Hamburg. Streit zwischen Uni und Justizbehörde: Die UHH drängt auf Jura-Prüfungen in digitaler Form, Senatorin Anna Gallina lehnt Forderung ab.

Zwischen der Universität Hamburg und der Justizbehörde ist ein Streit darüber ausgebrochen, wie Prüfungen in Zeiten der Corona-Pandemie abgehalten werden. Uni-Präsident Prof. Dieter Lenzen hat in einer Dienstanweisung vom Dezember verfügt, dass „präsentische Prüfungen“, insbesondere mündliche Prüfungen, bis auf Weiteres nicht stattfinden dürfen, sondern in digitaler Form abgehalten werden.

Doch nicht immer kann die Universität allein entscheiden. Bei der sogenannten Schwerpunktbereichsprüfung, die zu 30 Prozent in die Gesamtnote des ersten juristischen Staatsexamens einfließt, muss die Justizbehörde jede Änderung der Prüfungsordnung genehmigen. Nachdem das Justizprüfungsamt den Antrag der rechtswissenschaftlichen Fakultät abgelehnt hatte, die mündlichen Prüfungen per Videokonferenz durchzuführen, machte Uni-Präsident Lenzen den Vorgang zur Chefsache.

Prof. Dieter Lenzen bittet um Prüfungen in digitaler Form

In einem, dem Abendblatt vorliegenden Brief an Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) bat er sie „eindringlich, die Position Ihrer Behörde in dieser Frage zu korrigieren“. Lenzen verweist auf zahlreiche Schreiben von Studierenden, „die uns eindringlich darum bitten, sie nicht zu präsentischen Prüfungen zu zwingen“. Auch Lehrende hätten sich in ähnlicher Weise geäußert.

Lenzen begründet den konsequenten Verzicht auf Präsenzprüfungen „mit der klaren Position des Senats der Freien und Hansestadt, ausgesprochen in der öffentlichen Darlegung der Wissenschaftssenatorin: Jeder Kontakt ist ein Kontakt zu viel.“

Senatorin besteht auf Präsenzprüfungen

Dennoch konnte der Uni-Präsident die Senatorin nicht überzeugen. Gallina lehnt mündliche Prüfungen in Form von Videokonferenzen ab und beruft sich dabei auf die Argumente des Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts, Marc Tully, dem das Justizprüfungsamt zugeordnet ist. Dort würden „seit Mai letzten Jahres durchgehend mündliche und schriftliche Prüfungen in Präsenz“ durchgeführt – unter Einhaltung des coronabedingten Hygienestandards, schriebt Tully in einem dem Abendblatt vorliegenden Brief an Gallina.

„Es ist derzeit vonseiten des Oberlandesgerichts nicht geplant, Prüfungen abzusagen oder in digitaler Form durchzuführen“, schreibt der OLG-Präsident Tully weiter und betont, dass viele Examenskandidaten und auch Prüfer eine Präsenzprüfung vorzögen.

Hohe Täuschungsgefahr spricht gegen mündliche Prüfungen per Video

„Dass viele Prüferinnen oder Prüfer der hiesigen Prüfungsämter nach Information von Herrn Prof. Dr. Lenzen den Wunsch nach Umstellung auf eine mündliche digitale Prüfung hegen sollen, kann von mir nicht bestätigt werden“, so Tully. Etwas provokant fügt der Top-Jurist hinzu, es erschließe sich ihm nicht, warum die rechtswissenschaftliche Fakultät mündliche Prüfungen in Kleingruppen „angesichts der Vielzahl der zur Verfügung stehenden großen Vorlesungsräume nicht möglich sein soll“. Lenzen und der Universität geht es allerdings bei der Verlagerung ins digitale Formate nicht zuletzt auch um die Vermeidung der Wege zum Prüfungsort und von dort nach Hause.

Schließlich weist Tully auf die bundesweit einheitliche Vorgehensweise hin. „Stand heute agieren alle staatlichen Prüfungsämter einheitlich; eine Ableistung der mündlichen Prüfungen in einem digitalen Format wird in dem bisher erfolgten Austausch nicht einmal erwogen“, so Tully. Dagegen spreche auch „eine deutliche Täuschungsgefahr, die mit dem hohen Standard der juristischen Abschlussprüfung nicht vereinbar ist“.

Digitale Prüfungen widersrpächen Gleichwertigkeit der Abschlüsse

„Die staatlichen Prüfungsämter beim Hanseatischen Oberlandesgericht und die Bucerius Law School halten nach wie vor an Präsenzterminen bei den mündlichen Prüfung fest. Schon deshalb kommt eine Umstellung auf digitale Prüfungen an der Universität Hamburg nicht in Betracht.

Denn sie widerspräche der in § 30 des Hamburgischen Juristenausbildungsgesetzes geforderten Einheitlichkeit und Gleichwertigkeit der Abschlüsse“, sagt Christine Osterland, Sprecherin der Justizbehörde.

Rechtswissenschaftler kritisieren Begründung gegen digitale Prüfungen

Aus dem Kreis der Rechtswissenschaftler an der Uni ist zu hören, das Gebot der Einheitlichkeit beziehe sich auf den Inhalt, nicht die Form der Prüfungen. Gewissermaßen zähneknirschend bereitet die rechtswissenschaftliche Fakultät nun die schriftlichen Schwerpunktbereichsprüfungen in Präsenzform am 3. und 4. März vor, für die sich bislang 187 Studierende angemeldet haben.

Lesen Sie auch:

Die mündlichen Prüfungen mit bislang 130 Prüflingen werden nicht vor Ende des Monats starten können. Lenzen kann die Argumentation der Behörde nicht nachvollziehen. „Es geht um die Rettung von Menschenleben, und wer sich da Gedanken über mögliche Täuschungsversuche bei Prüfungen macht, ist nicht in der Welt“, sagt der Uni-Präsident.