Hamburg. 7500 Anbieter soll es in Hamburg geben. Anwohner klagen über Krach und mangelnde Sicherheit. Wird das Gesetz geändert?

Rollkoffer-Gepolter im Treppenhaus, Gegröle auf dem Balkon, dauernd Fremde im Haus, rücksichtloses Aus-dem-Bett-Klingeln, damit die Haustür geöffnet wird – die Belästigungen, denen Nachbarn einer häufig über Airbnb vermieteten Wohnung ausgesetzt sein können, kennen Manuela Philippi und Sam Lazay nur zu gut.

Sie wohnen im ersten und vierten Stock eines Altbaus an der Peter-Marquard-Straße in Winterhude. Zwischen ihnen liegt eine Wohnung, die das ganze Jahr über die Internetplattform angeboten wird. Etwa die Hälfte der Gäste verhalte sich rücksichtslos.

„Unsere gesamte Eigentümer­gemeinschaft hat sich einstimmig für die Unterlassung dieser gewerblichen Ferienwohnungsvermietungen bei uns ausgesprochen und der Vermieterin das auch mitgeteilt“, sagt Lazay.

Bewohner fühlen sich in Sicherheit beeinträchtigt

Neben der Ruhestörung und dem erheblichen Verschleiß des Gemeinschaftseigentums durch den „Rollkoffertourismus von bis zu siebenköpfigen Airbnb-Reisegruppen“ fühlten sich die anderen Bewohner in ihrer Sicherheit beeinträchtigt. „Wir wissen nie, was das für Gestalten sind, die bei uns im Haus ein und aus gehen und über Schlüssel verfügen, die man ohne Weiteres duplizieren kann“, so der Texter und Kreativdirektor.

Der Ärger an der Peter-Marquard-Straße dürfte kein Einzelfall sein. Die Hamburg Tourismus GmbH schätzt, dass es rund 7500 Airbnb-Anbieter in der Stadt gibt. 270.000 Hamburg-Touristen sollen nach Abendblatt-Informationen im Jahr 2017 über die Internetplattform privaten Wohnraum in der Hansestadt gemietet haben.

Laut Airbnb wurden 92 Prozent aller Unterkünfte für weniger als 180 Tage im Jahr vermietet. Das heißt, acht Prozent der Vermieter ignorieren die Vorschrift, dass sie ihre Unterkunft nicht länger als sechs Monate vermieten dürfen. Damit aber können sie auch nicht, wie vorgeschrieben, die Unterkunft, bei der es sich um die Hauptwohnung des Anbieters handeln muss, mehr als die Hälfte des Jahres selbst nutzen.

Airbnb-Gäste klingeln zu allen Uhrzeiten

Die Hausverwaltung hat den Nachbarn der Airbnb-Wohnung in der Peter-Marquard-Straße bereits in einem Schreiben geraten, die Haustür nicht mehr zu öffnen. Denn immer wieder begehren Airbnb-Gäste Einlass. „Sie klingeln zu allen Uhrzeiten, weil sie keinen Schlüssel haben“, sagt Manuela Philippi, die schon bepöbelt wurde, als sie sich geweigert hat, die Haustür zu öffnen.

Sie sieht in der Airbnb-Vermietung im Haus eine „erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität“. „Wir Bewohner wissen, dass unser Altbau hellhörig ist, und nehmen entsprechend Rücksicht. Die Airbnb-Gäste nicht“, sagt die Maschinenbauingenieurin, die morgens kurz nach 5 Uhr aufsteht und oft von nächtlichem Lärm unter ihr gestört wird.

Einen sogenannten Door-Safe im Hausflur, in dem der Wohnungsschlüssel hinterlegt wurde, hat die Vermieterin auf Druck von Bewohnern und Hausverwaltung mittlerweile abgebaut. Vom Vermieten lässt sie sich aber nicht abhalten – in einem Schreiben an die Hausverwaltung (liegt dem Abendblatt vor) teilt ihr Anwalt mit, dass seine Mandantin die betreffende Wohnung „in zulässiger Weise als Ferienwohnung nutze“ und das auch weiterhin tun werde. Es sei auch in der Teilungserklärung nicht festgelegt, dass eine derartige Nutzung unzulässig sei.

Mehr als 300 Airbnb-Angebote rund um die Alster

Das bestreiten Philippi und Lazay. In der Erklärung heiße es, dass „im Interesse des friedlichen Zusammenlebens aller Hausbewohner das Wohnungseigentum so auszuüben“ ist, dass keinem Bewohner „über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus Nachteile erwachsen“. Die Vermieterin will sich zu dem Streit nicht weiter äußern. „Ich habe mich anwaltlich beraten lassen und gehe davon aus, dass die Vermietung legal ist.“

Besonders in Szenelagen ist die Nachfrage nach Airbnb-Unterkünften groß. Mehr als 300 gibt es rund um die Alster, 94 allein in den von Altbauten gesäumten Straßen links und rechts des Mühlenkamps. Hier betreffen 67 Angebote die Vermietung der gesamten Wohnung. Genau das ist es, was Miriam Becker (Name geändert) aus der Prey­straße stört.

„Ganze Wohnungen dauerhaft oder regelmäßig via Airbnb zu vermieten, empfinde ich als asozial und komplett egoistisch“, sagt Becker, in deren Haus es ebenfalls eine Airbnb-Wohnung gibt. „Hamburg leidet unter knappem Wohnraum und permanent steigenden Mieten. Durch Airbnb-Vermietungen verringert sich die Anzahl der Mietwohnungen weiter, und die Preise steigen noch mehr.“

Für Mieterverein ein „knallhartes Geschäftsmodell“

Die Preise für Airbnb-Wohnungen variieren je nach Nachfrage. Wer beispielsweise die Unterkunft an der Peter-Marquard-Straße im Oktober buchen will, zahlt 89 Euro pro Nacht, derzeit sind es (für Buchungslücken) 64 Euro. Das entspreche nicht mehr der ursprünglichen Idee einer Kurzzeitvermietung, sagt Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins, in einem aktuellen NDR-Beitrag.

„Nach unserer Feststellung ist es ein knallhartes Geschäftsmodell.“ Der Verein habe die Tendenz beobachtet, dass Zimmervermietung in den Hintergrund trete. „Im Fokus stehen ganze Wohnungen, die dem Tourismus zugeführt und damit dem normalen Wohnungsmarkt entzogen werden.“

Die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) arbeitet derzeit an einer Gesetzesänderung. Diese sieht unter anderem eine Registrierungspflicht für Anbieter vor, die Wohnraum über Internetportale wie Airbnb anbieten. Außerdem soll privater Wohnraum nur noch insgesamt zwei, anstatt wie bisher sechs Monate genehmigungsfrei untervermietet werden können.