Hamburg. Nächste Runde in der Auseinandersetzung zwischen den großen Live-Clubs und der Hamburger Veranstaltungsszene. Offene Briefe.
Im Streit um Plakatwände für Corona-Leugner an Docks und Großer Freiheit 36 fordert ein neues Aktionsbündnis aus Clubs, Veranstaltern und Künstlern den Austritt der beiden größten Live-Musikclubs der Stadt aus dem Clubkombinat. Auch die kleineren Bühnen Prinzenbar, Kaiserkeller und Galeria 36 sollten entsprechende Konsequenzen ziehen, hieß es in einer am Sonnabend veröffentlichten Stellungnahme, die vom Uebel & Gefährlich, Golden Pudel Club, Millerntor Gallery, Astra Stube, Roter Flora, Molotow und weiteren 63 Unterstützern aus der Eventbranche unterzeichnet wurde.
Docks und die Große Freiheit 36 hätten sich mit ihrer letzten Stellungnahme "klar auf einem Feld positioniert, was fernab unseres kulturellen und gesellschaftlichen Miteinanders basiert". Die Verfasser der Plakatinhalte sowie die Club-Betreiber müssten mit den Konsequenzen ihrer freien Meinungsäußerung leben, hieß es seitens des Bündnisses, das auch auf Anfang März in der Großen Freiheit 36 abgehaltene Pressekonferenz des Corona-kritischen "Bündnis für Aufklärung" Bezug nahm: "Hier wurden unter anderem schlimme Krankheitsverläufe des Corona-Virus geleugnet. Dies ist ein Schlag ins Gesicht für alle betroffenen Menschen, die Freund*innen und Familienangehörige durch das Virus verloren haben."
Clubkombinat: "Ihr treibt bewusste Spaltung voran"
Auch das Hamburger Clubkombinat selbst, aus dem sich das Aktionsbündnis rekrutiert, ging Docks und Große Freiheit 36 nach deren Reaktion auf den Boykott nahezu sämtlicher Hamburger Konzertagenturen am Sonnabend erneut scharf an. In einem offenen Brief schrieb der Zusammenschluss an Karl-Hermann Günther (Gründer und Betreiber von Docks und Große Freiheit 36), Susanne Leonhard (Geschäftsführerin Docks) und Benjamin Steinicke (Geschäftsführer Große Freiheit 36): "Ihr treibt eine bewusste Spaltung unserer Gesellschaft und vor allem auch der Club- und Kulturszene unmittelbar voran."
Mit ihrer Kritik zielte das Clubkombinat, in dem dem fast alle Clubs der Stadt vertreten sind und das Leonhard bereits im vergangenen Jahr aus dem Vorstand geschmissen hatte, auf die Entscheidung von Docks und Großer Freiheit ab, an ihren umstrittenen Plakatwänden festhalten zu wollen. Dort wird seit Sommer 2020 vor allem Kritikern der Corona-Maßnahmen ein Forum geboten. "Corona – ein globaler Staatsstreich" hieß es etwa auf einem Plakat, weitere verwiesen auf umstrittene Persönlichkeiten wie dem nach antisemitischen Äußerungen vom rbb gekündigten Radiomoderator und Verschwörungmythologen Ken "KenFM" Jebsen.
Clubkombinat prüft Schritte gegen Docks und Große Freiheit 36
Zuletzt hatten sich FKP Scorpio, Karsten Jahnke Konzertdirektion, STP Hamburg Konzerte und viele weitere namhafte Agenturen von den international bekannten Clubs distanziert und angekündigt, "unter diesen Bedingungen" dort keine Konzerte mehr durchführen zu wollen. "Den daraus entstehenden Schaden für alle Gäste und den Kulturstandort der weltoffenen Stadt Hamburg werden wir dafür in Kauf nehmen", hieß es in dem Schreiben der Veranstalter vom Donnerstag. Docks und Große Freiheit 36 reagierten auf die Ankündigung mit einer Mischung aus Einsicht und Trotz. "Wir werden die Wände weiterhin als Plattform benutzen, um die Meinungspluralität unserer liberalen Gesellschaft zu erhalten", schrieben der Kieler Veranstalter Günther & Co.
Außerdem hieß es darin: "Selbstverständlich distanzieren wir uns von Rassismus, Nationalismus, Faschismus, Extremismus und Gewalt." Eine Formulierung, die beim Clubkombinat auf Unverständnis stößt. "Eine echte Distanzierung wäre, keinen Raum zu bieten, in dem Grenzen verwischt und Fakten verklärt werden", antwortete die Vereinigung am Sonnabend. "Der Schaden, der durch Eure Wandaktionen an den Außenfassaden Eurer Clubs entsteht, ist groß. Es ist uns völlig unverständlich, dass ihr trotz allem an der Plakatwand festhalten wollt." Es sei bedauerlich, dass sich die Positionen nun "weiter zu verhärten scheinen".
Der Vorstand des Clubkombinats prüfe nun weitere Schritte, stehe aber für "vermittelnde Gespräche mit allen Beteiligten" weiter bereit. "In einer Demokratie gilt es stets miteinander im Gespräch zu sein und einer Radikalisierung entgegenzuwirken", hieß es in dem offenen Brief.