Hamburg. Verdächtige bei Aktion gegen Drogenhändler festgenommen. Handelte sie aus Liebe? Behörde spricht von einem “einmaligen Fall“.

Offenbar aus Liebe hat eine Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft Hamburg die Seiten gewechselt. Die Frau wurde jetzt bei einer Aktion gegen Drogenhändler festgenommen. Sie hatte nicht nur Drogen deponiert, sondern soll auch ihren Freund und dessen Komplizen mit Informationen versorgt haben. Die Staatsanwaltschaft entfernte die Frau aus dem Dienst.

Der Ermittlungserfolg geht zurück auf Erkenntnisse der Soko „HHammer“, die in den Niederlanden sichergestellte Daten aus einer überwiegend von Kriminellen genutzten Chatplattform auswertet. Seit Monaten ermittelt die Polizei gegen eine Gruppe Krimineller, die in Hamburg im größeren Stil mit Drogen gehandelt hat. Einer der Männer ist ein 25-Jähriger. Zusammen mit einem 24 Jahre alten Komplizen soll er ausgesuchten Kunden Rauschgift, vor allem Kokain und Marihuana, geliefert haben. Die Drogen bekamen sie von einem weiteren Verdächtigen, der sie nahezu täglich beliefert haben soll.

Für die Dealer war die Frau so etwas wie ein Hauptgewinn

Brisant wurde es, als die Polizei die Freundin des 25-Jährigen ermittelte: Die Frau arbeitet bei der Staatsanwaltschaft. Für die Dealer war sie so etwas wie ein Hauptgewinn: Regelmäßig soll sie die Männer über Ermittlungen gegen die Drogenszene informiert haben. Jetzt schlug die Polizei zu. Alle Verdächtigen wurden zunächst festgenommen.

Während die Polizei in der Wohnung des 25-Jährigen lediglich kleinere Mengen Rauschgift und mehrere Tausend Euro fand, stellte man in der Wohnung der Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft 30 Gramm Kokain und 90 Gramm Marihuana sicher, die ebenfalls verkaufsfertig portioniert waren. Offenbar hatte der Mann seine Freundin auch als Depothalterin missbraucht.

Verdächtige konnte zuletzt keine brauchbaren Infos weitergeben

Die Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft kam später wieder frei – wie ihr Freund und dessen Komplize. „Sie hat Haus­verbot. Ihr Dienstausweis wurde ihr abgenommen, die Zugangsberechtigung gesperrt“, sagt die Staatsanwaltschaftssprecherin Nana Frombach.

Zudem werden arbeitsrechtliche Maßnahmen eingeleitet. Die Verdächtige konnte zuletzt keine brauchbaren Informationen mehr weitergeben. Entfernen aus dem Dienst wollte man sie nicht – das hätte die Ermittlungen gefährdet. „Das ist nach meinem Wissen ein bislang einmaliger Fall“, sagt Frombach.

Den Fall hat inzwischen die Generalstaatsanwaltschaft übernommen. Sie sitzt in einem anderen Gebäude, hat andere Möglichkeiten. Vor allem müssen nicht „alte Kollegen“ gegen die Frau ermitteln. Ein Haftbefehl, das hatte eine Prüfung im Vorfeld ergeben, wurde gegen die Verdächtige mangels Verdunkelungs- oder Fluchtgefahr nicht ausgestellt. Die Karriere der Frau – zumindest bei den Behörden – dürfte aber sicherlich beendet sein.

Weiterer Erfolg für die Soko "HHammer"

Der Fall ist ein weiterer Erfolg für die sogenannte Soko „HHammer“. Sie hatte die Daten via Bundeskriminalamt aus den Niederlanden bekommen. Dort war im vergangenen Juni bekannt geworden, dass dort von der Polizei die Plattform „EncorChat“ geknackt worden war.

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Mehr als 20 Millionen unbekümmert geführte Chats aus dem vermeintlich „sicheren“ Netzwerk waren so Ermittlern in die Hände gefallen. Die Chat-Verläufe sind extrem brisant. Das Netzwerk mit rund 60.000 Nutzern wurde nahezu ausschließlich für Geldwäsche, Drogenhandel und anderen kriminellen Geschäften und sogar für die Einfädelung von Mordkomplotten genutzt.

Viele Spuren führen nach Hamburg

Hier hat man bereits zahlreiche Erfolge deswegen gehabt. Mehrere Haftbefehle wurden bereits vollstreckt, zuletzt gab es im Dezember 2020 deshalb eine groß angelegte Razzia mit 15 Festnahmen und Durchsuchungen in Hamburg und dem gesamten Umland.

Noch in den kommenden Monaten und sogar Jahren dürften die sichergestellten Chat-Verläufe Ansatzpunkt für zahlreiche hochkarätige Verfahren sein. „Es ist“, sagt ein Beamter, „eine Quelle für unsere Ermittlungsarbeit, wie wir sie vorher noch nie hatten.“