Hamburg. Immer mehr Flüchtlinge erreichen Hamburg, die Notunterkunft in der Messe ist voll. Wo die Menschen nun unterkommen sollen.
Eine etwa 250 Meter lange Warteschlange zieht sich am Mittwochnachmittag entlang der Hammer Straße in Wandsbek. Seit den frühen Morgenstunden stehen dort Hunderte Ukrainerinnen und Ukrainer, um sich bei der Zentralen Ausländerbehörde registrieren zu lassen. Bei kalten Temperaturen verteilen Helfer Nahrung und warme Getränke. Kinder malen mit Kreide Ukraine-Flaggen auf den Boden.
„Als ich um sieben Uhr zur Arbeit gefahren bin, standen die Menschen schon hier. Die Schlange war da schon so lang, wie sie nun am Mittag ist. Da mussten wir einfach etwas tun“, sagt Helferin Silvia Bell, die die Kindertagesstätte in der benachbarten Rantzaustraße leitet.
Immer mehr Flüchtlinge aus der Ukraine erreichen Hamburg
Überrascht von dem Andrang war auch Kyrylo Korsun, Vertreter der Freiwilligenorganisation Norddeutsch-ukrainischer Hilfsstab: „Die Leute stehen hier schon seit fünf Uhr. Es sind deutlich mehr, als wir erwartet hatten.“ Sein Team machte mit einem Megafon Durchsagen, um Helfer aus den Reihen der Geflüchteten zu finden: „Wir brauchen vor allem Übersetzer. Es ist wichtig, dass die Menschen Informationen bekommen, wie es weitergeht.“
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde gegen elf Uhr eine mobile Toilette aufgestellt. Zu diesem Zeitpunkt hatten einige Personen schon mehrere Stunden in der Schlange gestanden. Unterdessen bemängelte eine junge Hamburgerin, die ihre Verwandten aus der ukrainischen Großstadt Dnipropetrowsk empfangen hatte, eine unzureichende Einhaltung von Corona-Schutzmaßnahmen: „Wir stehen hier seit 6.30 Uhr. Alle sind dicht an dicht, es werden kaum Masken getragen. Wenn hier nur ein paar Personen infiziert sein sollten, würde sich das enorm ausbreiten.“
Hamburg will Aufnahmeprozess für Ukrainer entzerren
Zur Registrierung bei der zentralen Ausländerbehörde waren ausschließlich Geflüchtete gebeten worden, die bereits eine Unterkunft in Hamburg haben. Die Stadt wollte damit den Aufnahmeprozess weiter entzerren, nachdem es im Ankunftszentrum in Rahlstedt zu langen Wartezeiten gekommen war.
Dennoch musste die Polizei am Mittwoch den Großteil der Personen um 14.30 Uhr wieder wegschicken. Bleiben durften nur Menschen, die noch die Aussicht hatten, einen Termin am Mittwoch zu bekommen. Der Senat gab kurz darauf über Twitter bekannt, dass privat untergebrachte Schutzsuchende gebeten würden, in den kommenden Tagen vorzusprechen. Nachteile würden dabei nicht entstehen.
Laut Innenbehörde seien allein am Dienstag fast 600 Menschen im Ankunftszentrum am Bargkoppelweg in Rahlstedt und am Standort des Amtes für Migration an der Hammer Straße in Wandsbek registriert worden. Seit dem 24. Februar wurden somit insgesamt 2098 Schutzsuchende aus der Ukraine registriert, die im Zuge der Kriegshandlungen nach Hamburg geflüchtet sind.
1100 Menschen nun in städtischen Unterkünften
Auch am Mittwochnachmittag rechnete die Behörde damit, dass sich bis zum Abend rund 700 Menschen registrieren würden – der Großteil davon am Standort Hammer Straße. „Der Andrang ist weiterhin groß, sodass die Registrierung noch nicht in allen Fällen abgeschlossen ist“, sagte ein Sprecher der Behörde. Nachdem am Montag rund 1600 Menschen das Ankunftszentrum am Bargkoppelweg erreichten, ist die Zahl am Dienstag wieder zurückgegangen. Am Ankunftszentrum und am Standort des Amtes für Migration wurden rund 750 Personen gezählt.
Die Behörde gab an, dass inzwischen mehr als 1100 Menschen in städtischen Unterkünften untergebracht seien. Bereits vor zwei Wochen hatte der Senat angekündigt, in einem ersten Schritt rund 2000 bis 3000 Plätze aus der vorhandenen Unterkunftsstruktur zur Verfügung zu stellen. „Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen und der anhaltenden Fluchtbewegungen aus der Ukraine baut Hamburg seine Kapazitäten zur Versorgung und Unterbringung kontinuierlich aus.“ Neben dem bestehenden Unterkunftssystem beträfe das auch die Nutzung von Hotels oder Jugendherbergen.
Alle 950 Plätze in den Hamburger Messehallen belegt
Unterdessen bleibt auch die Auslastung der Messehallen hoch. „Nur Bewohner dürfen rein“, sagt die Security vor der Notunterkunft immer wieder. Ob Übersetzer, Besucher oder Journalisten: Sie werden am Mittwochvormittag am Zaun vor der Halle A3 abgewiesen. Die Schranke vor dem Parkplatz hebt sich nur für Sprinter des Deutschen Roten Kreuzes. Die Organisation betreibt die Notunterkunft.
Am Mittwochvormittag gab sie bekannt: Dienstagnacht kamen weitere 400 Menschen an. Deswegen sind nun alle 950 Plätze belegt. „Wir haben nun kurzfristig 250 weitere Betten in der Halle aufgestellt“, sagt Markus Kaminski, Projektleiter für Öffentlichkeitsarbeit beim DRK Hamburg, dem Abendblatt. Davon seien bereits einige belegt. „Eine weitere Halle ist in Aussicht. Unklar ist, ob und wann sie genutzt werden kann“, so Kaminski. Für weitere Schritte warte man auf Anweisungen aus der Sozialbehörde, auf die man „von jetzt auf gleich“ reagieren werde.
Da die Unterbringung in den Messehallen nur für eine kurze Aufenthaltsdauer gedacht sei, könne sich die Auslastung täglich ändern, betont ein Sprecher der Innenbehörde. Kaminski beschreibt die Stimmung in den Messehallen als „erstaunlich ruhig. Die Menschen gehen dort sehr friedlich miteinander um“. Auch die Bewohner selbst schildern die Atmosphäre mit denselben Worten – ruhig, obwohl es so voll ist.
Familien bekommen einen eigenen Raum
Auf Bildern sieht man, dass in einem Abteil über zehn Betten dicht an dicht stehen. Vor der Unterkunft ist davon nicht viel zu merken. Auf dem Parkplatz stehen etwa 20 Personen draußen, Kinder spielen Ball. Immer wieder verlassen Bewohner das Gebäude, um Besorgungen zu machen oder in den Park zu gehen. Für Essen, Kleidung und Waschmöglichkeiten sei ausreichend gesorgt, berichten sie. Eine Ukrainerin mit Kind auf dem Arm, die ihren Namen nicht nennen möchte, ist erleichtert: Weil sie als Familie kam – mit drei eigenen Kindern und ihrem Neffen – hätten sie einen privaten Raum bekommen.
Auch die junge Ukrainerin Tanja Bjelikova weiß: „Familien kriegen einen eigenen Raum für vier bis fünf Personen.“ Bjelikova kam hingegen nicht mit der Familie. Sie schlafe mit mehr Menschen in einem großen Raum: „Ich schätze, es sind um die 60 Personen.“
Parallel zur kurzzeitigen Unterkunft in den Messehallen bereite die Stadt eine Unterbringung von bis zu 900 Kriegsflüchtlingen an der Schnackenburgallee vor. Die CDU forderte den Senat angesichts des Zustroms auf, die Bundeswehr bei der Unterbringung der Ukraine-Flüchtlinge um Hilfe zu bitten. „Hamburg muss umgehend weitere Unterkünfte in der ganzen Stadt schaffen“, so CDU-Fraktionschef Dennis Thering.