilt er in mehrere kleinere gleich große Stücke. „Es wird eine Sequenz herausgenommen, die immer weiter verdoppelt wird.“ Dann schmeißt er erst einen Konfettischnipsel auf den Boden, bevor er eine ganze Handvoll hinabrieseln lässt. „Wir vermehren sie so oft, dass wir das Virus sichtbar machen können.“
CT-Wert mit Vorsicht zu betrachten
Der Vorgang des Verdoppelns wird als Zyklus bezeichnet. 40 Vermehrungszyklen durchläuft das Material in der Maschine. „Wenn das Virus nach 15 Wiederholungen sichtbar wird, hat die betreffende Person viele Viren, wenn der Test erst bei 35 positiv wird, dann waren im Ausgangsmaterial nur wenig Viren“, erklärt Fenner. Dieser Wert wird als CT-Wert bezeichnet und gibt an, wie hoch die Viruslast eines Infizierten ist. „CT“ steht für „Cycle-Threshold“. Je niedriger der CT-Wert, desto höher die Viruslast – und desto ansteckender die Person.
Mittlerweile spielt der Wert eine große Rolle. „Das RKI hat eine Grenze gezogen, die besagt, dass jemand mit einem CT-Wert von über 30 im Verlauf nicht mehr infektiös ist.“ International liegt der Schwellenwert zum Teil höher. Bei den Olympischen Winterspielen in Peking wurde der CT-Wert von 40 auf 35 herabgesetzt. Der CT-Wert sei jedoch mit Vorsicht zu betrachten, gibt Fenner zu bedenken. „Es kommt darauf an, wie und zu welchem Zeitpunkt der Infektion der Abstrich genommen wurde und ob die Methoden bei der Auswertung den gleichen Standards entsprechen.“
„99,9 Prozent haben sowieso Omikron“
700 positive Tests verzeichne das Labor am Tag. Eine Mutationsanalyse werde nur noch bei Proben mit einem CT-Wert unter 25 durchgeführt. „99,9 Prozent haben sowieso Omikron.“ Eine Sequenzierung von fünf Prozent aller positiven Proben sei jedoch außerdem immer vorgeschrieben. „Das ist wichtig, um zu prüfen, ob eine neue Variante im Busch ist.“ Die ausgewerteten Proben müssen eine Woche lang im Labor aufbewahrt werden. Sie lagern in per Hand beschrifteten weißen Boxen, die sich – in Metallregalen nach Wochentagen sortiert – bis unter die Decke stapeln. Bei Nachfragen müssen die Labormitarbeiter in der Lage sein, das exakte Röhrchen ausfindig zu machen. „Eine undankbare Aufgabe“, sagt der 63-Jährige und lacht.
Die Stimmung im Labor ist gut. Die Anspannung sei gewichen – auch wenn die Tage lang und stressig sind und das Aufgabengebiet einseitiger. Statt Noro-, HIV- oder Hepatitis-Viren zu bestimmen, werde in den Laboren seit Beginn der Pandemie überwiegend auf Corona getestet. Mittlerweile habe man sich an das enorme Pensum gewöhnt.
Corona Hamburg: Auswertung dauert circa sechs Stunden
„Vor zwei Jahren, bevor der Corona-Wahnsinn anfing, hatten wir gerade mal 400 Proben am Tag“, sagt Sabine Simon, leitende medizinisch-technische Angestellte. „Darüber lachen wir heute.“ Die Auswertung eines Tests dauere im Schnitt sechs Stunden. „Wenn alles gut läuft“, sagt der Laborchef. Durch die Vielzahl der Proben komme es jedoch zu Verzögerungen. Bei manchen Leuten sei das Verständnis dafür gering.
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Die PCR-Analyse gilt als der Goldstandard unter den Tests. Die Fehlerrate liegt anders als bei Antigen-Schnelltests bei nur 0,1 Prozent. Angesichts der kaum mehr zu bewältigenden Nachfrage hat die Politik gegengesteuert und die Tests priorisiert. Fenner begrüßt das: „Es stellt sich doch die Frage, welche politischen Konsequenzen werden überhaupt aus den Tests gezogen?“ Bislang sei das Labor um Nachtschichten herumgekommen. „Die Pläne liegen aber bereit.“