Hamburg. Expertin Katrin Hinrichs und Hajo Schumacher sprechen über den Wandel und die Vorteile der aufregenden Clubs – und über Regeln.

Bei dem einen geht es um Rechtsmedizin und Kriminalfälle, bei dem anderen um unser aller Sexualleben. Immer im Wechsel finden Sie an dieser Stelle unter dem Motto „Sex&Crime“ das Beste aus zwei unserer erfolgreichsten Podcasts. Heute das Thema bei „Ich frage für einen Freund“: Swingerclubs.

„Du hast dir das Thema explizit gewünscht. Schlummert da etwa ein unterdrücktes Bedürfnis in dir?“, fragt Moderator Hajo Schumacher die Expertin Katrin Hinrichs, die in Hamburg als Sexualtherapeutin arbeitet. Sie antwortet: „Ich möchte das Ganze mal etwas aus der Schmuddelecke herausholen, damit nicht alle bei dem Thema immer nur große Augen machen. Seit der neosexuellen Revolution haben sich die Swingerclubs nämlich total verändert.“

Festgefahrene Beziehung: Frau besuchte Swingerclub

Sie habe einen Fall aus der Praxis mitgebracht: „Die Beziehung war festgefahren, zweimal die Woche gab es angeblich noch Sex, aber immer nur wie er es wollte. Der – wie die Frau – noch recht junge Mann hatte eine sehr dominante Art und fand es auch nicht besonders gut, wenn andere Männer seine Frau genauer anguckten, etwa beim gemeinsamen Schwimmengehen. Dann beschloss die Frau, mit ihrer Freundin mal vom Land – da wohnt sie – in eine größere Stadt zu fahren. Und dort hatte sie ein Erlebnis, das ihr richtig gutgetan hat und nun nicht mehr aufgeben wollte.“

Konkret ging es um einen Besuch in einem Swingerclub. Und dafür sei die Anonymität der Großstadt natürlich besser als die Nähe auf dem Land, wo fast jeder jeden kennt oder zumindest die Gefahr größer ist, ins Gerede zu kommen.

Swingerclubs haben sich verändert

„Nun ist nicht ein Club so wie der andere, es gibt da inzwischen eine unfassbare Bandbreite“, sagt Schumacher. Es ginge heute nicht mehr um einen abgeranzten Rammelschuppen irgendwo im Wald, moderne Clubs in Berlin oder Hamburg hätten viel mehr zu bieten, etwa verschiedene Tanzflächen und viele Seitenräume, in die man sich zurückziehen könne – aber natürlich niemals müsse.

„Da kann man rumflanieren, da kann man vieles ausprobieren – auch zum Beispiel das Zugucken, wenn ein anderer sich deiner Frau annimmt. Aber, und das ist wichtig: Jeder, der dahingeht, entscheidet selbst, wie viel er zulässt oder auch nur anhat. Einzige Bedingung ist: Nicht in Jeans, Polohemd und Sneaker kommen, eher verkleidet als Hexe oder Königin.“

Strikte Regeln und Benimmlisten

„Ein moderner Swingerclub ist auch etwas für Leute mit einem Fetisch. Die können da sogar alleine hingehen und ihre Fantasien ausleben. Die Atmosphäre lädt dich sexuell auf, was du dann daraus machst, bleibt ganz und gar deine Entscheidung. Und ganz wichtig: In einem guten Club fliegt jeder sofort raus, der ein Nein nicht akzeptiert“, sagt Hinrichs.

Schumacher ergänzt: „An jeder Bar in solchen Clubs steht eine sogenannte Benimmliste. Handys oder Smartphones sind strikt untersagt, Verkleidungen bis zur Unkenntlichkeit absolut möglich und auch üblich. Es gibt im KitKatClub in Berlin zum Beispiel jeden Tag ein anderes Motto und natürlich immer ein hohes Maß an Toleranz und große Kreati­vität bei der Auswahl der Klamotten. Da wird nicht einfach plump aus dem nächstbesten Lack-und-Leder-Shop bestellt. Wenn sich jemand mit Alufolie und Draht einwickelt, kann das hundertmal origineller sein.“

Ernsthaftes Kennenlernen auch im Club möglich

„Es ist gut, dass du das mal so genau aussprichst. Ich habe Singlefrauen in meiner Praxis, die sind 40plus, arbeiten viel, haben Stress im Job, und die möchten etwas Spaß haben. Mal machen sie mit, mal nicht. Manche haben im Club sogar jemanden kennengelernt, und das auf eine viel sichere Art, als wenn sie abends durch die Kneipen ziehen“, sagt Hinrichs.

Und wie findet man den richtigen Club für sich? Schumacher: „Da muss man einfach nur ein bisschen im Internet suchen, dann ploppen schon einschlägige Bewertungen und Erlebnisberichte auf. Was den KitKatClub angeht, weiß ich, dass dorthin Menschen aus ganz Europa kommen, weil sie schon davon gehört haben.“ Er habe mal mit einer Frau aus der katholischen Kirche darüber gesprochen, und die habe gesagt: „Hallelujah.

Klare Absprachen vor dem ersten Besuch

Wenn es von solchen Orten mehr geben würde, dann hätten wir vermutlich weniger Probleme auf dieser Welt. Das ist doch ein Geschenk des Himmels, wenn du dein Hasenkostüm tatsächlich auch mal in einer gewissen Öffentlichkeit anziehen kannst und deinen Fantasien – respektvoll – freien Lauf lassen kannst.“ Ein Swingerclub wie dieser habe insofern tatsächlich auch eine sozialpsychohygienische Wirkung.

„Ja, das ist alles so“, sagt Hinrichs. „Aber wir dürfen nicht vergessen: Das alles macht manchen natürlich auch Angst. Wenn man zum Beispiel mit seinem Partner dahingeht, bedarf es vorab immer klarer Absprachen. Wie weit hältst du das aus, wenn der andere plötzlich mit einem Dritten Sex hat und zudem noch ein paar Leute dabei zugucken? Was meinen anfangs genannten Fall aus der Praxis angeht: Die beiden haben nie darüber gesprochen, und wahrscheinlich sind die auch nicht mehr zusammen.“

Eifersucht kann auch toxisch werden

Bis zu einem gewissen Maße sei Eifersucht ja normal, sagt Schumacher. Ab einer bestimmten Menge jedoch könne es richtig toxisch werden. „Wenn du riesigen Schiss davor hast, dass dir im Swingerclub plötzlich oder auch schleichend dein Partner abhanden kommen könnte, öffnet sich ein echtes Forschungsfeld für deine Beziehung.“ Da könne man dann auch mal an die Wurzeln des eigenen Ichs gehen.

Und was die Verkleidungen angeht: „Vielleicht zeigen diese einem Menschen ja einfach nur an, wer oder wie man wirklich im Leben gerne sein will.“