Hamburg. Mehr als schlank und schön: Konzept wandelt sich. Miss Germany Corporation will Maßstäbe setzen. Wie eine Hamburgerin das erlebt.
Große, schlanke, unverheiratete Frauen konkurrieren auf der Bühne miteinander im knappen Bikini. Das ist das Bild früherer Miss-Wahlen, doch dafür möchte die Miss-Germany-Wahl 2021/22 nicht mehr stehen. „Es geht eben nicht darum, wer die Schönste im ganzen Land ist, sondern: Wer kann unser Land wirklich bewegen?“, sagt Max Klemmer, Geschäftsführer der Miss Germany Corporation.
Der Enkel des Firmengründers Horst Klemmer betont, Miss Germany wolle den Vorbildern von morgen eine Plattform für Inspiration und Austausch geben: „Alles steht unter dem Motto des Female Empowerment. Wir wollen die Gleichberechtigung in Deutschland weiter fördern, ob bei den Themen Frauenquote, Frauen in Führungspositionen oder in Mutterschaft“, so Klemmer. Dieser Konzeptwandel sei mit dem Wechsel in der Familie einhergegangen. Max Klemmer übernahm vor vier Jahren die Geschäftsführung.
Hamburgerin nimmt an Miss-Germany-Wahl teil
Unter den 160 Kandidatinnen der Miss Germany 2021/22 ist die 27-jährige Wahlhamburgerin Sabrina Patoka. Die selbstständige Investment-Maklerin hat schon mit 14 Jahren in Husum an einem Schönheitswettbewerb teilgenommen. Mit einem solchen habe die diesjährige Miss-Germany-Wahl aber nur noch wenig zu tun, sagt auch sie: „Es ist trotzdem noch ein Schönheitswettbewerb, aber natürlich auch von innen heraus.“
Sabrinas innere Motivation, so erzählt sie, sei es, auf die ihres Erachtens weltweit dringendsten Probleme und deren Lösung aufmerksam zu machen: „Gesundheit, Gerechtigkeit in Bezug auf den Welthunger, Klimawandel, aber auch Gerechtigkeit gegenüber Tieren und den Nachhaltigkeitsaspekt. Ich finde all diese Punkte haben eine Ursache, die auf unsere Ernährung zurückgeht.“ Als Ausgleich zum Beruf habe sie deshalb ein eigenes Superfood-Unternehmen aufgebaut.
Sabrina Patoka kann nicht Miss Hamburg werden
Eine attraktive junge Frau, die auf ihre Ernährung achtet – Sabrina hätte wohl auch vor dem Wandel der Wahl schon in die Reihe der Miss-Germany-Teilnehmerinnen gepasst. Miss Hamburg könne sie aber nicht werden, denn dieses Jahr gebe es zum ersten Mal keine Vorauswahl in den einzelnen Bundesländern mehr.
Früher sei zudem die deutsche Staatsbürgerschaft wichtig gewesen, um mitmachen zu dürfen, auch das spiele dieses Jahr keine Rolle mehr. Darüber hinaus fallen Beschränkungen hinsichtlich Größe oder Gewicht weg – und nun ist eine Bewerbung auch für Frauen bis 39 Jahren möglich.
Hamburger Soziologin kritisiert Altersdiskriminierung
Dr. Pamela Kerschke-Risch, Soziologin an der Universität Hamburg, befürwortet zwar die Hochsetzung des Alters, kritisiert aber eine Form der Altersdiskriminierung: „Das finde ich sehr bedenkenswert, dass Schönheit mit jugendlichem Alter gleichgesetzt wird.“ Die Hamburger Soziologin sieht es als positiv an, dass auch Werte ab von der äußerlichen Schönheit bei dem Wettbewerb eine Rolle spielen. Als inneren Widerspruch bemängelt sie jedoch, dass für eine Bewerbung trotzdem Bildmaterial gefordert werde: „Wenn das Äußere völlig egal wäre, bräuchte es auch keine Fotos.“
Für die diesjährige Wahl habe es viermal so viele Bewerberinnen gegeben wie zu Zeiten, als es noch ein klassischer Schönheitswettbewerb war, erklärt Max Klemmer. Mit 12.000 Bewerbungen sei dieses Jahr zwar nur das mit dem zweitgrößten Andrang gewesen, dafür aber mit dem diversesten. Die Frauen konnten sich für die neuen Kategorien Gaming oder Bildung bewerben, aber auch wieder für Familie oder Fashion: „Wir wollen auch nicht ausschließen, dass man im klassischen Sinne fraulichere Themen nicht mehr bedienen darf“ meint Max Klemmer.
Interessierte können online abstimmen
In der nächsten, im Hamburger Studio Gleis ausgerichteten Runde, können Interessierte den Wettbewerb per Live-Stream verfolgen und im einzigen Online-Voting für ihre Kandidatin abstimmen. „Da wird man bestimmt auch das ein oder andere mal an seine Grenzen stoßen“ mutmaßt Sabrina.
Sie sei bisher noch nicht 100-prozentig an ihre Grenzen gestoßen, „aber es war schon eine neue Erfahrung, im Live-Talk vor einer Vielzahl von Menschen zu stehen.“ Über die Top 40 entscheide infolgedessen eine zu 95 Prozent weibliche Fachjury, erläutert der Geschäftsführer. Diese urteile anhand dreier komplett neuer Kriterien: Entwicklungspotenzial, Inspirationsfähigkeit, Professionalität.
Gewinnerin ist als Botschafterin aktiv
Ein Unterschied zu früher sei auch, dass unter den 160 Kandidatinnen der Zusammenhalt viel stärker sei „Man sieht sich überhaupt nicht als Mitbewerber und schon gar nicht als Konkurrent“, erklärt Sabrina. Trotzdem müsse es am Ende natürlich eine Gewinnerin geben. Am 19. Februar 2022 findet das Finale in der Europa-Park-Arena in Rust statt.
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„Dann gibt es vielleicht diese eine „Leuchturmfigur“ mit der Miss Germany, aber die ist viel mehr als Botschafterin aktiv und nicht als Gewinnerin“, glaubt Max Klemmer. Der Hauptgewinn sei nicht mit einem Betrag dotiert, sondern bestehe vielmehr in der Zusammenarbeit mit der Miss Germany Corporation in Form von Podiumsdiskussionen oder einer Start-up-Finanzierung, je nach Vision der Gewinnerin.
Miss-Germany-Wahl als Vorreiter für andere Länder
Auch für andere Länder sei die deutsche Ausgabe der Miss-Wahl Vorreiter, meint Klemmer. Müsste er der aktuellen Wahl ein Adjektiv zuschreiben sei es wohl „vielfältig“. Dr. Pamela Kerschke-Risch befürwortet einige Neuerungen der Miss Germany 2021/22, wie die Präsenz der Frauen in der Jury und die Möglichkeit des Online-Votings. Sie gibt aber zu bedenken, dass sowohl bei Veranstalter, als auch bei den Teilnehmerinnen ökonomische Interessen bestünden und glaubt, es gebe „Diversity-washing“.
Der Geschäftsführer Max Klemmer nimmt diesen Vorwurf vorweg: „Ich glaube, dass wir noch lange nicht da sind, dass der Feminismus genug Fläche in Deutschland hat. Ich kann nur sagen: Wir machen das nicht aus Marketinggründen, sondern wollen wirklich etwas bewegen.“ Offizielle Schönheitswettbewerbe, die gesunde Ernährung und gesunde Körper propagierten, so Kerschke-Risch, könnten Frauen helfen, zu einem gesunderen Körpergefühl zu gelangen. Das ist es, was auch Sabrina will.