Hamburg. Der Wunsch nach dem eigenen Pkw ist ungebrochen. Nur in wenigen Stadtteilen ist der Anstieg der Zulassungen gebremst.
Die Zahl der Autos, Lastwagen und Motorräder in Hamburg wächst ungebremst weiter – allen Reden von einer Verkehrswende zum Trotz. Das zeigen neue Daten, die der Senat in einer Antwort auf eine Große Anfrage des CDU-Verkehrspolitikers Richard Seelmaecker vorgelegt hat – und die auch die Entwicklung auf Ebene der Stadtteile sichtbar machen.
Demnach ist die Zahl der angemeldeten Pkw zwischen Jahresbeginn 2015 und 2021 um 7,3 Prozent angestiegen – von 750.510 auf 805.618 Fahrzeuge. Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der Nutzfahrzeuge (vor allem Lkw) sogar um fast 30 Prozent zu – von 63.329 auf 82.138. Die der Motorräder stieg von 52.128 auf 55.999 – ein Wachstum von 7,4 Prozent.
Hamburger wünschen sich eigenes Auto
Die Daten belegen, dass der Wunsch nach einem oder sogar mehreren eigenen Kraftfahrzeugen bei den Hamburgerinnen und Hamburgern ungebrochen ist – und sogar eher noch zunimmt. Denn aus dem Anstieg der Einwohnerzahl lässt sich die wachsende Zahl der Fahrzeuge nur teilweise erklären. Das Bevölkerungswachstum zwischen 2015 und 2021 lag bei etwa 5,1 Prozent – also unter der Zunahme bei Pkw oder Motorrädern.
Interessant ist auch ein Blick auf die Entwicklung der Pkw-Zahlen in den einzelnen Stadtteilen. Dabei zeigt sich angesichts der stadtweiten Entwicklung zwar erwartungsgemäß fast überall eine Zunahme der Pkw-Zahl – es gibt aber Ausnahmen. So dokumentiert die Statistik in den engen und stark belasteten Stadtteilen St. Georg, Eimsbüttel und Hoheluft-West einen leichten Rückgang der registrierten Autos. Möglicherweise hält ein wachsender Teil der hier wohnenden Menschen den Besitz eines eigenen Pkw mittlerweile für entbehrlich. Auch in Bahrenfeld, Marienthal, Hamm, Steinwerder und Altenwerder sank die Zahl. Auf der Insel Neuwerk ging sie gleich um 33 Prozent zurück – was allerdings in absoluten Zahlen nur einer Abnahme von drei auf zwei Pkw entspricht.
Verzerrende Effekte bei Datenerhebung in Hamburg
Nicht nur dieses Beispiel zeigt, dass die vom Senat vorgelegten Zahlen zwar gute Anhaltspunkte für die Entwicklung geben können – bei der Interpretation aber wie bei allen Statistiken auch hier Vorsicht geboten ist. So erstaunt beim ersten Blick auf die Daten zum Beispiel, dass die Pkw-Zahlen in sechs Bezirken zwischen 2015 und 2021 zugenommen haben, in Hamburg-Nord aber zurückgegangen sind, und zwar gleich um satte 17 Prozent.
Eine Nachfrage bei der Verkehrsbehörde offenbart den Hintergrund: „Dort hat ein großer Zulassungsdienstleister seinen Dienstsitz gewechselt, was die Meldezahlen massiv geändert hat“, sagt Verkehrsbehördensprecher Dennis Heinert. Nähere Angaben kann die Behörde zwar nicht machen, aber die vorgelegten Daten legen nahe, dass der Dienstleister von Langenhorn nach Hammerbrook gezogen ist. Denn in Langenhorn nahm die Zahl der gemeldeten Pkw um mehr als 30.000 ab und in Hammerbrook in genau der gleichen Größenordnung zu. Neben solchen verzerrenden Effekten fahren natürlich auch Autos in Hamburg, die in anderen Orten angemeldet sind.
Eimsbüttel verzeichnet geringsten Zuwachs an Pkw
Trotz dieser statistischen Unwägbarkeiten zeigen die Daten aber auch Entwicklungen, die sich Stadtplaner für innenstadtnahe und gut durch HVV, Radwege oder Car-Sharing erschlossene Viertel wünschen. So gibt es in manchen schon lange überlasteten Stadtteilen entweder die oben erwähnten Rückgänge bei den Pkw-Meldezahlen – oder wenigstens unterdurchschnittliche Wachstumsraten beim Autobestand. So nahm die Pkw-Zahl in Eppendorf mit 4,7 Prozent deutlich weniger stark zu als im hamburgweiten Durchschnitt von 7,3 Prozent. In Rotherbaum wuchs die Zahl der Autos nur um 4,3 Prozent und in der Sternschanze um etwa 4,4 Prozent.
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Nimmt man die durch den erwähnten Umzug des Dienstleisters verzerrten Zahlen der Bezirke Mitte und Nord aus der Betrachtung heraus, so verzeichnet der Bezirk Eimsbüttel mit 4,9 Prozent den geringsten Zuwachs an Pkw zwischen 2015 und 2021. Es folgen die Bezirke Wandsbek (plus 6,7 Prozent), Altona (10 Prozent), Bergedorf (10,9 Prozent) und Harburg (12,3 Prozent).
Hamburger müssen Anreize bekommen
Trotz einiger Ausnahme-Stadtteile ist der Trend zum Auto trotz der immer enger werdenden Stadt also ungebrochen. Das sieht auch CDU-Verkehrspolitiker Richard Seelmaecker so. „Nicht erst die Corona-Krise hat gezeigt, dass die Hamburgerinnen und Hamburger weiterhin gerne auch das eigene Auto benutzen“, sagt Seelmaecker. „Wer wie Rot-Grün die Verkehrswende als Ziel für Hamburg verkündet, muss sich fragen lassen, warum die Hamburgerinnen und Hamburger diesem Senats-Ziel bisher überwiegend nicht folgen. Die Vernichtung von Stellplätzen, Bewohnerparken als Mangelverwaltung und die massive Erhöhung der Parkplatzgebühren scheinen zumindest keinen ausreichenden Anreiz zum Umstieg auf andere Verkehrsmittel zu bieten. Infolgedessen rollt eine Staulawine nach der nächsten durch Hamburg.“
Die Folgen für Menschen, Wirtschaft und Umwelt seien „schwerwiegend“, so der CDU-Mann. „Um tatsächlich ein Umdenken und Umsteigen zu erreichen, braucht es einen pünktlichen, verlässlichen und bezahlbaren Öffentlichen Nahverkehr aus Bussen und Bahnen, gut erreichbare und kostenlose Park+Ride-Anlagen und gute und sichere Radwege. Nur mit einem zeitgemäßen Mix aus Bahnen, Bussen, Fähren, Autos und Fahrrädern werden wir die Verkehrsprobleme umweltfreundlich in den Griff bekommen können.“
Hamburger Verkehrsbehörde relativiert Zahlen
Die Verkehrsbehörde von Senator Anjes Tjarks (Grüne) deutet die Lage etwas anders. „Die Zahl der angemeldeten KfZ ist für uns nicht der zentrale Faktor, um den Erfolg der Mobilitätswende zu messen“, so Behördensprecher Dennis Heinert. „Viel wichtiger ist die Nutzung und die lässt sich nicht aus der Zahl der angemeldeten KfZ ableiten.“
Die Verkehrszahlen zeigten „langfristig einen sehr konstantem Trend weg vom Auto und hin zum ÖPNV und zum Fahrrad“, so Heinert. „In der Corona-Krise hat sich dieser Trend noch mal verstärkt: Während der Kfz-Verkehr 2020 um zehn Prozent gesunken ist, stieg die Nutzung des Fahrrads um 33 Prozent. Zwar besitzen Hamburgerinnen und Hamburger offensichtlich gerne ein Auto – sie nutzen es aber deutlich weniger.“