Hamburg. Die Stadt veröffentlicht einmal im Jahr ihr Sozialmonitoring: Auffällige Veränderungen gab es dort, wo große Flüchtlingsunterkünfte entstanden sind
Rund jeder fünfte Hamburger (363.000 Einwohner) lebt in Quartieren mit einem niedrigen oder sehr niedrigen sozialen Status. Umgekehrt wohnen rund 80 Prozent der Bevölkerung in Gegenden mit mittlerem oder hohem Status – das sind 1,48 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner.
Seit 2010 weist der Sozialmonitoring-Bericht einmal pro Jahr aus, wie sich die Stadt in sozialer Hinsicht entwickelt. Das Besondere: Die Analyse ist sehr kleinteilig: Die Stadt wird in 941 Gebiete aufgeteilt, von denen 846 Areale mit wenigstens 300 Einwohnern in die Untersuchung eingeflossen sind – das entspricht 99 Prozent der Bevölkerung. Grundlage ist die statistische Ermittlung von acht Kriterien: Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, Kinder von Alleinerziehenden, SGB-II-Empfänger, Empfänger nach Asylbewerberleistungsgesetz, Arbeitslose, Kinder in Mindestsicherung, Mindestsicherung im Alter sowie Schulabschlüsse. Der Sozialindex wird nach den vier Gruppen hoch, mittel, niedrig und sehr niedrig kategorisiert.
Die Stadtteile driften nicht weiter auseinander
Das Sozialmonitoring 2017 – ausgewertet wurden die Daten des Jahres 2016 – weist insgesamt keine allzu großen Veränderungen gegenüber dem Vorjahresbericht auf. „Die Stadtteile in Hamburg driften erfreulicherweise nicht auseinander“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) bei der Vorstellung des Berichts.
Bemerkenswert ist allerdings, dass es in fünf Gebieten eine deutliche Absenkung des Sozialstatus um gleich zwei Stufen gab: von mittel auf sehr niedrig. Dabei handelt es sich um Areale mit großen Flüchtlingsunterkünften in Wilhelmsburg, Bahrenfeld, Sülldorf, Langenhorn und Harburg. Insgesamt leben in diesen Bereichen 5900 Einwohner. Erstmals konnten im Rahmen des Sozialmonitorings die Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausgewertet werden. „Das heißt aber auch, dass in allen anderen Gebieten aufgrund der Flüchtlingszuwanderung keine deutliche Änderung des sozialen Status feststellbar ist“, betonte Stapelfeldt.
Insgesamt weisen 14 Gebiete einen um eine Stufe niedrigeren Status als 2016 auf – 29 einen höheren. Das heißt aber auch: Zwischen den Gebieten mit niedrigem und denen mit mittlerem oder hohem Sozialindex gibt es wenig Bewegung. Die Zahl der Quartiere mit sehr niedrigem Index ist von 82 auf 76 gesunken, die Zahl der Gebiete mit niedrigem Index von 67 auf 77 gestiegen. Verschiebungen gibt es vor allem innerhalb des mittleren Segments.
Der Bericht weist sechs Schwerpunkträume aus, in denen sich besonders viele Quartiere mit niedrigem und sehr niedrigem Status ballen: Dulsberg/Steilshoop/Bramfeld, östlicher Stadtrand mit Billstedt/Horn/Jenfeld/Rahlstedt, südöstlicher Stadtrand mit Lohbrügge/Neuallermöhe/Teile von Bergedorf, südlich der Elbe mit Veddel/ Wilhelmsburg/Harburg/Heimfeld/Hausbruch/Neugraben-Fischbek, westlicher Stadtrand mit Lurup/Osdorf, westliche innere Stadt mit Altona/Sternschanze/St. Pauli sowie östliche innere Stadt mit Borgfelde/Hamm/Hammerbrook/Rothenburgsort.
„Das Sozialmonitoring ist eine Art Frühwarnsystem“
Im Langzeitvergleich der vergangenen sechs Jahre zeigt sich, dass Veränderungen „nach oben“ nur schwer zu erreichen sind. Von 178 Gebieten, für die seit 2012 mindestens einmal ein niedriger oder sehr niedriger Sozialstatus ermittelt wurde, verharren gut zwei Drittel in diesen Kategorien. Bei 20 Prozent lässt sich ein tendenziell steigender Status beobachten, rund zehn Prozent fallen dagegen sogar ab. Dabei werden oder wurden die meisten dieser Gebiete mit dem Rahmenprogramm Integrierte Stadtentwicklung (RISE) unterstützt.
Das heißt, in diese Gebiete fließen Investitionen für den Bau von Begegnungshäusern, Turnhallen sowie den Bau oder die Verbesserung von Freizeiteinrichtungen und Grünanlagen. Für Stapelfeldt ist das Sozialmonitoring dennoch ein wichtiges Instrument der Stadtentwicklung.
„Das Sozialmonitoring ist eine Art Frühwarnsystem, soziale Ungleichheiten in unserer Stadt zu erkennen“, sagte die SPD-Politikerin. „Es lenkt den Blick auf die Quartiere mit besonderem Entwicklungsbedarf, damit kein Quartier von der insgesamt guten Entwicklung, die unsere Stadt derzeit nimmt, abgekoppelt wird.“
„Unsere Unternehmen fördern die Nachbarschaften und engagieren sich in der Quartiersentwicklung“, sagte Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). Die rund 100 Hamburger VNW-Mitgliedsunternehmen seien „in vielen Stadtteilen unverzichtbare soziale Anker und bieten nachhaltige Lösungen für den sozialen Zusammenhalt an“.
„Die Praxis des Senats bei der Flüchtlingsunterbringung hat dazu geführt, dass in fünf Gebieten wie befürchtet Tendenzen der Gettoisierung und große soziokulturelle Probleme entstanden sind“, sagte Jens P. Meyer, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der FDP. Für eine gelungene Integration wären von Anfang an eine kleinteilige Unterbringung und sozialer Wohnungsbau nötig gewesen.