Hamburg. Mit Coupons im Wert von 120.000 Euro geht ein IT-Profi auf Shoppingtour bei Amazon. Die Beweismittel fuhr er selbst zur Polizei.

So richtig ersichtlich wird auch am Ende des Prozesses nicht, wer den Schaden hat: die Hamburger Firma, die mit Einkaufsgutscheinen von Amazon handelte und deren IT-Schwachstelle der Angeklagte ausnutzte? Der Online-Versandriese selbst? Oder die (mutmaßlich) wenigen Endkunden, die nach geraumer Zeit ihre Gutschein-Codes doch noch einlösen wollten, das aber nicht konnten, weil Thoralf R. sie bereits benutzt hatte?

Am meisten geschadet hat sich Thoralf R. gewiss selbst, am Montag stand der 45-Jährige wegen Computerbetrugs vor der Barmbeker Amtsrichterin. Er habe schon immer über seine Verhältnisse gelebt, sagt er. „Bestenfalls war das Konto am Monatsende auf null.“ Meist hätten ihm aber rund 500 Euro im Portemonnaie gefehlt. Ein Limit kannte er trotzdem nicht. Wie sich später herausstellte, litt er zudem unter Kaufsucht. Jetzt hat Thoralf R. zwar ein Haus, ein Luxusauto und zwei Pferde – aber auch einen Berg von Schulden.

Prozess Hamburg: Angeklagter ergaunerte sich Codes

Er habe dringend Geld benötigt – und vor sieben Jahren einen Weg gefunden, leicht an welches zu kommen, sagt der geständige Angeklagte. Damals fiel ihm auf, dass ein Teil der von seinem Arbeitgeber vertriebenen Gutschein-Codes nicht eingelöst wurde. Als technischer Leiter der Firma habe er dann ein kleines Computerprogramm, ein Skript, geschrieben, das diese digitalen Gutscheine vor dem Ablaufdatum aus der Datenbank herausfilterte und am Jahresende automatisch an seine private E-Mail-Adresse schickte. Von 2015 bis 2017 gelangte er so an Codes im Gesamtwert von rund 118.000 Euro.

Damit ging Thoralf R. bei Amazon auf Shoppingtour: Er bestellte Modelleisenbahnen plus Zubehör, weil ihn das an die „heile Welt“ von früher erinnerte. Er kaufte iPads und iPhones, und zwischendurch durfte es auch eine Flasche sündhaft teurer Whiskey sein. Einen Teil der Waren behielt er für sich und seine Familie. Deren Wünsche seien anspruchsvoll gewesen, er habe sie stets erfüllt – auch wenn der psychische Druck immer stärker geworden sei. „Ich konnte nicht Nein sagen“, so Thoralf R. Über Ebay verkaufte er außerdem Waren im Wert von 55.000 Euro.

Prozess Hamburg: Angeklagter half bei Ermittlungen

Anfang 2019 flog der Betrug auf. Bei einer Durchsuchung seines Hauses stieß die Polizei auf ein riesiges Warenlager. Von da an half Thoralf R. tatkräftig mit, die eigene Straftat aufzuklären. „Ich habe in meinen 28 Jahren als Staatsanwalt noch keinen Angeklagten erlebt, der sich so kooperativ verhalten hat“, sagt der Staatsanwalt am Montag. Thoralf R. habe nach der Razzia sogar freiwillig weitere Beweismittel mit dem Auto zur Polizei gebracht.

Auch weil der bisher unbestrafte 45-Jährige ein volles Geständnis ablegt, kommt er mit einer Bewährungsstrafe von einem Jahr glimpflich davon. Außerdem muss er 55.000 Euro zahlen – Wertersatz für die zuvor auf Ebay verkauften Waren. Für einen besseren Umgang mit Geld führe er jetzt ein Haushaltsbuch, sagt der Angeklagte. Allein bestelle er gar nichts mehr. „Nur noch gemeinsam mit meiner Frau.“