Hamburg. Gehäkelte Dragqueen an den Landungsbrücken. Erfährt die Puppe das gleiche makabere Schicksal wie der kleine Tony Marshall?

Kreidemalerei? Bekannt. Graffiti? Sowieso. Aber was, bitteschön, ist Yarnbombing? Die simple Erklärung: Dabei handelt es sich um gehäkelte oder gestrickte Kunstwerke, mit denen die Urheber mit einer überraschenden Platzierung den öffentlichen Raum verschönern wollen. Wollgraffiti, sozusagen.

Diese noch relativ junge Form der Straßenkunst hat nun auch in Hamburg ihr erstes – wenn auch vergleichsweise kleines – Ausrufezeichen erfahren. Unfreiwillig mitverantwortlich dafür ist Olivia Jones. Deutschlands bekannteste Dragqueen ziert nun als 40 Zentimeter großes, gehäkeltes Ebenbild ein Geländer an den Landungsbrücken, mit Elbphilharmonie und Museumsschiff Rickmer Rickmers im Rücken.

Yarnbomberin stellte einen Weltrekord auf

Schöpferin der Puppe ist Elke Hahn, die hierzulande unter ihrem Künstlernamen Gassenmaschen als eine Vorreiterin des Yarnbombing (Yarn = engl. für Garn) gilt und sich als Weltrekordlerin im Poller umhäkeln auch international schon einen Namen gemacht hat.

2016 startete die passionierte Handarbeiterin mit ihrem auch als Guerilla Knitting bekannten Hobby richtig durch. Nach einer viel beachteten, 13 Meter langen Häkel-Installation mit ihrer Yarngang in Frankfurt ("Wollkenkratzer"/2018) folgte zuletzt die Verschönerungs-Initiative "Hotspot against Corona", der sich Häkler in 18 deutschen Städten anschlossen. Nun ist die Stuttgarterin erstmals in Hamburg aktiv geworden.

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Yarnbombing: Darum fiel die Wahl auf OIivia Jones

Da Elke Hahn für ihre Aktionen stets einen Bezug zur Stadt herstellen möchte und sich verstärkt mit Randgruppen beschäftigt, fiel die Wahl für ihre Hamburg-Premiere ganz bewusst auf Olivia Jones. "Sie hat so viel für die Pride-Bewegung in Deutschland getan, sie hat sich ihr gehäkeltes Denkmal wirklich verdient", sagt die 59-Jährige über die Kiezgröße.

Das Original und sein Abbild: Olivia Jones ziert Hamburg jetzt als gehäkelte Puppe.
Das Original und sein Abbild: Olivia Jones ziert Hamburg jetzt als gehäkelte Puppe. © Elke Hahn | Unbekannt

Und die hatte übrigens keine Kenntnis von ihrer außergewöhnlichen Hommage. Sie habe zwar einerseits versucht, Olivia Jones zu kontaktieren, sagt Elke Hahn. Andererseits schade es nicht, wenn die Guerilla-Aktion auch für das 1,95 Meter große Vorbild ("Da kann mein Püpple nicht mithalten") noch eine Überraschung bleibe. Eine Anbringung der Puppe im Umfeld der Olivia Jones Bar auf dem Kiez scheiterte derweil an den passenden Rahmenbedingungen.

Wie lange wird Olivia Jones noch an den Landungsbrücken sitzen?
Wie lange wird Olivia Jones noch an den Landungsbrücken sitzen? "Fotos unserer Werke sind enorm wichtig für uns", sagt Elke Hahn angesichts der kurzen Lebenserwartung ihrer Puppen. © Elke Hahn | Unbekannt

Bei der Verweildauer von Olivia Jones an den Landungsbrücken gibt sich Elke Hahn erst einmal keinen großen Illusionen hin. "Ich gehe davon aus, dass es nicht lange bleiben wird", sagt sie über die Hamburger Installation. Mit der begrenzten Lebenszeit ihrer Kunstwerke hat sich die Schwäbin längst arrangiert. "Ab dem Moment der Ausstellung muss man loslassen", sagt Hahn.

Yarnbombing: Tony Marshall ging es an den Kragen

Ein Lied singen von der begrenzten Haltbarkeit der Puppen kann auch Tony Marshall. Die Gassenmaschen-Ausgabe des Volksmusikstars hatte in Baden-Baden ein geradezu makaberes Schicksal erfahren.

In der Kurstadt wurde das Püppchen des Ehrenbürgers eigentlich von der Bevölkerung geliebt, nach einer Weile aber dennoch von Unbekannten in zwei Stücke gerissen. Eine Anwohnerin meldete den Fall, Elke Hahn setzte den Mini-Marshall wieder zusammen und umrahmt von zwei gehäkelten Bodyguards erneut "provokant" aus.

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Größeres Yarnbombing für Hamburg geplant

Sollte es in Hamburg auch Oliva Jones an den Kragen gehen, gilt: Nach dem Yarnbombing ist vor dem Yarnbombing! Denn eine weitere Aktion für die Hansestadt ist bereits in Planung. "Mit Hamburg habe ich etwas Größeres vor", kündigt die Häkelkünstlerin ein Werk an, für das die Vierfach-Oma mehr als zwei Hände sowie weit mehr als die zwölf in die Travestie-Puppe investierten Stunden benötigen wird.

Mit diesem Text informiert Elke Hahn über ihr Yarnbombing mit Olivia Jones in Hamburg.
Mit diesem Text informiert Elke Hahn über ihr Yarnbombing mit Olivia Jones in Hamburg. © Elke Hahn | Unbekannt

Yarnbombing als Ausgleich zu "trockenem Job"

Auch, wenn das Vorhaben noch geheim ist, überraschen lassen sollen sich zumindest Hamburgs Behörden nicht. Dafür sorgt allein schon das Berufsethos der Künstlerin: Denn Guerilla Knitting klingt zwar rebellisch, doch im normalen Leben geht Elke Hahn einem ordentlichen Beruf nach – im wahrsten Sinne. Im Amt für Ordnung stellt sie Pässe und Ausweise aus. Und auch mit ihren Kunstaktionen möchte sie keinen Behördenärger heraufbeschwören, weshalb sie diese stets anmeldet.

Dennoch bleibt rund ums Yarnbombing noch genug Abenteuer. "Ich bewege mich bewusst in einer Grauzone", sagt Hahn über ihre "Nacht- und Nebelaktionen", die ihr regelmäßig einen Ausgleich für den "trockenen Job auf dem Amt" bieten. "Man kann unendlich kreativ sein." Generell sagt sie über ihr Hobby: "Andere gehen Tennisspielen, ich häkele." Und: "Ich kann mir meinen Traummann häkeln." Oder wie im Fall von Olivia Jones auch ihre Traumfrau – oder eben gleich beides in einem ...

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