Hamburg. Wie der Brite Jamie Oliver Italiens Küche retten will, Bioleks Vermächtnis und was Frauen am Herd zu Stars macht.

Hektik vor Weihnachten: Es fehlen noch diverse Geschenke für Familie und Freunde. Wie wäre es mal mit einem Kochbuch? Zusammen mit Benjamin Cordes und Stefan Spiegel vom Online-Magazin kaisergranat.com hat das Abendblatt sechs Bücher ausgesucht, die sich gut als nutzwertige Nachschlagewerke und appetitliche Präsente unter dem Baum eignen.

Lisa Nieschlag , Lars Wentrup: „New York ­Christmas Brunch“, ­Hölker, 20 Euro

Wie kitschig darf’s denn sein? Ruhig ein kleines bisschen mehr? So richtig amerikanisch? Dann treffen Lisa Nieschlag und Lars Wentrup ins Schwarze. Mit ihrem bereits vierten New-York-Kochbuch schaffen sie es, eine schöne weihnachtlich-heimelige Atmosphäre zu verbreiten – mit der versprochenen Portion Kitsch. Die atmosphärischen Eindrücke aus der Metropole verbinden sich hier mit einfachen und unkomplizierten Rezepten.

Wenig Aufwand für viel Genuss. Die Rezepte teilen sich auf drei Kapitel auf: Frühstücksklassiker, Gebäck und Aufstriche (warm und herzhaft). Häufig verbinden oder variieren die Gerichte bereits bestehende Rezepte. Etwa bei den pikanten herzhaften French Toasts mit Tomaten-Sugo, dem Cheesecake-Joghurt oder den Little Carrot Bundt Cakes. Das Zeug zum Lieblingsrezept haben die beerig-frischen Blueberry Lemon Scones mit einer guten Portion Butter. „New York Christmas Brunch“ ist ein Buch für alle, die sich in weihnachtliche Stimmung bringen wollen, ohne dafür die Küche auf den Kopf stellen zu müssen.

Alfred Biolek: „Biolek – die ­Rezepte meines Lebens“, Tre Torri, 29,90 Euro

Alfred Biolek gilt als Vater aller Kochsendungen. Folge für Folge hatte er einen prominenten Gast in seiner Küche, man plauderte und kochte. Über die Jahre sind so Hunderte Rezepte zusammengekommen. 600 (!) von ihnen finden sich in diesem dicken Kochbuch. Von Salat und Suppe über Gemüse und Pastagerichte bis hin zu Lamm, Wild und Desserts.

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. © Unbekannt | Tre Torri Verlag

 Gemessen an der riesigen Rezeptauswahl ist der Preis des Buches mehr als fair. Abstriche muss man dafür bei der etwas altbackenen Optik machen. Als Vermächtnis eines der beliebtesten Fernsehköche (oder soll man sagen: kochender Moderatoren?) macht sich dieser dicke Schinken aber gut in jedem Kochbuchregal.

Haya Molcho: „Tel Aviv by Neni“, Brandstätter, 35 Euro

Die orientalische Küche ist einer der größten Kochbuch-Trends des Jahres. Viel Gemüse, cremiges Hummus, ein paar frittierte Leckereien und das Teilen der Gerichte mit Freunden am Tisch macht diese Küche so genussreich. Haya Molcho, geboren in Tel Aviv und verheiratet mit dem Pantomimen Samy Molcho, hat diesen Trend maßgeblich mitbegründet. Am Wiener Naschmarkt eröffnete sie ihr erstes Neni-Restaurant, mittlerweile gibt es einige Ableger, darunter auch im Alten Hafenamt in der HafenCity.

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. © Unbekannt | Brandstätter Verlag

 Molchos neues Buch dreht sich um Tel Aviv, weil die Stadt so etwas wie die Wiege der modernen-kosmopolischen Nahost-Küche ist. Die Metropole bringt nicht nur unterschiedlichste Menschen und Kulturen auf engem Raum zusammen, sondern dabei auch eine fantastische kulinarische Vielfalt hervor. Dieses Buch porträtiert diese beiden Seiten – nicht umsonst heißt sein Untertitel „Food. People. Stories“. Die Rezepte sind gleichermaßen wohltuend, aufregend und abwechslungsreich. Beispiele sind das grüne Shakshuka mit Spinat, die gerösteten Auberginen mit asiatischer Tahina (Sesampaste), das Mechouia (gegrilltes Gemüse) mit Rucola-Pesto und Ananas-Carpaccio mit Kokos­eis. Moderne, zeitgemäße und von Leichtigkeit geprägte Nahost-Küche, die Spaß macht.

„Willkommen in der Kunztküche“, Hinz&Kunzt, 25 Euro

Zu ihrem 25. Geburtstag hatte die „Hinz&Kunzt“-Redaktion eine gute Idee: Für 25 Tage hat sie ihr eigenes Pop-up-Restaurant, die „Kunztküche“, aufgemacht und 25 Hamburger Gastköchinnen und -köche eingeladen. Das „größte Abenteuer in der Geschichte des Straßenmagazins“, wie sie selbst schreibt. Daraus ist dieses tolle Kochbuch entstanden, in dem alle Gastköchinnen und -köche mit einem kurzen Steckbrief und unterhaltsamen Interviews vorgestellt werden.

Willkommen in der KunztKüche!: 25 Jahre Hinz&Kunzt - 25 Tage unser Restaurant auf Zeit

Buchcover Kochbuch
Willkommen in der KunztKüche!: 25 Jahre Hinz&Kunzt - 25 Tage unser Restaurant auf Zeit Buchcover Kochbuch © Unbekannt | Hinz&Kunzt

Mit dabei sind zum Beispiel die Jungs von Salt & Silver an der Hafenstraße mit Ceviche Tulum und Mandelkuchen mit Orangen-Sabayon, Thomas Imbusch (100/200) mit geschmorten Schweinebäckchen, Vanilleeis mit Schokoladenbiskuit und Schokocreme oder Tim Mälzer mit einem gratinierten Hühnerfrikassee, Rote Grütze und Vanillesoße. Was das Buch so schön macht, sind die unzähligen fotografischen Eindrücke aus der Küche, von den Köchen und ihren Gästen. Und natürlich die vielen, reich bebilderten Rezepte. Die kann man dank gutem Layout wunderbar nachvollziehen und nachkochen, sodass sich dieses Werk hinter keinem klassischen Kochbuch verstecken muss.

Stephanie Bräuer: „Frauen an den Herd“, Christian, 39,99 Euro

Das Konzept dieses pinkfarbenen, auffälligen Buches ist so klar wie genial: 24 Köchinnen aus acht Ländern bekommen hier ihre eigene, ungestörte Bühne und erzählen ihren Weg in die Spitzengastronomie in ausführlichen und spannenden Gesprächen. Dass das Buch keine verbissene, flammende Feminismus-Kampfschrift ist, sondern es einfach um die Selbstverständlichkeit von Frauen in der Gastronomie geht, macht das Ganze umso besser. Dazu passt der selbstironische und herrlich treffende Titel, für den der ewige Machospruch einfach beim Wort genommen und entzaubert wurde. Aus Hamburg sind Cornelia Poletto und Anna Sgroi dabei.

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. © Unbekannt | Christian Verlag

Letztere steuert als Rezept unter anderem Involtini von der Kaninchenkeule mit Perlzwiebeln und jungen Möhren bei. So unterschiedlich wie die Protagonistinnen sind auch die Rezepte der weiteren Köchinnen: Oktopus-Gröstel, Bread-and-Butter-Pudding mit Spargelsalat, Krustentier-Tortelli, geschmorte Kalbsbäckchen oder Joghurt-Creme mit Rhabarber und Erdbeeren. Ein spannendes und lesenswertes Kochbuch mit der ganzen Vielfalt der weiblichen Gastronomie.

Jamie Oliver: „Jamie kocht Italien“, Dorling Kindersley, 26,95 Euro

Jamie Oliver will etwas Bedrohliches beobachtet haben. Die italienische Esskultur habe sich gewandelt, sich dem Diktat der Effizienz unterwerfen müssen, immer weniger Menschen besäßen noch die alten Techniken und Fertigkeiten, die man für die Cucina Italiana benötige. „Ein kostbarer Schatz, von Generation zu Generation weitergereicht, droht verloren zu gehen“, schreibt Jamie Oliver.

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. © Unbekannt | Dorling Kindersley

Und nun will er die italienische Küche retten, mit diesem Kochbuch. Ein hehres Ziel, dem Jamie mit seinen Rezepten jedoch zumindest nahekommt. Denn sie sind schlicht wunderbar. Es ist eine einfache, authentische italienische Küche, die einen recht tief gehenden Eindruck der Esskultur vermittelt und nicht auf Effekthascherei oder moderne Trends setzt. Die Rezepte sind eine Mischung aus schneller Küche (Spaghetti mit schwarzem Pfeffer, Butter und Pecorino), Gerichten, die etwas Muße und Zeit benötigen (Cassata-Rolle), Fleisch (Wildschwein-Ragout), Fisch (Dorade mit Fenchel und Oliven), Familienklassikern („Strozzapreti“-Fleischbällchen aus dem Ofen), Neuentdeckungen, Alltagsgerichten und aufwendigeren Rezepten für besondere Anlässe (Schweineschulter im Ganzen).

Auch optisch ist das Kochbuch erneut sehr gelungen. Das kompakte Format, die übersichtliche Aufteilung von Text auf der einen Seite und Bild auf der anderen Seite, das natürliche Styling, das so wunderbar lebensnah und ungekünstelt wirkt: All das haben danach viele andere Bücher kopiert. Rettet man mit diesem Buch die italienische Küche? Vielleicht nicht ganz. Aber in jedem Fall viele köstliche Essen.